Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Berührungspunkte: Französisch-Guayana

Wo kommt der niederländische Sprach- und Kulturraum mit anderen in Berührung? Wo gibt es gemeinsame Interessensgebiete der Niederlandistik und ihrer Nachbarfächer? Solche Berührungspunkte stellen wir in einer kleinen Serie vor.

Die französische Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft ist im romanischen Bereich sicher die privilegierte Nachbarin der Niederlandistik. Wo haben Frankreich und die Niederlande eine gemeinsame Grenze? Auf Sint Maarten bzw. Saint-Martin. (Wir erinnern uns: An island so nice, they named it twice) Wo grenzt das französische an das niederländische Sprachgebiet? In Belgien.

Fertig, alle Nachbarschaften abgehandelt. – Natürlich nicht! Denn die Sprachgebiete des Niederländischen und Französischen treffen sich auch am Maroni, der auf Niederländisch Marowijne heißt: zwischen Suriname und Französisch-Guayana. Die beiden ex-kolonialen Schwestern gehören zum Trio der drei Guyanas, die heute alle verschieden heißen. Suriname hat sich einen ganz eigenen Namen gesucht. Die Republik Guyana hat ein „a“ weniger als der geläufige deutsche Name von Französisch-Guayana (das man aber auch Französisch-Guyana schreiben kann und auf Französisch selbst sowieso Guyane).

Das heutige Französisch-Guayana und das ehemalige Niederländisch-Guayana haben mehr gemeinsam als man glaubt, obwohl das eine ein Überseegebiet Frankreichs ist und das andere ein unabhängiger Staat. Beide haben als einzige Amtssprachen die jeweilige Kolonialsprache behalten (in Französisch-Guayana hat man auch kaum eine andere Wahl, da gilt schließlich die französische Verfassung). Und beide kennen trotz der übersichtliche Bevölkerungszahl eine Vielzahl anderer Sprachen, etwa lokale indigene Sprachen und Kreolsprachen. Sranan, das in Suriname weit verbreitet ist, wird zum Beispiel auch nebenan gesprochen – also eine englischbasierte Kreolsprache in ehemaligen niederländischen und französischen Kolonien.

Am „französischen“ Ufer des Maroni, gegenüber Suriname. (P. Wilhelm, CC-BY-SA-3.0)

Die sprachlichen Realitäten im Grenzgebiet sind ungemein kompliziert. Die Sprachgemeinschaften selbst haben unterschiedlichste Wahrnehmungen, wie man die Sprachen in ihrer Umgebung einteilt, zu welchen Gemeinschaften sie sich selbst zählen und wie man die Sprachen nennt. (Dazu gibt es interessante Forschungsergebnisse von Kolleginnen aus Paris und Dublin.)

Egal wie man die Sprachen systematisiert – Bildung, sozialen Einfluss und Wohlstand bleiben an die dominanten europäischen Sprachen geknüpft. Während man in Suriname langsam Bewusstsein für eine eigene Standardform des Niederländischen entwickelt, bleibt in Französisch-Guayana das Ideal des Französischen aus Paris weiter stark. Aus der Sicht von Suriname ist Französisch-Guayana ein ziemlich wohlhabendes Land und Kontakte dort sind viel wert, z.B. wenn man Familie oder Freunde hat. Im Grenzgebiet findet man deshalb auch westlich des Maroni viele Menschen, die sich auf Französisch verständigen können. Was genau dort gesprochen wird, wie man dort Französisch lernt und in welchen Kontexten man es benutzt, wäre ein spannendes Forschungsthema für unsere Nachbardisziplin.

Bei den sprachlichen Gemeinsamkeiten ist aber noch lange nicht Schluss. Beide Gebiete sind zum Beispiel erfolgreich im Export von ebenso bekannten wie umstrittenen Frauen in der europäischen Politik. Aus Suriname kommt Sylvana Simons, die sich in besonders der antirassistischen und antikolonialen Politik verschrieben hat, dabei aber bei den vergangenen Parlamentswahlen nicht allzu viel Erfolg hatte. Das ist bei Christiane Taubira aus Cayenne anders, die zwar bei den Präsidentschaftswahlen 2002 nur wenige Prozente holte, später aber als Justizministerin unter anderem mit der Ehe für Alle das konservative Frankreich zur Weißglut trieb.

Die sozialen Probleme in den zwei Gebieten sind leider auch sehr ähnlich: Niedrige Einkommen, hohe Arbeitslosigkeit und teure Lebenshaltungskosten durch eine extreme Abhängigkeit von Importen machen links wie rechts des Maroni das Leben schwierig. Kein Wunder, dass sowohl in Suriname als auch in Französisch-Guyana in jüngster Zeit Proteste ausgebrochen sind, die nur mühsam befriedet werden konnten. Die Nachbarschaft wird dadurch nicht einfacher, im Gegenteil. Umso erleichterter ist man in Suriname, dass Marine Le Pen die Präsidentschaftswahl nicht gewonnen hat und sie nicht ihr Vorhaben durchsetzen kann, die Grenze entlang des Maroni abzusperren.

Gelingt es eher als unabhängiger Staat oder als Überseegebiet eines EU-Landes, die Verhältnisse für die Menschen zu verbessern? Das zu beobachten und natürlich vor allem weiter zu erforschen, wie die sprachlichen und kulturellen Realitäten sich entwickeln – darin steckt viel Potenzial für Niederlandistik und Romanistik gemeinsam. Und die Anglistik sollte am besten auch gleich mitmachen, denn sie hat ja noch ein ganz eigenes Guyana für sich.

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Der Beitrag wurde am Samstag, den 20. Mai 2017 um 09:14 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Suriname abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

Eine Reaktion zu “Berührungspunkte: Französisch-Guayana”

  1. Erik Bouwknegt

    „Die beiden ex-kolonialen Schwestern gehören zum Trio der drei Guyanas“
    Es gibt auch noch ein anderes Trio der Guyanas, nämlich der Sprache des Trio-Volkes im Grenzgebiet von Suriname und Brasilien.

    😉