Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Parteigeschrei und eine bunte Kuh

verkiezingDen niederländischen Parlamentswahlen am 15.3.2017 widmen wir eine kleine Serie.

Die Liste der Parteien, die bei den Tweede Kamerverkiezingen antreten wollen, ist mit den fünf größten längst nicht abgearbeitet. Uns stehen noch einige Kuriositäten bevor.

Democraten 66

Eigentlich nur unter der Abkürzung D66 bekannt. Die Linksliberale Partei verrät in ihrem Namen reichlich wenig über ihre politische Ausrichtung. Dass sie demokratisch ist, kann man wohl als Binsenweisheit bezeichnen. Der offizielle Name, der in der Öffentlichkeit nie auftaucht, ist nicht weniger banal: Politieke Partij Democraten 66. Nur damit klar ist, dass es um eine politische Partei geht und nicht um einen Fußballclub oder eine Zahnarztpraxis. Die Zahl gibt das Gründungsjahr 1966 an, ähnlich wie beim deutschen Bündnis 90, das die Grünen aus Tradition und Respekt vor der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung weiter mit sich herumtragen.

Parteiprogramm aus dem Gründungsjahr der D66. (PD)

ChristenUnie & GroenLinks

Inhaltlich haben die beiden Parteien praktisch keine Gemeinsamkeiten. Die ChristenUnie versteht sich als christsoziale Partei, arbeitet im Europäischen Parlament aber zusammen mit der deutschen AfD, der belgischen N-VA oder der Dänischen Volkspartei. GroenLinks ist dagegen, wie der Name sagt, linksökologisch und gehört zur Parteienfamilie der Grünen.

Gemeinsam haben die beiden Parteien aber die Binnenmajuskel. Das soll vielleicht modern und besonders wirken, oder auch die Lesbarkeit erhöhen, nutzt sich aber langsam ab. Unter den neuen Parteien in diesem Jahr sind nämlich unter anderem auch die Partei GeenPeil, außerdem NieuwMidden2015 (Binnenmajuskel plus Jahreszahl!) oder auch die OndernemersPartij.

Staatkundig Gereformeerde Partij

Die SGP ist ein Kuriosum der niederländischen Politik und wäre in Deutschland wohl unvorstellbar. Man muss die Partei wohl schlichtweg als evangelikale Fundamentalisten bezeichnen. Ihr Ziel ist die Errichtung einer christlichen Theokratie, sie möchte die Todesstrafe wieder einführen und die gleichgeschlechtliche Ehe abschaffen. Noch immer gilt es für die meisten Mitglieder als undenkbar, dass Frauen politische Mandate einnehmen dürfen. Wie das Reformatorisch Dagblad sperrt auch die SGP sonntags den Zugang zu ihrer Internetseite. Warum die Partei gereformeerd und nicht hervormd heißt, erklärt Johanna Ridderbeekx hier in ihrem ersten Postscriptum.

Partij voor de Dieren

Die Partei für die Tiere ähnelt in ihrer Programmatik der deutschen Tierschutzpartei, ist aber deutlich erfolgreicher. In der noch amtierenden Tweede Kamer ist sie mit zwei Abgeordneten vertreten. Das entspricht bei der letzten Wahl einem Stimmenanteil von 1,93%, in Deutschland würde die Partei damit unter die ‚Sonstigen‘ fallen.

Die Partij voor de Dieren kürzt sich PvdD ab. Damit ist sie in bester Gesellschaft mit PvdA und PvdT – der Splittergruppe Partij van de Toekomst.

50PLUS

Noch etwas schwächer als die Tierpartei schnitt bei den letzten Wahlen die Seniorenpartei ab. Aber auch sie hat es 2012 gerade so ins Parlament geschafft. Die Zwei-Mann-Fraktion brachte es fertig, sich in der Legislaturperiode auch noch zu spalten.

Den Senioren ist es vielleicht noch nicht aufgefallen, dass die Internetgeneration heutzutage allergisch auf Schreibweisen reagiert, die durchgehend Großbuchstaben verwendet. Das stört offenbar auch nicht den jüngeren Gegenentwurf, die Partij 18PLUS. Der Eindruck von lautem Geschrei hält ebenso wenig die neu antretenden Parteien NIEUWE WEGEN, JEZUS LEEFT, REFERENDAPARTIJ NL, PLATFORM VRIJE POLITIEK, POKER, STERK und DENK von einem Capslock-Namen ab. DENK ist eine Abspaltung der PvdA, getragen vor allem von zwei türkischstämmigen Abgeordneten, die in ihrem Programm ein besseres multikulturelles Zusammenleben eintreten, aber wegen ihrer unkritischen Haltung zur aktuellen Politik der Türkei auch umstritten sind.

Obwohl der Name DENK als Imperativ zu verstehen ist, hat die Partei auf ein Ausrufezeichen verzichtet. Die benachbarten Grünen in Flandern waren als Groen! lange Zeit weniger bescheiden, haben sich aber inzwischen auch vom Ausrufezeichen verabschiedet. Erlaubt sind Satzzeichen durchaus, und in den Niederlanden taucht nun zum ersten Mal ein Hashtag auf (zu allem Überfluss in Kombination mit Großbuchstaben): BETER VOOR NEDERLAND #NEXIT.

Unter den vielen weiteren neuen Parteien scheint gerade ein besonderes Bedürfnis für abstrakte Werte und Tugenden zu bestehen. Es treten an: die Partei Het Gezonde Verstand (HGV) – nicht zu verwechseln mit der Partij van de Rede – , die Integriteitspartij, eine Partei namens Respect und auch die Partei Verantwoordelijk Bestuur. Hinzu kommen außerdem die Parteien Daadkrachtig Nederland und Vrede en Recht.

In den Niederlanden wie in Deutschland gilt bei der Auswahl an Parteien jedenfalls ein gemeinsames Prinzip: Je weiter man auf der Liste nach unten kommt, um so kurioser werden die Namen und Ideen. Bestens repräsentiert wird das Prinzip von der Partij Bonte Koe.

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Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 2. Februar 2017 um 08:38 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Niederlande, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

Eine Reaktion zu “Parteigeschrei und eine bunte Kuh”

  1. Philipp Krämer

    Inzwischen ist offiziell entschieden, welche Parteien auf dem Wahlzettel stehen werden. Von den Parteien mit den wunderbaren Namen, die ihre Teilnahme angemeldet hatten, wurden etliche wegen verschiedener formaler Gründe nicht zugelassen. Die Liste der insgesamt 28 wählbaren Parteien gibt es beim Kiesraad.