Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Ein Wort, das nicht trendet

Zugegeben, die niederländische Sprache ist wahrscheinlich die Königin der Konversion. Gib ihr ein Substantiv, und sie macht ein Verb daraus, koste es was es wolle. Computeren, tennissen, treinen – alles kann, nichts muss. Doch in einer kleinen Ecke des Internets schleicht sich heimlich das Deutsche von hinten an und paff! bastelt es eine implizite Transposition, die sich gewaschen hat.

Zugegeben, so klein ist diese Ecke im Internet nicht, sie heißt Twitter. Und auf Twitter kann auf Deutsch ein Thema inzwischen trenden. Ja, richtig gelesen: Das Thema trendet. Wenn viele Menschen über dasselbe schreiben und dafür denselben Hashtag benutzen, dann bildet sich ein Trend heraus. Auf Englisch sagt man dafür in der Regel, das Thema is trending. Viel seltener, vielleicht sogar ungrammatisch ist die Variante *it trends. Die Verlaufsform überrascht kaum. Trends sind schnell vorbei und es wird über sie in der Regel nur solange gesprochen, wie sie andauern. Ein Trend, der keiner mehr ist, ist nicht die Rede wert und braucht auch keine Verlaufsform mehr.

Hashtags

Wer trenden will, braucht Hashtags. (PK)

Das Deutsche hat eine solche Verlaufsform bekanntlich nicht. Also nimmt man sich den Trend und macht ihn zu einem einfachen, wunderbar flektierbaren Verb. Es kann sogar auch transitiv verwendet werden. In einem Diskussionsforum fragt ein unerfahrener User, wie man gezielt trenden kann, also selbst einen Trend setzt. Jemand missversteht die Frage und denkt, es ginge darum, sich an einem konkreten Trend zu beteiligen. Die Antwort: „Das trendet man, indem viele Leute gleichzeitig den gleichen Hashtag benutzen.“ Man kann also auch etwas trenden, indem man sich absichtlich an einen Trend anhängt und einen Hashtag mitbenutzt. Übrigens kann man auch etwas hypen. Bei einem Hype ist der Erfolg wahrscheinlich noch kurzlebiger als bei einem Trend. Allerdings ist das Verb hypen offenbar tatsächlich nur auf transitiven Gebrauch beschränkt. *Das hypet gerade sehr funktioniert nicht so recht.

Und das Niederländische, mit seiner Leidenschaft für die Verbbildung? Es verweigert sich dem Trend. Beim Algemeen Dagblad schreibt man beispielsweise: „Blauwe Whatsapp-vinkjes trending op Twitter“. Man kann problemlos das Hilfsverb weglassen, wie in einer Zeitungsüberschrift üblich. Aber für das Vollverb bzw. hier die prädikative Partizipform braucht man die englische Form. Einen Grund dafür kann man zumindest vermuten: Auch im Niederländischen gibt es die englische Verlaufsform nicht. Und das Präsens der dritten Person eines Verbs trenden wäre trendt. Zumindest in der gesprochenen Sprache wäre diese Form nicht hörbar zu unterscheiden vom Substantiv trend. Für die geschriebene Sprache ist das allerdings kein Argument. Und im Internet wird nun einmal mehr geschrieben als gesprochen.

Was das Niederländische sehr wohl kennt, sind andere Trend-bezogene Verbableitungen wie trendhoppen, trendsetten und trendwatchen. Alles sehr interessante Verben, die eine unterschiedliche Beteiligung an Trends transportieren. Etwas hypen kann das Niederländische genauso gut wie das Deutsche. Nur mittrenden, das kann es noch nicht.

Sehr enthusiastisch hofft zumindest ein Internetuser darauf, dass sich das Verb blendlelen durchsetzen wird, abgeleitet von der Medienplattform Blendle. So sehr er seine Wortkreation auch zu hypen versucht, die Chancen sind eher gering. Ableitungen von Markennamen setzen sich deutlich schwerer durch und ausgehend vom Schriftbild stolpert die Aussprache von blendlelen sehr. Niemand weiß außerdem, ob Blendle dauerhaft erfolgreich wird – oder ob es nur kurzzeitig trendet. Beim Trenden jedenfalls hat das Niederländische den Trend verpasst. #Sprachwandelfail

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Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 10. März 2016 um 09:05 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Sprachvergleich, Sprachwandel, Wortbildung, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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