Praktikum als Junior-Korrespondent in Brüssel

Das Praktikum war eine viermonatige Vollzeitbeschäftigung als Junior-Korrespondent in Brüssel für eine Kolumne zur EU-Politik einer der populärsten ungarischen Online-Zeitungen. Die Online-Zeitung ist eine der letzten unabhängigen Zeitungen in Ungarn, die nicht unter der Kontrolle der Regierung steht. Sie berichtet vor allem über EU-Angelegenheiten die aus ungarischer Sicht relevant sind, mit dem Ziel, schnell und unabhängig über diese Angelegenheiten zu berichten, die Funktionsweise der EU und die Hintergründe der politischen Entscheidungen für ungarische Leser zu erklären, wenn angebracht, Kritik an den EU-Institutionen oder andere Regierungen auszusprechen und Unwahrheiten widersprechen.

Die Tätigkeit umfasste jeden Aspekt der politischen Online-Journalismusarbeit: Nachrichtenbeobachtung, Verarbeitung und Präsentation von Tagesnachrichten, Teilnahme und Fragen bei Pressekonferenzen, Teilnahme an Sitzungen politischer Gremien, Vernetzung mit Entscheidungsträgern und ihren Vertretern, Berichterstattung über wichtige Ereignisse aus erster Hand und Verwaltung der Social-Media-Präsenz von der Online-Zeitung. Ich habe nach der Einführung aktiv zur Arbeit der Zeitung beigetragen, indem ich relevanten schriftlichen und audiovisuellen Material für die Website und für die Social Media-Plattformen der Online-Zeitung produzierte. Während der gesamten Dauer des Praktikums arbeitete ich in täglicher Zusammenarbeit und unter der Anleitung eines erfahrenen EU-Korrespondenten, der meine Tätigkeit verfolgte und auswertete.

Da unsere Leser fast ausschließlich Ungarn waren, habe ich während meiner Praktikumszeit auf solche Ereignisse und EU-Entscheidungen konzentriert, die aus ungarischer Sicht wichtig sind, wie Migration, Rechtsstaatlichkeit und EU-Erweiterung. Meine Kenntnisse, die ich im Osteuropa- Zentrum über die östliche Nachbarschaft, Russland und Westbalkan erworben habe, könnte ich oft in der Praxis anwenden, gerade weil Ungarn das Portfolio der Erweiterung und Nachbarschaftpolitik in der neuen EU-Kommission bekommen hat. Die Themen besonders über die Ukraine und Westbalkan waren in Ungarn in den letzten Monaten deswegen sehr gefragt. Ich habe ebenfalls über die umstrittene Bildungsreform in der Ukraine berichtet, die laut verschiedene Menschenrechtsorganisationen die Sprachen der Minderheiten einschränkt, und da die Ukraine eine ungarische Minderheit hat, war es in Ungarn ein stark verfolgtes Thema. Einige meiner Artikel sind sogar viral geworden, z.B. eine Enthüllungsreportage über den Interessenkonflikt eines berühmten ungarischen EU-Spitzenpolitikers. Meine Reportage hat viele Aufmerksamkeit erhalten und wird immer noch zitiert wenn die Orbán-Regierung in Brüssel kritisiert wird. Im Rahmen meines Studiums haben wir eine Projektarbeit absolviert in dem ich bereits Erfahrungen mit Interviewführung sammeln könnte. Diese Erfahrungen waren sehr hilfreich während meines Praktikums.

In unserem Team war ich der einzige der deutschsprachig war, deswegen könnte ich für unsere Lesern viele „deutsche” Themen näher bringen, die sonst ihnen nicht zugänglich wären, beispielsweise die „grüne Welle” in Deutschland, die Debatten um die Zukunft der Sozialdemokratie, oder wenn ich deutsche Politiker über Ihre Einschätzung über die Lage der Demokratie und Pressefreiheit in Ungarn befragen könnte. Diesbezüglich waren eine der spannendsten Momente meines Praktikums die Interviews, die ich mit Katharina Barley oder Ska Keller durchführen konnte.

Meine Ziele waren, die Arbeit des politischen Journalismus und eines Brüsseler Korrespondents zu verinnerlichen, die funktionsweise der EU- Institutionen besser zu verstehen und Netzwerke in Brüssel aufzubauen. Außerdem trotz, dass ich ungarisch Spreche, habe ich nie in Ungarn oder gar in einem ungarischen Kontext gearbeitet, und wollte ich meine bisherige ausländische Erfahrungen und Netzwerke in die ungarische Demokratie und Pressefreiheit investieren.

Das Praktikum hat mit einem einwöchigen Einführungsprogramm begonnen, während dessen ich die praktischen Aspekte der Arbeit kennengelernt habe: Überblick über den EU-Entscheidungsprozess und die wichtigsten EU-Gremien, wie man die EUInstitutionen findet und betritt, einen Crash-Kurs über eine Publikationsverwaltungsplattform, die Nutzung von Presseeinrichtungen innerhalb der EU-Institutionen (die Arbeit hatte in den Pressezentren der EUInstitutionen stattgefunden – meistens arbeitete ich in der Komission, seltener im Parlament und im Falle des EU-Gipfels in der Rat der EU).

Ich habe meine Schreibfähigkeiten verbessert, nämlich eine konzentrierte und sachliche Schreibweise entwickelt, geeignet zur Präsentation von EU-relevanten Nachrichten für ein allgemeines Publikum. Mein Betreuer hat meine Artikel bearbeitet, bevor sie veröffentlicht worden und darüber mir wurde einen Feedback gegeben. Mein Nachrichtenbewusstsein hat dadurch entwickelt, dass ich EU-bezogene Ereignisse auf verschiedenen Kanälen verfolgt habe und entschieden musste, was berichtenswert ist. Mit meinen Kollegen habe ich dann die Relevanz der Nachrichten diskutiert. Ich habe ebenfalls meine Kompetenzen im Bereich der sozialen Medien verbessert, nämlich die Fähigkeit, Twitter- und Facebook-Posts so zu verfassen, dass sie die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen. Diesbezüglich habe ich auch viele Tipps von meinen Kollegen erhalten, die meine Posts verfolgt haben.

Meine Kenntnisse über die Institutionen der Europäischen Union habe ich ebenfalls vertieft, und zwar das Verständnis der Funktionen und der Funktionsweise der Institutionen der Europäischen Union, ihrer Struktur und ihres Entscheidungsprozesses. Außerdem die wichtige Persönlichkeiten, wie Kommissare oder nationale Regierungsmitglieder habe ich ebenfalls näher kennengelernt.

Die Mitarbeiter der Zeitung haben ein tägliches Feedback über meine Arbeitsergebnisse angeboten, im Prinzip nach der Evaluierung meiner Social Media Posts, Artikeln oder E-Mails. Monatlich habe ich ebenfalls ein ausführliches Feedback über die Errungenschaften und Defizite meiner Tätigkeit bekommen. Ich stehe in weiterem Kontakt mit meinen Ex-Kollegen in der Zeitung, und wir haben uns auch auf eine weitere Zusammenarbeit geeinigt, insbesondere im Bereich Social Media und Gastbeiträge bei der Zeitung.

Ich bewerte das Praktikum als eine der prägendsten Erfahrungen in meinem Berufsleben. Durch dieses Praktikum wurde für mich klarer, dass ich in der Zukunft an EU-bezogenen Themen arbeiten möchte, gerne als Brüsseler Korrespondent eines Mediums. Was mir am besten gefallen hat, unseren Lesern zu erklären, was in den EU-Institutionen geschieht, oder dass ich hautnah die EU-Entscheidungsprozess oder vierschiede Spitzenpolitiker verfolgen könnte. Durch dieses Praktikum wurden meine Chancen auf einen Arbeitsplatz oder ein weiteres Praktikum bei den EU-Institutionen erhöht aber auch wäre ich in der Lage, für eine EU-Nahe NGO zu arbeiten. Am besten bin ich allerdings als Brüsseler Korrespondent oder als Journalist, der über politische oder EU-Themen berichtet, vorbereitet.

Ich würde ein Brüsseler Korrespondenz-Praktikum jedem empfehlen, der sich für EUThemen interessiert und ein ereignisreiches und aufschlussreiches Praktikum erleben und Teil der Brüsseler Journalisten-Community sein möchte, die sehr freundlich und unterstützend ist. Ideal ist es auch für diejenigen, die sich keiner politischen Partei anschließen wollen oder können, oder für diejenigen, die keine Assistenten der Mitglieder des Europäischen Parlaments werden wollen, da die Qualität solcher Praktika oft von der Person oder dem Büro des Parlamentsmitglieds abhängt.

Der einzige nicht angenehme Teil meines Praktikums waren die beschimpfende, skurille Leserbriefe oft aus dem Rechtsextremen Milieu, oder Hasskommentare unter meinem Artikel. Leider musste ich feststellen, dass in Ungarn muss man damit zurechtfinden, vor allem wenn man Themen wie Migration oder Flucht anspricht.

Durch dieses Praktikum habe ich nicht nur die Kulissen der EU-Bürokratie besser verstanden, oder zahreiche Kontakte geknüpft, aber ich habe mich als Journalist verbessert und auch meine Schreibfähigkeiten in Ungarisch entwickelt, die ich seit meiner Gymnasialzeit nicht mehr praktiziert habe.

 

Tipps für andere Praktikanten

Vorbereitung

In der EU-Bubble spricht man vor allem auf Englisch, aber wenn du außer der EU-Trainees Kontakte knüpfen möchtest, dann es ist empfehlenswert, früher dein Französisch aufpolieren, da es kommt oft vor, dass auch junge Studenten ein gebrochenes Englisch haben. Ich kann ebenfalls empfehlen, eine gute Kommunikation mit deinem Mentor haben, und voraus alles kommunizieren, z.B. durch Videoanrufe.

Praktikumssuche

Das Praktikum habe ich auf Social Media entdeckt an der Seite meines Praktikumsgebers.

Wohnungssuche

Ich habe eine Woche früher nach Brüssel eingereist, vor allem um die WG-Suche zu kümmern. Ich war positiv überrascht weil nach zwei Tagen habe ich einen Zimmer gefunden. Die Preise sind da höher als in Berlin, die günstigte Optionen bewegen sich zwischen 400-500 € warm/Monat. Es gibt verschiedene Facebook-Gruppen, wo es WG-Anzeigen gibt, und ich habe ausschließlich diese Plattformen bei der Suche verwendet.

Versicherung

Ich habe eine PROTRIP-WORLD- Versicherung abgeschlossen.

Sonstiges

Für alle PraktikantInnen in Brüssel kann ich die EU Trainee Bible von brusselsbrief.eu empfehlen mit allen Tipps oder Informationen, was du vor, während und nach deinem Praktikum wissen musst. Das Dokument ist online kostenlos zugänglich.

 

Formalitäten vor Ort

Telefon-/Internetanschluss

Ich habe keinen neuen Telefonvertrag abgeschlossen. Internetanschluss war bereits in der WG vorhanden.

Bank/Kontoeröffnung

Kein neues Konto abgeschlossen, in Belgien bezahlt man öfter mit Karte als in Deutschland.

Sonstiges

Transport ist nicht so praktisch wie in Berlin(es ist teuerer und z.B. ich könnte entscheiden ob ich 40 Minuten zu Fuß gehe, oder 30 Minuten den U-Bahn. Ich habe dann fast immer zu Fuß gegangen, aber idealerweise kann man nah zu der EU-Institutionen eine Wohnung finden und so kann man schnell zu Fuß zur Arbeit gehen. Fahrradwege sind leider auch nicht so gut ausgebaut.

 

Alltag/Freizeit

Ausgehmöglichkeiten

Ausgehmöglichkeiten gibt es vor allem in der Altstadt, westlich zum EU-Viertel. Donnerstags beim Plux(Place Luxembourg) treffen sich die Praktikanten der EU-Institutionen, es ist eine gute Gelegenheit zu Netzwerken. In der EU-Bubble die Menschen sind sehr herzlich und zuvorkommend. Brüssel ist eine der größten politischen Zentren der Welt und für jeden Tag kann man politische Veranstaltungen finden je nach Interesse (viele die politische Veranstaltungen sind auf https://www.eu-events.eu/ verfügbar). Solche Veranstaltungen sind auch für Netzwerken da: es kann passieren, dass du da dein nächster Arbeitgeber oder ein neuer Freund findest.

Sonstiges

In Brüssel ist es durchaus normal, dass der Arbeitstag etwas später anfängt aber dazu muss man auch später im Büro bleiben. Die Mittagspausen sind dennoch länger als in Deutschland, man sieht oft um die EU- Institutionen herum joggende Mitarbeiter, die die lange Mittagspause nicht nur für die Mahlzeit nutzen, aber auch um sich zu bewegen.

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