„Ich liebe die Physik, ich kann sie mir schwer aus meinem Leben wegdenken…“

„…Es ist so eine Art persönlicher Liebe, wie gegen einen Menschen, dem man sehr viel verdankt.“ Dieser Satz könnte sicher auch von dir sein ? – ist aber von Lise Meitner. Sie war eine der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen des 20. Jahrhunderts und hat als erste Frau in Deutschland eine Physikprofessur erhalten. Im Herbst 2018 lag ihre Geburt 140 Jahre zurück, und es war 50 Jahre her, dass sie in Cambridge starb. Diese Jahrestage waren Anlass für die Entstehung des Theaterstücks „KERNFRAGEN“ über die Pionierin der Kernphysik und Ehrendoktorin der Freien Universität Berlin. Die nächste Vorstellung findet am Freitag, 15. Februar 2019, um 17 Uhr im Henry-Ford-Bau, Garystraße 35, 14195 Berlin, statt. Du bist herzlich dazu eingeladen!

Am 7. November 1878 wurde Lise Meitner in Wien geboren. Dort studierte sie auch Physik und Mathematik und kam nach ihrer Promotion im Jahre 1907 nach Berlin, wo sie am Kaiser-Wilhelm-Institut in Dahlem und an der Berliner Universität arbeitete, forschte und lehrte, bis sie 1938 von den Nationalsozialisten vertrieben wurde.

Auf der Bühne des Max-Kade-Auditoriums lässt Lise Meitner ihr Leben und Wirken Revue passieren. Ihr Lehrer, Max von Laue, sitzt im Publikum und kommentiert. Die Schauspielerin Anita Zieher gibt Lise Meitner eine Gestalt auf der Bühne. Sie gehört zur Wiener Gruppe portraittheater, die das Stück im November 2018 zum ersten Mal im Audimax der Freien Universität aufgeführt hat. Christoph Gareisen ist der Physiker Max von Laue, Dietmar König der Chemiker Otto Hahn.

Anita Zieher mit Christoph Gareisen als Physiker Max von Laue, Foto: Bernd Wannenmacher

Die Regisseurin Sandra Schüddekopf hat ein sehr persönliches Porträt entworfen, das die Frau hinter den Forschungsergebnissen zeigt – in ihren Freundschaften mit Otto Hahn und Max von Laue, in ihrer Hartnäckigkeit, aber auch in ihrer Frustration, wenn ihr Steine in den Weg gelegt werden. Und Steine gibt es viele. 1878 in Wien geboren war Lise Meitner erst die zweite Frau in Österreich, die in Physik promovieren konnte. Auch als sie 1907 nach Berlin kommt, muss sie feststellen, dass Frauen in der Männerdomäne der Naturwissenschaften einen schweren Stand haben. Unentgeltlich und als inoffizielle Assistentin fängt sie bei Max Planck, dem Begründer der Quantenphysik und späteren Nobelpreisträger, an, wird erst 1913 wissenschaftliches Mitglied des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie und forscht jahrelang in einem lichtlosen Verschlag. Lange wird die Wissenschaftlerin von den Studierenden spöttisch mit „Guten Tag, Herr Hahn“ begrüßt. Erst in der Weimarer Republik, 1922, kann sie sich habilitieren. Schließlich gelingt es ihr, als erste Frau in Deutschland eine Physikprofessur zu erhalten.

All das lässt Sandra Schüddekopf – die an der Freien Universität Theaterwissenschaft und Nordamerikastudien studiert hat – ihre Protagonistin selbst erzählen. Verwendet hat sie dafür Lise Meitners Aufzeichnungen und Briefe. Deutlich wird in „KERNFRAGEN“ aber auch die Bedeutung des damaligen Wissenschaftsstandorts Berlin-Dahlem. Die Kaiser-Wilhelm-Institute waren eine Art „Zentrum für Nobelpreisträger“. Lise Meitner befand sich im Wirkungskreis nicht nur von Max Planck, Max von Laue und Otto Hahn, sondern auch von Fritz Haber und Albert Einstein. Die Physikerin war selbst 48 Mal für den Nobelpreis für Physik und Chemie nominiert, hat ihn aber letztendlich nie bekommen.

Dramatischer Höhepunkt ist die Zeit des Nationalsozialismus. Aus diesen Jahren ist die Korrespondenz von Lise Meitner und Max von Laue fast vollständig erhalten und die Zuschauer erfahren viel über die Erlebnisse und Gefühle von Lise Meitner, die als Jüdin 1938 aus Berlin nach Stockholm flüchten musste, und Max von Laue, der während des Kriegs die Bombardierung Berlins und der Institute erlebte.

Im Stück geht es dann auch um die Entdeckung der Kernspaltung, die Lise Meitner mit Otto Hahn vorbereitet hatte. Als Hahn und seinem Mitarbeiter Fritz Straßmann am 17. Dezember 1938 die erste Kernspaltung gelingt, ist Lise Meitner bereits im Exil in Schweden und steuert aus der Ferne die theoretische Erklärung bei.

Die Kriegsjahre sind eine dunkle Zeit für die jüdische Wissenschaftlerin,  Foto: Bernd Wannenmacher

Der wissenschaftliche Durchbruch ist jedoch später mit einem schlechten moralischen Gewissen verbunden: Als 1945 die Atombomben auf Japan fallen, geht Lise Meitner stundenlang spazieren. In den Medien wird sie fortan „Mutter der Atombombe“ genannt, Paparazzi belagern ihr Hotel, erdachte Interviews erscheinen. Die Physikerin fühlt sich kaum persönlich verantwortlich: „Die Wissenschaft ist gewiss nicht schlecht, wir Menschen sind es leider.“ Während ihrer Arbeit hätte sie das „Gespenst der schlechten Anwendungsmöglichkeit“ nicht vor Augen gehabt. Dennoch setzt sich die Pazifistin ihr Leben lang für den rein friedlichen Gebrauch der Kernenergie ein: „Die Entwicklung der letzten Jahre hat etwas Schatten in das von mir so geliebte lichtvolle Bild der Wissenschaft geworfen.“

Mit dem Nobelpreis für Chemie wird letztlich nur Otto Hahn geehrt, was Lise Meitner schwer enttäuscht. Auch ihre ehemalige Arbeitsstätte in Dahlem wird 1956 als „Otto-Hahn-Bau“ wiedereröffnet. Die Physikerin soll bei der Eröffnungsfeier den Festvortrag halten, lehnt aber ab, auch als Protest über die noch immer fehlende Reflektion über ihre Behandlung als Jüdin während des Nationalsozialismus. Mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde im Rahmen der Eröffnungsfeier will Max von Laue Lise Meitner nach Dahlem locken, was aber nicht gelingt. Die Auszeichnung nimmt Lise Meitner erst im Mai 1957 an der Freien Universität entgegen. 2010 wird der Otto-Hahn-Bau umbenannt: in Hahn-Meitner.

Die Berliner Cappella und der Kammerchor des Collegium Musicum begleiten den Abend musikalisch, Foto: Bernd Wannenmacher

Das Stück erzählt die Geschichte von Lise Meitner mit viel Abwechslung – dazu gehören Projektionen, Lichtkunst, Film und Live-Musik von der Pianistin Andrea Marie Baiocchi und einem Chor. Wenn du neugierig geworden bist und dir das Stück  ansehen möchtest, dann melde dich einfach an – per E-Mail an einladung@physik.fu-berlin.de.

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