Erst Abwasch, dann Seminararbeit…?

Bevor dieser Text entstanden ist, habe ich erst mal meinen Schreibtisch aufgeräumt. Dann habe ich E-Mails beantwortet, die schon so lange im Posteingang lagen, dass die Absender sicher gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet hatten. Danach habe ich die Kaffeetassen meiner Kolleginnen und Kollegen abgespült. Als ich dann auch noch nachschauen wollte, was die anderen Universitäten gerade so auf Instagram machen, hat sich – zum Glück – die Stimme der Vernunft in meinem Kopf gemeldet: „Du prokrastinierst!“

Dieses schöne Fremdwort beschreibt das Phänomen, dass wir dringende und notwendige Aufgaben aufschieben und stattdessen weniger wichtige Sachen zuerst erledigen. Und dafür erfinden wir dann auch noch triftige Gründe!

Nicht jeder Aufschub kann als Prokrastination bezeichnet werden. Schließlich muss man seine Aufgaben strukturieren, um sie nacheinander erledigen. Prokrastination erkennen wir – wenn wir ehrlich sind – daran, dass das Verschieben nutzlos ist und freiwillig geschieht. Außerdem meldet sich meistens im Hinterkopf das schlechte Gewissen, weil wir ahnen, dass der Aufschub uns nur schadet.

Die Kolleginnen und Kollegen von der psychologischen Studienberatung der Freien Universität haben das Prokrastinieren genauer untersucht, weil es Studierenden manchmal Probleme bereitet. Wahrscheinlich hattest du aber auch schon in der Schule – beim Lernen oder bei den Hausaufgaben – damit zu tun. Denn Studien zeigen, dass fast jeder ab und zu eine aversive – also ungeliebte – Tätigkeit aufschiebt. Dreiviertel aller Studierenden geben an, dass sie schon mal prokrastiniert haben. Es ist also eigentlich ganz normal – aber für 20 bis 40 Prozent der Studierenden bringt es ernsthafte Schwierigkeiten mit sich.

Warum prokrastinieren wir?

Die Forschung hat drei Faktoren gefunden: Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale machen uns besonders anfällig dafür. Das gilt zum Beispiel für impulsive Menschen. Zweitens spielt mangelnde Selbstregulation eine Rolle: geringe Ausdauer, schlechtes Zeitmanagement oder der fehlende Schritt vom Wollen zum Tun. Wenn man andere Dinge zuerst erledigt, nimmt man dies kurzfristig als Erfolg wahr. Langfristig gewinnen jedoch Selbstabwertung, negatives Feedback und nachteilige Gefühle die Oberhand. Drittens können äußere Faktoren eine Rolle spielen: Die Aufgabe ist nicht attraktiv, zu kompliziert, bringt keine Anerkennung, wir haben sie uns sich nicht selbst ausgesucht und es gibt niemanden, der uns unterstützt.

Welche Folgen neben wir in Kauf?

Prokrastination im Studium führt erwiesenermaßen zu schlechteren Leistungen und Noten. Auf lange Sicht leidet sogar unsere Gesundheit darunter. Betroffene berichten von Stress und Schamgefühlen.

Was lässt sich dagegen tun?

Einen wichtigen Anteil haben die Lehrenden, denn sie können die Aufgaben verändern! Forschungsergebnisse zeigen, dass die Prokrastination geringer ausfällt, wenn die Aufgabe das Interesse der Studierenden weckt. Das gelingt zum Beispiel dann, wenn es um realistische Probleme geht und wenn auch praktische Fähigkeiten oder viele verschiedene Kompetenzen gefragt sind. Auch Belohnungen für einen frühzeitigen Arbeitsbeginn und aufmunternde Kommentare können helfen. Die Aufgaben sollten zudem konkret formuliert, mit genauen Instruktionen versehen und in Teilschritten zu bewältigen sein, denn so können Studierende die Kontrolle behalten und schneller anfangen. Außerdem sollten die Lehrenden frühzeitig Feedback geben und Lösungsbeispiele aufzeigen.

Aber du kannst natürlich auch selbst etwas tun, wenn Prokrastination ein Problem für dich ist. Die Studienberatung hat eine Liste mit 13 Tipps zusammengestellt, etwa: Beobachte dich selbst, setze dir realistische Ziele, definiere Teilaufgaben, vermeide Ablenkung, vermische nicht Arbeit mit Freizeit, belohne dich und mache einen Plan für Rückfälle. Die vollständige Liste findest du hier.

Bei der Selbstbeobachtung hilft dir ein Online-Test, den du auf den Webseiten der Studienberatung findest. Den theoretischen Hintergrund mit Quellenangaben zu den oben genannten Forschungsergebnissen findest du hier. Wenn das alles nichts nützt, kannst du auch den Workshop „Aufschieben? – Aufgeschoben!“ besuchen.

Oder du siehst dir erst mal ein Video (Englisch) auf youtube an – ABER NUR EINS!!! Und zwar dieses:

 

Bild oben: Hans / pixabay.com / Creative Commons

Ein Gedanke zu „Erst Abwasch, dann Seminararbeit…?“

  1. ich lese das, zwei Tage vor meiner Klausur und um 02:00 Uhr, also ich würde sagen das Zielgruppe ist getroffen!. Grüße aus Mannheim 🙂

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