„Ex Libris: Die Public Library von New York“ – Dokumentarfilm von Frederick Wiseman

Pünktlich zum „Tag der Bibliotheken“ am 24. Oktober 2018 startet Frederick Wisemans neuer Dokumentarfilm „Ex Libris: Die Public Library von New York“ in den deutschen Kinos. Die Dokumentation gibt Einblick in das System der öffentlichen Bibliotheken der Stadt New York, das mit seiner 51 Millionen Medien umfassenden Sammlung eines der größten Bibliothekssysteme der Welt ist. Gemessen an der Zahl der Menschen, die entweder einen Bibliotheksausweis haben oder die Bildungs- und Informationsangebote nutzen, ist die Public Library mit 17 Millionen Besuchern mit großem Abstand die größte Bibliothek der Welt.

Steinerner Löwe vor dem Haupteingang der New York Public Library an der Fifth Avenue

Wiseman zeigt das vielfältige Geschehen der Public Library in seiner ihm eigenen Manier unkommentiert. Von der telefonischen Informationsanfrage, über die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, bis hin zu Diskussionen über den digitalen Wandel und die Rolle, die Bibliotheken darin spielen, um nur einen kleinen Einblick in die dreistündige Doku zu geben. Der Filmemacher zeigte sich selbst überrascht über die Diversität und den Umfang der bibliothekarischen Arbeit im Informationszeitalter und erkennt darin eine besondere Wichtigkeit: Mit einem Seitenhieb auf Trump stellt Wiseman fest, dass Bibliotheken „unabhängig von der aktuellen amerikanischen Politikszene […] ein Ideal der Inklusion, Demokratie und Meinungsfreiheit“ blieben (vgl.).

Im Zentrum der Werke Wisemans stehen zumeist Institutionen und ihre Strukturen. Das kann eine psychiatrische Klinik („Titicut Follies“), eine Universität („At Berkeley“) oder ein öffentlicher Park („Central Park“) sein. Der Amerikaner gilt als einer der bedeutendsten Dokumentarfilmer der Filmgeschichte, der diese Filmgattung nachhaltig prägte.

2017 wurde „Ex Libris – The New York Public Library“ bei dem Filmfestival von Venedig mit dem FIPRESCI-Preis der gleichnamigen internationalen Filmkritikervereinigung für den besten Wettbewerbsfilm ausgezeichnet. Wir berichteten. Sehen Sie hier den Trailer zum Film:

 

Auch die Universitätsbibliothek und das Bibliothekssystem der FU Berlin reagierten früh auf die digitale Transformation und bieten schon seit langem weit mehr als nur den Zugang zu wissenschaftlichen Texten. In den Lernangeboten der Uni-Bibliothek dreht sich alles darum, ihre NutzerInnen fit in Informationskompetenz zu machen – von der Einführung in das FU-eigene Bibliotheksportal Primo, über die Identifizierung wichtiger Fachliteratur, bis hin zum richtigen Zitieren oder der Arbeit mit Literaturverwaltungsprogrammen.

Preis für Bibliotheksdokumentation beim Filmfestival von Venedig

Nachdem wir Ende Juli schon darüber berichtet hatten, dass eine Dokumentarfilm über das Bibliothekswesen bei den diesjährigen Filmfestspielen von Venedig gezeigt wird, hat diese am letzten Festivaltag auch einen Preis erhalten. Ex Libris – The New York Public Library des US-Amerikaners Frederick Wiseman gewann den FIPRESCI-Preis der gleichnamigen internationalen Filmkritikervereinigung für den besten Wettbewerbsfilm (vgl. fipresci.org). Damit stach Wiseman zumindest aus Sicht der Kritiker so bekannte Autorenfilmer und Hollywood-Größen wie Alexander Payne (Downsizing), Darren Aronofsky (Mother!), George Clooney (Suburbicon), Guillermo del Toro (The Shape Of Water), Abdellatif Kechiche (Mektoub, My Love: Canto Uno) oder auch den chinesischen Künstler und Menschenrechtler Ai Weiwei (Human Flow) aus. Den Goldenen Löwen der Wettbewerbsjury um Annette Bening erhielt dagegen der Spielfilm The Shape of Water (vgl. labiennale.org)

Steinerner Löwe vor dem Haupteingang der New York Public Library an der Fifth Avenue

Über drei Stunden lang blickt der Dokumentarfilm auf die New York Public Library und ihre insgesamt 92 Zweigstellen. Bibliotheken werden als ein Ort der Wissensvermittlung dargestellt, in deren Zentrum die Mitarbeiter und Besucher stehen. Ohne direkte Interviews oder Kommentare dokumentiert der Film die innere Struktur der Bibliothek, fängt beispielsweise die Querelen um knappe Bibliotheksetats, die Antizipation digitaler Trends, Vorträge über das Thema Sklaverei, eine Buchpräsentation von Elvis Costello oder Jobkurse mit Krankenhelfern und Feuerwehrmännern ein. Porträtiert wird sowohl die Situation an Standorten in Manhattan, als auch in weniger frequentierten Wohngegenden sowie die Situation von Zuwanderern.

Bild: Another Believer / CC-BY-SA-4.0

Bei Ex Libris – The New York Public Library handelt es sich um die 42. Regiarbeit von Frederick Wiseman (vgl. Profil mit Trailer bei zipporah.com). Die Dreharbeiten fanden über mehrere Wochen im Jahr 2015 statt (vgl. tiff.net). Der Filmmemacher gab an, von den vielen verschiedenen Dienstleistungen überrascht gewesen zu sein, die Bibliotheken heute anbieten: „Bibliotheken von heute sind Gemeindezentren mit Schulprogrammen für Kinder und Kurse für Erwachsenenbildung in Sprachen, Staatsbürgerschaft, Wirtschaft und Computerprogrammierung geworden. Unabhängig von der aktuellen amerikanischen Politikszene bleibt die Bibliothek ein Ideal der Inklusion, Demokratie und Meinungsfreiheit.“, so Wiseman (vgl. labiennale.org). Bei der Vorstellung seines Films in Venedig gab er an, dass die Bibliothek ein „Gegengift“ zum darwinistischen Gesellschaftsbild des US-Präsidenten Donald Trump sei (vgl. tagesspiegel.de).

Lob der internationalen Filmkritik

Nach ihrer Premiere erhielt die Dokumentation im anglo-amerikanischen Raum ausnahmslos lobende Kritiken. Auf der Website Rotten Tomatoes, die Kritiken auswertet, hält der Film derzeit eine Bewertung von 100 Prozent mit einer Durchschnittswertung von 8,5 von 10 Punkten und konnte alle gelisteten Kritiker überzeugen.

Auch im deutschsprachigen Raum erhielt der Dokumentarfilm überwiegend positive Kritiken:

Michael Pekler (Der Standard) zählte den Dokumentarfilm zu den „Höhepunkten des Festivals“. Wiseman zeige die Bibliothek „nicht als Ort der Aufbewahrung von Büchern, sondern als einen der Wissensvermittlung, in dessen Zentrum die Mitarbeiter und Besucher stehen“. Der Filmemacher verzichte wie immer auf Interviews und Kommentar und vertraue „seiner scharfsinnigen Beobachtung und einer ausgefeilten Montage“.

Frederick Wiseman im Jahr 2005 (Bild: Charles Haynes / CC-BY-SA-2.0)
Frederick Wiseman im Jahr 2005

Bild: Charles Haynes / CC-BY-SA-2.0

Tim Caspar Boehme (die tageszeitung) relativierte die Laufzeit von dreieinhalb Stunden, die man dem Film kaum anmerke. Wie Pekler merkte er an, dass sich Bibliotheken „in erster Linie als Orte verstehen, an denen Leute mit Bildung ermächtigt werden sollen, heute vor allem über das Internet“, und nicht nur als „Lagerhäuser für Bücher“. Wiseman wechsle „dabei unmerklich zwischen nüchtern abgefilmten Veranstaltungen und atmosphärischen Einstellungen, ohne seinen Gegenstand zweckfrei für schöne Motive auszuschlachten“, so Boehme.

Laut Andreas Borcholte (Spiegel Online) beweise der Regisseur trotz seines hohen Alters „noch ein Gespür für den aktuellen politischen Zeitgeist“, indem der Film „vor allem die Belange der afroamerikanischen Gemeinde New Yorks“ betone. Wiseman „spektakulär nüchterner Showcase“ sei im Wettbewerb von Venedig „das wohltuend rationale Gegenstück“ zur „Mother!-Hysterie“ seines Landsmanns Darren Aronofsky.

Etwas kritischer sah Susanne Ostwald (Neue Zürcher Zeitung) den Film. Sie bemerkte reiche Eindrücke, Ex Libris summiere sich jedoch „zu einer etwas distanzlosen Werbeaktion im Dienst der guten Sache“.

Mit dem Fair Play Cinema Award gewann Wiseman einen weiteren Preis, noch vor Ai Weiweis Dokumentarfilm Human Flow (vgl. labiennale.org).

Der Autor spendete diesen Text gleichzeitig der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia

Bibliotheksdoku konkurriert beim Filmfestival von Venedig

Heute wurden in Rom die Wettbewerbsfilme für die vom 30. August bis 9. September stattfindenden 74. Internationalen Filmfestspiele von Venedig bekanntgegeben. Unter den Anwärtern auf den Goldenen Löwen, den Hauptpreis des Filmfestivals, befinden sich so bekannte Autorenfilmer und Hollywood-Größen wie die bereits vielfach prämierten Alexander Payne (Downsizing), Darren Aronofsky (mother!), George Clooney (Suburbicon), Guillermo del Toro (The Shape Of Water), Abdellatif Kechiche (Mektoub, My Love: Canto Uno) oder auch der chinesische Künstler und Menschenrechtler Ai Weiwei (Human Flow). Aber auch ein „kleiner“ Dokumentarfilm über das Bibliothekswesen darf sich Hoffnungen auf eine Auszeichnung der Wettbewerbsjury unter Leitung der US-amerikanischen Schauspielerin Annette Bening machen – Ex Libris – New York Public Library von Frederick Wiseman erhielt ebenfalls eine Einladung (vgl. Artikel bei screendaily.com).

Frederick Wiseman im Jahr 2005 (Bild: Charles Haynes / CC-BY-SA-2.0)
Frederick Wiseman im Jahr 2005

Wiseman, geboren 1930 in Boston, zählt zu den wichtigsten amerikanischen Vertretern des sogenannten „Direct Cinema“, einer Form des Dokumentarfilms, die Anfang der 1960er-Jahre in den USA entstand. Seit 1967 hat der letztjährige Ehrenoscar-Preisträger über 40 Filme gedreht. Als unabhängiger Filmemacher hat er sich nie für den Markt interessiert. Seine zum Teil sozialkritischen Dokumentarfilme die u. a. um Nervenheilanstalten, High Schools, das American Ballet Theatre oder zuletzt um die National Gallery in London kreisten, vergleicht er selbst mit Theaterstücken, Romanen oder Gedichten (vgl. Biografie bei Munzinger Online). Was liegt da näher, als seinen neuesten Dokumentarfilm in der Bibliothekslandschaft spielen zu lassen?  Auf der Webseite von Wisemans Filmgesellschaft Zipporah Films, ist nachzulesen, dass er bei Ex Libris – New York Public Library einen Blick hinter die Kulissen des öffentlichen Bibliothekssystems in New York wagt. „Die NYPL ist gesegnet mit gleichmäßig leidenschaftlichen Mitarbeitern und zutiefst hingebungsvollen, dankbaren Bibliophilen und Nutznießern in ihren 92 Zweigstellen. Der Film zeigt einen ehrwürdigen Ort des Willkommens, kulturellen Austausches und der intellektuellen Kreativität.“, so die offizielle Beschreibung. Laut einem älteren Artikel des Branchendiensts Indiewire soll auch der Spagat zwischen der Aufrechterhaltung traditioneller bibliothekarischer Dienstleistungen auf der einen und die Anpassung an den digitalen Wandel auf der anderen Seite thematisiert werden.

Bild: Charles Haynes / CC-BY-SA-2.0

Wie auch immer das Abenteuer in Venedig für Frederick Wiseman ausgeht, wir dürfen auf Ex Libris – New York Public Library gespannt sein – und auf einen deutschen Kinostart hoffen. Mit einer angekündigten Länge von 197 Minuten (der längste Film im Wettbewerb!) dürfte das für die hiesigen Verleiher eine große Herausforderung darstellen ?.

Podiumsdiskussion „Welche Zukunft für Berlins Bibliotheken?“ am 12. September

Sechs Tage vor der Abgeordnetenhauswahl in Berlin findet am Montag, den 12. September 2011, um 18 Uhr im Berlin-Saal der Berliner Stadtbibliothek (Breite Str. 30-36 in Berlin-Mitte) eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der Berliner Bibliotheken statt. Anwesend sein werden Vertreter der CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken sowie Stefan Rogge, geschäftsführender Vorsitzender des Landesverbandes Berlin im Deutschen Bibliotheksverband e. V. (dbv).

Der Landesverband Berlin und die Landesgruppe Berlin des Berufsverbands Information Bibliothek (BIB) haben bereits in diesem Frühjahr vier sogenannte „Wahlprüfsteine“ an die Fraktionsvorsitzenden in Berliner Abgeordnetenhaus verschickt, um deren Positionen zur Entwicklung der Berliner Bibliotheken zu erfahren. Diese werden Grundlage für die Diskussion sein. Die schriftlichen Antworten der Parteien findet man auf der Webseite des dbv.

Schon seit Jahren wird sich in Berlin wie auch in anderen deutschen Bundesländern u. a. für ein Bibliotheksgesetz engagiert (in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen war man bereits erfolgreich). Dieses soll Bibliotheken als Kultur- und Bildungseinrichtungen stärken und zur Pflichtaufgabe der Politik machen. Auf diese Weise erhofft man sich ein Ende der Bibliotheksschließungen und der Verschlechterung des Medienangebots vor allem an Öffentlichen Bibliotheken.

Gesehen im IBI-Weblog der HU