Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Rundfunk zieht „blank“…

…aus dem Verkehr. Wenn es darum geht, rassistischen Sprachgebrauch und alte koloniale Muster zu vermeiden oder insgesamt einfach respektvoll zu sprechen und zu schreiben, dann steht häufig das „N-Wort“ im Raum. Es ist nicht lange her, dass es einem AfD-Politiker immer noch nicht zu blöd war, es zu benutzen.

In den Niederlanden diskutiert man jetzt über das Gegenstück. Der öffentliche Rundfunk NOS hat eine redaktionelle Entscheidung getroffen, wie Menschen mit heller Hautfarbe genannt werden sollen: Ab sofort will man statt blank eher wit sagen. Nicht unbedingt als feste Regel, aber als Empfehlung an die Redaktionen. Andere Medien, vor allem Zeitungen, schließen sich dem an.

Warum diese Änderung? Für viele scheint blank fest zu einem Begriffspaar zu gehören und damit das längst nicht mehr akzeptable Wort für dunkelhäutige Menschen sozusagen unsichtbar mit aufzurufen. Das ist nicht völlig von der Hand zu weisen, denn blank ist ein Begriff, der gerade in Texten aus der Kolonialzeit immer dann vorkommt, wenn es um Gegensätze zwischen den Menschen geht, um „wir“ und „die Anderen“. Blank bedeutet in diesem Fall vor allem farblos. „Farbe“ haben eben in der kolonialen Logik nur „die Anderen“.

Dass wit im Niederländischen als unverfänglicher gilt, ist aus deutscher Perspektive vielleicht überraschend. Wit wurde für die Beschreibung von Hautfarben auf Niederländisch seltener benutzt. Auf Deutsch und auch Englisch dagegen sehr wohl: Der weiße Mann ist ein absolut koloniales Konzept (interessanterweise spielt dabei auch das Geschlecht noch eine Rolle), und auf Englisch ist die Phrase von The White Man’s Burden fest verankert für koloniales Denken. Blank ist auf Deutsch dagegen zum Beispiel ein glänzendes Metall oder umgangssprachlich jemand der nackt oder pleite ist.

Wer nur die unschuldige weiße Vase sehen will, blendet die schwarzen Gesichter bereitwillig aus. (B. Derksen, CC-BY-SA 3.0)

Es überrascht wenig, dass die PVV von dem neuen Formulierungsvorschlag wenig hält. Der Rundfunk zitiert den Abgeordneten Martin Bosma mit der Beschwerde „dat je aan de andere kant van de wereld moet kijken om een woord in diskrediet te brengen.” Das ist ziemlicher Unsinn, denn die Bezeichnungen gingen schließlich von den Niederlanden als Kolonialmacht aus. Sie haben sich selbst in Misskredit gebracht. Dass die Rechte nicht gern ans andere Ende der Welt schaut, weil man dort mit Kolonialgeschichte konfrontiert wird, ist kein Wunder.

Lustigerweise beruft sich Bosma selbst auf die Sprachgeschichte: Blank sei schon tausende Jahre alt. Wit ist das allerdings auch. Beide Wörter gehören zum uralten Wortschatz – aber wofür genau das ein Argument sein soll, ist fraglich. Auch alte Wörter können respektlos und diskriminierend sein oder im Laufe der Zeit eine solche Konnotation entwickeln. Bosma möchte jedenfalls selbst kein witte man sein, sondern weiterhin blank. Was implizit ausgedrückt mit sich bringt: Er möchte auch weiter neger sagen dürfen.

In der Diskussion hat sich auch der flämische Rundfunk zu Wort gemeldet. Der nieuwsombudsman der VRT, Tim Pauwels, findet den Wechsel von blank zu wit ebenfalls überflüssig. Pauwels räumt frei ein, dass er sich über blank keine Gedanken macht und es deshalb auch keine Konnotation hat. Sich selbst nimmt er großzügig als Modell, um die gesamte Debatte für unsinnig zu erklären.

Pauwels und Bosma berufen sich beide auf den Van Dale. Bosma sagt, laut Wörterbuch sei wit kein Wort für eine Hautfarbe, und die Entscheidung damit schlichtweg falsch. Er hat nicht verstanden, dass der Van Dale keine ewig gültigen Regeln aufstellt, sondern den Sprachgebrauch abbildet und erst damit Orientierung über den Bereich des Standards bietet. Wenn also künftig wit häufiger für eine helle Hautfarbe benutzt wird, dann wird das demnächst auch im Van Dale ankommen. Pauwels sagt seinerseits, von einer Konnotation des Wortes blank stünde nichts im Van Dale, also gebe es sie nicht. Auch er scheint auf eine große magische Kraft des Wörterbuches zu vertrauen: was drin steht, ist Teil der Sprache; was fehlt, existiert in der Sprache nicht.

Der Van Dale gibt selbstverständlich bei den allermeisten Wörtern keine Konnotationen an, weil es davon unendlich viele gibt. Das Buch würde einfach überquellen. Dass man es mit negativen Konnotationen gerade im Bereich von rassistischen Begriffen beim Van Dale sowieso nicht so genau nimmt, haben wir hier schon einmal gesehen. Unabhängig davon muss Pauwels Blick in den Van Dale unter dem Eintrag blank sehr selektiv gewesen sein. Bei Punkt 4 wird dort das Begriffsfeld rund um die Hautfarbe abgehandelt. Die ersten beiden Beispiele: „het blanke ras“ und „blanke slavinnen“. Man muss schon sehr gezielt wegschauen um dabei nicht den kolonial-rassistischen Kontext des Wortes zu erkennen.

Natürlich steht bei der ganzen Debatte auch immer eine weitere Frage im Raum: Brauchen wir überhaupt einen Begriff, mit dem Menschen nach Hautfarben klassifiziert werden? Ideal wäre eine Gesellschaft, in der wir das nicht tun und daher auch der Wortschatz dafür irrelevant wird. Solange es aber rassistische Strukturen in der Welt gibt, müssen wir diese beschreiben können. Wir brauchen also Begriffe für die Konzepte, die rassistische Vorstellungen benutzen: für Menschenbilder auf der Basis von Hautfarbe. Nur sollten wir dabei nicht in die Falle tappen, bei der Bezeichnung dieser Konzepte auch die abwertenden Begriffe zu übernehmen. Dass manche genau darauf bestehen, kann einem das blanke Entsetzen einjagen.

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Der Beitrag wurde am Samstag, den 27. Januar 2018 um 08:45 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Niederlande, Sprachvergleich, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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