Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Deutsland vür Nederländers – 1

Viele hatten sich dieses Jahr wieder auf ein tiefes Sommerloch gefreut, auf eine saftige Sauregurkenzeit (nl. komkommertijd – Kandidat für eine mysteriöse Entstehungs- und Entlehnungsgeschichte). In Deutschland kamen dem Sommerloch leider sehr tragische Ereignisse dazwischen, in München, in Würzburg, in Ansbach. Trotzdem ist eine ordentliche Sommerlochgeschichte immer noch machbar. Sehr beliebt zum Beispiel: Fernsehen und darüber schreiben. Nichts ist sommerlochiger. Also schaue ich die summer school von De Wereld Draait Door über Deutschland, auch über München, Würzburg und Ansbach.

NOS-Korrespondent Jeroen Wollaars moderiert die „summer school“. (J. Wollaars & E. Nekeman, CC-BY-3.0)

Der Auftrag an mich selbst: nicht nur hinhören, was über Deutschland gesagt wird, sondern vor allem, wie es gesagt wird. Was wird dem niederländischen Publikum erklärt, welche deutschen Schlagwörter und Ereignisse brauchen eine Übersetzung oder Umschreibung, welche kennen die Zuschauer schon? Wie werden deutsche Besonderheiten dargestellt? Ein Beobachtungsprotokoll in fünf Teilen.

00:15 – Wie ich darauf überhaupt komme? Es ist, nach Aussage von Moderator Matthijs van Nieuwkerk eine Sendung over wirschaffendas, gestaltet von NOS-Deutschlandkorrespondent Jeroen Wollaars. Also mal schauen, wie er mit dem Satz und der Thematik rundherum umgehen wird.

01:20 – Das Dreieck auf dem Studioboden ist rot oder rosa und soll wohl so etwas wie „das ist alles total wichtig, was sich da vorne abspielt“ ausdrücken. Zum Glück steht es aus Zuschauerperspektive auf dem Kopf, trotzdem weckt es andere Assoziationen, wenn innerhalb der ersten Sekunden der Sendung der Zweite Weltkrieg angesprochen wird.

02:23 – Deutschland, het land van Beethoven. Gar nicht so absurd, den Komponisten mal [be:jthovǝ] auszusprechen, schließlich ist der Name eigentlich niederländisch. Andererseits, die Familie hatte einen flämischen Hintergrund. Vielleicht dafür also doch ein bisschen zu viel holländischer Diphthong.

02:57 – Wollaars paraphrasiert Deutschlands Erfolge der letzten Jahre: „Wir schaffen alles.“ Ein wirklich guter Slogan ist erst einer, wenn man auch seine Abwandlungen, seine Übertragungen oder Parodien versteht.

03:41 – Ein Ausschnitt aus dem NOS-Journaal über den Amoklauf in München: „Een 18-jarige Iraans-Duitse tiener schoot lukraak om zich heen en doodde hij negen mensen en verwondde hij tientallen anderen.“ Auch ein erfahrener Fernsehmoderator ist vor einem doppelten tantebetje nicht gefeit. Wie kommt man auf so eine Satzstruktur in einer Äußerung, die vermutlich nicht völlig spontansprachlich ist? Wie auch Wollaars später erläutern wird, waren die Schüsse so lukraak (dt. wahllos, auf gut Glück) doch nicht.

03:58 – Noch ein Nachrichtenausschnitt. Reutlingen mit deutschem eu und einem intakten –en, Stuttgart beginnt mit [ʃt]. Hingegen:

04:28 – Wollaars spricht über Wurzbürg. Wurzbürg? Wer hätte gedacht, dass die kurze Abfolge von [u] und [y] so anspruchsvoll ist. Beides schließlich keine unbekannten Vokale im Niederländischen.

Zeit für eine Pause. In ein paar Tagen geht es weiter mit Teil 2, unter anderem mit einem geschichtsträchtigen deutschen Verb, neuen Übersetzungen von Wir schaffen das, und natürlich mit Wurzbürg.

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 19. August 2016 um 09:45 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Allgemein, Aussprache, Idiom, Niederlande, Sprachvergleich, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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