Ich studiere derzeit Islamwissenschaft im Bachelor und habe das Pflichtpraktikum im Rahmen des Studiums im Ausland absolviert. Um meine Arabischkenntnisse zu festigen, ein weiteres arabisches Land und dessen Kultur kennenzulernen und Arbeitserfahrung zu sammeln, entschied ich mich für ein Praktikum in Saudi-Arabien. So war ich für 9 Wochen in Riad bei einem deutschen Unternehmen.
Saudi-Arabien als Land hatte mich besonders gereizt, da es aktuell einen immensen wirtschaftlichen und sozialen Wandel durchläuft, von zunehmender geopolitischer Bedeutung ist und in westlichen Medien sehr einseitig beschrieben wird. Aus Neugier wollte ich selbst herausfinden, wie das Land, seine Menschen und die Kultur abseits der Weltpolitik sind.
Auch die Tätigkeit des Unternehmens im wirtschaftspolitischen Bereich fand ich sehr spannend, um tiefe Einblicke in das Land zu erhalten. Im Rahmen meines Praktikums konnte ich dort in alle Geschäftsbereiche hereinschnuppern. Insbesondere bei der Unterstützung deutscher Unternehmen in Saudi-Arabien, habe ich mitgewirkt: So habe ich viele Recherchen durchgeführt, Geschäftsbeziehungen gepflegt und Kundentermine begleitet. Darüber hinaus habe ich im Marketing bei der Erstellung einer neuen Website und im Layout und Editorial eines Magazins mitgeholfen. Die im Studium erworbenen Kenntnisse konnte ich teils bei meinen Recherchen und dem Verfassen von Artikeln, sowie bei interkulturellen Briefings deutscher Firmen nutzen. Fundierte islamwissenschaftliche Kenntnisse waren aber nicht erforderlich. Das Team war sehr nett, offen und hat versucht mir so viele Einblicke wie möglich zu geben. Leider war während meines Praktikums der Fastenmonat Ramadan, was sich sehr auf das öffentliche Leben und die Business Welt ausgewirkt hat. In dieser Zeit gab es kaum Geschäftstermine und auch der Arbeitsumfang war deutlich reduziert. Allgemein habe ich bei meinem Praktikum viel über das Land und dessen ökonomische Lage sowie Zukunftsvision gelernt. Des Weiteren konnte ich einen näheren Einblick in die wirtschaftspolitischen Aspekte der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und der Golfregion lernen. Allerdings habe ich trotz meines Engagements wenige Aufgaben erhalten, weshalb ich mich teilweise unterfordert gefühlt habe. Dies könnte aber auch an den Auswirkungen des Ramadans auf die Arbeitswelt gelegen haben.
Meine Freizeit habe ich so gut wie möglich genutzt, um Riad und den Rest des Landes kennenzulernen. So habe ich an den Wochenenden Trips nach Jeddah, Abha und al-Hasa gemacht und das Freizeitangebot in Riad viel genutzt. In Riad kann man super gut essen oder Kaffee trinken gehen und es gibt viele vom Staat geförderte und dadurch sehr erschwingliche Events, wie z.B. die Art Week, diverse Ausstellungen, Fußballspiele, Musikfestivals etc. Allerdings würde ich im Nachhinein das Praktikum in den Monaten Oktober – Februar absolvieren, da dort das öffentliche Leben weder durch Ramadan noch durch die große Hitze eingeschränkt ist.
Die saudischen Menschen habe ich als sehr freundlich, offen und gastfreundlich erlebt. Ich bin viel mit Einheimischen ins Gespräch gekommen, habe einige Freundschaften geschlossen und von ihnen viel über ihr Land und die Kultur gelernt und so eine ganz andere Perspektive auf Saudi-Arabien bekommen. Arabischkenntnisse sind dafür nicht unbedingt erforderlich, da die meisten Saudis sehr gut Englisch sprechen.
Das Preisniveau in Saudi-Arabien ist deutlich höher als in Deutschland, zudem muss man auf Grund der großen Distanzen und des Verkehrs Uber/Bolt nutzen. Daher hat mir das PROMOS-Stipendium sehr geholfen, meine zusätzlichen Ausgaben zu decken. Zusammengefasst habe ich meine Ziele für das Auslandspraktikum erreicht und viel gelernt, weshalb ich sehr dankbar für die PROMOS-Finanzierung bin.
Tipps für andere Praktikant/inn/en
Vorbereitung
Zur Vorbereitung habe ich online viel über das Land gelesen, wobei man darauf achten muss, wie alt die jeweiligen Berichte sind. Das Land verändert sich in einem so rasanten Tempo, dass selbst ein 1 Jahr alter Bericht ggf. nicht mehr up-to-date ist. Ansonsten kann ich die Bücher „Zwölf Wochen in Saudi-Arabien. Zwischen Diktatur und Aufbruch“ von Susanne Koelbl und „Saudi-Arabien verstehen“ von Martin Pabst sehr empfehlen.
Beantragung Visum
Mein Arbeitgeber hat mich bei der Beantragung eines Businessvisums unterstützt. Dafür muss man beim Außenministerium und anderen Behörden angemeldet sein, was das Unternehmen für mich übernommen hat. Ich musste anschließend nur noch in die saudische Visumsstelle (in Berlin & Frankfurt a.M.), dort meinen Pass abgeben und etwa 230 Euro zahlen. Den Pass und das Visum erhielt ich dann einen Tag später per Post.
Praktikumssuche
Wenn man politisch interessiert ist, ist die Auswahl der Praktikumsstellen begrenzt, da es in Saudi-Arabien keine/kaum unabhängige NGOs oder politische Stiftungen gibt. Praktika kann man an der deutschen Botschaft oder bei der EU-Vertretung oder bei der deutschen/österreichischen Handelsvertretung absolvieren. Dabei gilt, dass man sich 6-12 Monate im Voraus bewerben sollte. Ansonsten gibt es viele deutsche und internationale Unternehmen, die Dependancen in Riad haben. Grundsätzlich sollte man sich überlegen, was genau einen interessiert und welche Qualifikationen (z.B. Arabischkenntnisse) man vorzuweisen hat. Für die meisten Praktika ist Arabisch von Vorteil, aber keine Voraussetzung.
Wohnungssuche
Mein Unternehmen hat eine eigene Praktikant*innenwohnung, weshalb ich mich nicht auf Wohnungssuche begeben musste. Grundsätzlich ist Wohnen in Riad recht teuer und die Suche insbesondere ohne Arabischkenntnisse herausfordernd. Die meisten Botschaften und Unternehmen sind sich aber dessen bewusst und stellen Zimmer für ihre Praktikant*innen oder können zumindest etwas vermitteln. Bei einem Bewerbungsgespräch würde ich das Thema auf jeden Fall ansprechen.
Versicherung
Mit der Beantragung des Visums kauft man verpflichtend eine Krankenversicherung mit, weshalb man sich darum nicht mehr kümmern muss.
Telefon-/Internetanschluss
Für jeden Aufenthalt ist es ratsam, sich eine SIM-Karte vor Ort zu kaufen, um vor Ort telefonieren und das Internet nutzen zu können. Alternativ kann man sich auch über Anbieter wie „Airalo“ eine E-Sim zulegen; womit man aber nicht telefonieren kann.
Bank/Kontoeröffnung
Für kurze Praktika benötigt man kein Konto. Für längere Aufenthalte (1 Jahr) kann es ratsam sein, da man für Fitnessstudios und andere Verträge ein saudisches Konto benötigt. Was man aber dringend braucht, ist eine internationale Kreditkarte, da man vielerorts nicht mehr mit Bargeld zahlen kann.
Sonstiges
Die Lebenshaltungskosten in großen saudischen Städten sind leider recht hoch und zusätzlich kommen wegen des Mangels an ÖPNV-Angeboten noch Kosten für Uber/Bolt-Fahrten hinzu. Daher empfehle ich, ein bezahltes Praktikum zu absolvieren und sich zusätzlich noch für ein (Teil-)Stipendium zu bewerben.
Ausgehmöglichkeiten
In Riad kann man sehr gut essen oder Kaffee trinken gehen und es gibt viele vom Staat geförderte und dadurch sehr erschwingliche Events, wie z.B. die Art Week, diverse Ausstellungen, Fußballspiele, Musikfestivals etc. Dafür empfiehlt sich die App „Webook.com“, worüber man alle größeren Events sehen und Tickets dafür buchen kann. Allerdings würde ich im Nachhinein das Praktikum in den Monaten Oktober – Februar absolvieren, da dort das öffentliche Leben weder durch Ramadan noch durch die große Hitze eingeschränkt ist.
Ansonsten empfiehlt es sich, das Land zu bereisen, wobei die großen Distanzen (Saudi-Arabien ist 5mal so groß wie Deutschland) zu berücksichtigen sind.