Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Neppnachrichten

Wurde Donald Trump gewählt, weil Fake News den Wahlkampf verzerrten? Egal ob die Antwort darauf Ja oder Nein ist: In den Niederlanden macht diese Frage im Moment die politischen Parteien nervös. Was, wenn auch bei den Parlamentswahlen im März erfundene Meldungen das Stimmverhalten zugunsten der Rechtspopulisten beeinflussen?

Nicht zuletzt wegen der aktuellen politischen Brisanz ist Fake News zum Anglizismus des Jahres im Deutschen gewählt worden. Im Niederländischen hätte der Begriff vielleicht weniger gute Chancen gehabt. Das liegt an zwei Faktoren. Zunächst ist News nicht so spektakulär als Anglizismus erkennbar, denn das niederländische Wort nieuws sieht sehr ähnlich aus und klingt auch fast identisch. Damit fehlt diesem Teil des Begriffs ein bisschen der Wow-Faktor, den ein Anglizismus braucht, um die Abstimmung zur Entlehnung des Jahres zu gewinnen. Zwischen news und Nachrichten ist der Abstand größer als zwischen news und nieuws.

Erfindet bei Bedarf auch mal ein Attentat: Fake-News-Urheberin Kellyanne Conway. (G. Skidmore, CC-BY-SA-3.0)

Wichtiger ist aber, dass das Niederländische eine attraktive Alternative kennt. Zwar ist der Ausdruck fake news bekannt und sehr verbreitet, aber zur Abwechslung gibt es auch den Begriff nepnieuws. Und der hat den großen Vorteil, dass er eine schöne Alliteration mitbringt. Der Anteil nep ist wiederum eine deutsche Entlehnung, nämlich von Nepp. (Ältere Leser/innen erinnern sich vielleicht noch an das langjährige TV-Verbrauchermagazin Achtung, Falle! mit dem Untertitel „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“). Nepp ist ein gefälschtes Produkt, mit dem Leichtgläubige getäuscht werden sollen. Also genau das, was auch die Absicht hinter Fake News ist. Auf Deutsch kommt uns Nepp inzwischen etwas altmodisch oder vielleicht auch leicht ironisch vor, so dass wir ein ernsthaftes Problem wie die Manipulation der Öffentlichkeit nicht damit bezeichnen wollen. Lieber verzichten wir auf die Alliteration, die bei Neppnachrichten genauso möglich wäre.

Platz 3 bei der Wahl zum Anglizismus des Jahres gewann ein weiterer Ausdruck, der gerade die politischen Diskussionen belastet: Hate Speech. Auch hier hat das Niederländische schon einen weiteren Vorschlag parat, nämlich haatpraat. Der Begriff konnte sich bisher nicht durchsetzen. Vielleicht ist für ungebremsten Hass so ein Reim dann doch zu verspielt und humorig. Im Zusammenhang mit gefährlicher politischer Rhetorik ist leider das Deutsche wieder die Quelle einer weiteren Entlehnung im Niederländischen. Das Wort Hetze kennen die Nachbarn im Westen schon seit dem 19. Jahrhundert, mit derselben Bedeutung: Systematische und aus Sicht der Betroffenen unbegründete Angriffe aus dem gegnerischen politischen Lager. Die niederländische Grammatik hat dem Begriff sogar schon weitere Möglichkeiten eingeräumt. Wenn Rechtspopulisten sich wieder einmal als Opfer der „Etablierten“ inszenieren, beschweren sie sich gerne, es werde gegen sie een hetze geführt. Mit dem unbestimmten Artikel im Singular ist eine Hetze im Deutschen eher holprig, so dass man an dieser Stelle eher eine Hetzkampagne sagt (und sich damit beim Französischen bedient).

Nun wäre die niederländische Sprache nicht sie selbst, wenn sie nicht auch ein passendes Verb aus dem Substantiv machen würde: hetzen. Auf Deutsch völlig normal, aber in den niederländischen Wörterbüchern ist es noch nicht angekommen. Auf Twitter trifft man es in niederländischen Tweets längst zahlreich an. Man kann annehmen, dass es nicht als Verb aus dem Deutschen übernommen wurde, sondern auf Basis von de hetze innerhalb des Niederländischen neu gebildet wurde, vielleicht sogar erst seit kürzerer Zeit. Bis der Van Dale das Verb aufnimmt, könnte noch eine Weile vergehen. Die Redaktion will sich bestimmt sicher sein, dass diese Entdeckung keine Neppnachricht ist.

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Der Beitrag wurde am Montag, den 6. Februar 2017 um 17:49 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Etymologie, Sprachvergleich, Wortbildung, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

2 Reaktionen zu “Neppnachrichten”

  1. JanZ

    Psst, die Sendung hieß „Vorsicht, Falle“ :-).

  2. Philipp Krämer

    Oh, stimmt… Danke für den Hinweis! Ich bin leider viel zu jung, um das noch aus erster Hand zu kennen 😉
    Womit aber gleich wieder die nächste Frage auftaucht, nämlich ob „Vorsicht!“ und „Achtung!“ Interjektionen oder Imperative sind und ob sie wirklich dasselbe bedeuten. Aber das führt an dieser Stelle wohl zu weit…