Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Ungezogenes Völkchen

Nach dem Brexit ist vor dem Brexit: Die Abstimmung ist vorbei, aber erledigt ist die Angelegenheit noch lange nicht. Die Verhandlungen müssen erst einmal beginnen. Währenddessen schauen viele Niederländer und Belgier über die Nordsee und sagen sich: Wat een stout volkje!

Was sie damit meinen, da sind sie sich wahrscheinlich nicht unbedingt einig. Die Einen denken wie ein gewisser Jemand mit stark gegelten blonden Haaren und sehen in den Briten die klarsichtigen Vorbilder. Sie halten sich an die althergebrachte Bedeutung des Wörtchens stout, das mit dem deutschen stolz verwandt ist: Die Briten seien ein tapferes, wackeres Volk, das die Krake Europa endlich abgeschüttelt hat. Sie fühlen sich vielleicht an Karel de Stoute (dt. Karl der Kühne) im 15. Jahrhundert erinnert, der die Finger nicht von den umliegenden Landen lassen konnte und alles seinem Machtbereich einverleiben wollte – ziemlich genau das Bild, das stoute Brexit-Kämpfer von Brüssel zeichnen.

Wie man aus Trotz nicht der EU angehört, macht Norwegen den Briten schon lange vor – etwa dieses „stoute kind“ im Osloer Vigelandpark. (Henning1956, CC-BY-SA-3.0)

Die Pro-Europäer stehen dagegen auf der progressiven Seite, jedenfalls was die Bedeutung von stout angeht. Ausgehend von der ursprünglichen Bedeutung wie kühn, unerschütterlich oder wagemutig spricht man inzwischen auch von stoute kinderen: ungezogene Kinder (keinesfalls zu verwechseln mit Onnozele kinderen). Die bewundernde Komponente des Wortes hat sich in eine vorwurfsvolle gewandelt. Das stoute volkje, diese Bande von Aufmüpfigen und Undankbaren, zerhaut mir-nichts-dir-nichts die Zukunft Europas wie ein Kind, das aus Trotz sein eigenes Spielzeug an die Wand schmeißt.

Man tritt der britischen Trinkkultur wahrscheinlich nicht zu nahe wenn man sagt, dass diese Wahlentscheidung stark danach aussieht, als sei sie nach ein paar stouts zu viel getroffen worden. Bei einer schwierigen Stimmabgabe kann ein bisschen Dutch courage nicht schaden. Das englische Bier, wer hätte es gedacht – hat seine Benennung von genau derselben Urbedeutung erhalten: stark, schwer, was für Standfeste.

Einige besonders bekannte englische Biertrinker dagegen wollten nicht de stoute schoenen aantrekken (dt. ihren Mut zusammennehmen; sich ein Herz fassen) und Verantwortung übernehmen. Sie haben sich flugs aus dem Staub gemacht, nachdem sie das Schlamassel angerichtet haben. Nicht gerade stoute mannen.

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Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 7. Juli 2016 um 09:39 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Etymologie, Sprachwandel, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

5 Reaktionen zu “Ungezogenes Völkchen”

  1. Alexandra

    Eine nette Sammlung Ausdrücke, aber kaum ein Niederländer wird

    „Wat een stout volkje“

    sagen. Das klingt einfach albern. Stout passt hier definitief nicht, und die Verkleinerungsform „volkje“ ebensowenig.

  2. Alexandra

    definitiv …

  3. Truus De Wilde

    Dass der Ausdruck albern ist, und sogar leicht ironisch zu verstehen ist, ist ja fast Ausgangspunkt in diesem Beitrag. Ik kan me goed voorstellen dat Sinterklaas – of ik – dit jaar iets zegt over de Britten, dat „stoute volkje“, naar analogie met „stoute kinderen“.

    Auf jeden Fall hat sich schon herausgestellt, dass mein Kollege recht hatte, als er schrieb „da sind sie sich wahrscheinlich nicht unbedingt einig“.

  4. Johanna Ridderbeekx

    Er is wellicht een context of een portie ironie voor nodig; ik hoor me wel degelijk, zonder een stout(je) gedronken te hebben, tegen een landgenoot zeggen: Een stout volkje, die Britten! (zinspelend op de twee betekenissen van stout: ondeugend en vermetel).

  5. janneke

    ’stout volkje‘ is wat mij betreft prima. Ik heb ook nog even Google geraadpleegd en bv. een treffer gevonden bij een online erotiekzaak 🙂