Longlist für den Deutschen Buchpreis 2017 veröffentlicht

Der Börsenverein des deutschen Buchhandels hat diese Woche die 20 nominierten Romane für den Deutschen Buchpreis bekanntgegeben. Erst seit 2005 verliehen, gilt die mit insgesamt 37.500 Euro dotierte Auszeichnung als deutsche Antwort auf den französischen Prix Goncourt oder den britischen Booker Prize.

Zaimoglu zum fünften, Bonné, Lehr, Poschmann und Schulze zum dritten

In diesem Jahr treffen die Werke von 14 Deutschen, fünf Österreichern und eines Schweizers aufeinander. Unter den sieben nominierten Autorinnen und 13 Autoren sind neun schon mit dem Gefühl vertraut, mit einem Werk auf der Longlist zu stehen. Das größte Déjà-vu trifft zweifelsohne Feridun Zaimoglu, der bereits zum fünften Mal auf der Nominiertenliste zu finden ist und nun zum ersten Mal auf die Shortlist der besten sechs Romane gelangen könnte. In seinem neuesten Werk Evangelio begibt sich Zaimoglu auf die Wartburg Martin Luthers und wählt den Blickwinkel eines sorgenvollen katholischen Landesknechts, der dem Reformator beschützend zur Seite gestellt wird.

In der Vergangenheit aus Buchpreis-Sicht erfolgreicher gewesen sind Mirko Bonné, Thomas Lehr, Marion Poschmann und Ingo Schulze, die es allesamt mindestens einmal auf die Shortlist und es zum dritten Mal unter die Top 20 geschafft haben. Bonné überträgt in seinen Liebesroman Lichter als der Tag (verfügbar) laut Buchpreis-Jury das Wahlverwandtschaften-Thema in die Gegenwart. Der studierte Naturwissenschaftler Thomas Lehr hat vor seiner Autorenkarriere bis 1999 als EDV-Spezialist für unser Bibliothekssystem gearbeitet und im Sommersemester 2011 die Heiner Müller-Gastprofessur für deutschsprachige Poetik an der FU übertragen bekommen. Sein Roman Schlafende Sonne (in Bearbeitung) spannt den Bogen vom Ersten Weltkrieg bis ins Berlin des Jahres 2011 und wird zu den stilistisch anspruchsvollsten Kandidaten gezählt. Im Mittelpunkt stehen historische Katastrophen und die privaten Verwicklungen dreier Menschen. Marion Poschmann schickt in ihrem leichten Roman Die Kieferninseln (in Erwerbung) ihre Hauptfigur, einen Privatdozenten und betrogenen Ehemann, auf eine Pilgerreise nach Japan, während der von vielen Kritikern favorisierte Ingo Schulze in seiner Kapitalismus-Komödie Peter Holtz (in Erwerbung) den Titelhelden vom Waisenkind zum Millionär wider Willen aufsteigen lässt.

Von Zwillingen, Nachkriegskindern und Herrn Lehmann

Einzige Debütantin im Feld ist die in Russland geborene Dramatikerin Sasha Marianna Salzmann. In Außer sich (in Erwerbung) folgt die Hausautorin des Maxim Gorki Theaters einem Zwillingspaar, das erst in einer kleinen Zweizimmerwohnung im Moskau der Postsowjetjahre und dann in einem Asylbewerberheim in der westdeutschen Provinz aufwächst. Salzmann hat für ihr Romandebüt erst ein paar Tage zuvor den mit 15.000 Euro dotieren Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung gewonnen. Die Jury würdigte das Werk als „gewagte wie gelungene Gratwanderung zwischen kulturellen und geschlechtlichen Identitäten“ und als „ein facettenreiches Generationspanorama von der Sowjetunion im 20. Jahrhundert bis ins Europa der Gegenwart“.

Für ihren zweiten Roman wurde die frühere FU-Studentin Julia Wolf nominiert, die mit Walter Nowak bleibt liegen laut Buchpreis-Jury ein „eindrucksvolles Männerporträt“ abliefere (in Bearbeitung). Ihr Titelheld – ein egomanischer und ebenso passionierter Schwimmer – bricht eines Tages im Badezimmer zusammen. Bewegungsunfähig streifen Gedankenfetzen seine Kindheit als unehelicher Sohn eines GIs in der Nachkriegszeit, die kaputte Ehe und eine unheilvolle ärztliche Diagnose. Wolf hatte mit ihrem gleichnamigen Textauszug im letzten Jahr um den Ingeborg-Bachmann-Preis konkurriert und den 3sat-Preis erhalten. Wieder auferstehen lässt dagegen Sven Regener seinen Kulthelden Herrn Lehmann. 16 Jahre nach seinem erfolgreichen Romandebüt begibt sich Regener in Wiener Straße (in Erwerbung) erneut ins Kreuzberg der 1980er-Jahre und wartet u. a. mit rebellische Berufsnichten, österreichischen Aktionskünstlern, Kettensägen und einem Schwangerschaftssimulator auf.

Die 20 Nominierten im Überblick
(UPDATE: 22.09.17 – verfügbare Titel sind verlinkt und in der Philologischen Bibliothek und/oder Universitätsbibliothek vorhanden):

  • Mirko Bonné: Lichter als der Tag (Schöffling & Co, Juli 2017)
  • Gerhard Falkner: Romeo oder Julia (Berlin Verlag, September 2017)
  • Franzobel: Das Floß der Medusa (Paul Zsolnay, Januar 2017)
  • Monika Helfer: Schau mich an, wenn ich mit dir rede! (Jung und Jung, März 2017) – in Bearbeitung
  • Christoph Höhtker: Das Jahr der Frauen (Weissbooks, August 2017) – in Erwerbung
  • Thomas Lehr: Schlafende Sonne (Carl Hanser, August 2017)
  • Jonas Lüscher: Kraft (C.H. Beck, März 2017)
  • Robert Menasse: Die Hauptstadt (Suhrkamp, September 2017)
  • Birgit Müller-Wieland: Flugschnee (Otto Müller, Februar 2017) – in Bearbeitung
  • Jakob Nolte: Schreckliche Gewalten (Matthes & Seitz Berlin, März
    2017) – in Bearbeitung
  • Marion Poschmann: Die Kieferninseln (Suhrkamp, September 2017)
  • Kerstin Preiwuß: Nach Onkalo (Berlin Verlag, März 2017)
  • Robert Prosser: Phantome (Ullstein fünf, September 2017)
  • Sven Regener: Wiener Straße (Galiani Berlin, September 2017)
  • Sasha Marianna Salzmann: Außer sich (Suhrkamp, September 2017)
  • Ingo Schulze: Peter Holtz (S. Fischer, September 2017) – in Bearbeitung
  • Michael Wildenhain: Das Singen der Sirenen (Klett-Cotta, September 2017) – in Bearbeitung
  • Julia Wolf: Walter Nowak bleibt liegen (Frankfurter Verlagsanstalt, März 2017) – in Bearbeitung
  • Christine Wunnicke: Katie (Berenberg, März 2017)
  • Feridun Zaimoglu: Evangelio (Kiepenheuer & Witsch, März 2017)

Die Longlist wird am 12. September 2017 von der Jury um Sprecherin Katja Gasser (Österreichischer Rundfunk), Silke Behl (Radio Bremen), Mara Delius (Die Welt), Christian Dunker (autorenbuchhandlung berlin), Maria Gazzetti (Casa di Goethe, Rom), Tobias Lehmkuhl (freier Kritiker, Berlin) und Lothar Schröder (Rheinische Post) auf sechs finale Romane reduziert, die sogenannte „Shortlist“. Die Preisverleihung findet zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse am 9. Oktober 2017 statt.

Zwar ist die kostenfreie App mit Artikelanfängen seit 2014 passé, aber über detektor.fm lassen sich nach und nach kostenfrei Auszüge aus den nominierten Romanen anhören (auch als App verfügbar). Wer nicht darauf warten will, findet auf der Webseite des Buchpreises unter den jeweiligen Romanprofilen alle bereits freigeschalteten Hörproben (zwischen 8-11 Minuten lang).

Deutscher Buchpreis an Bodo Kirchhoff

Kirchhoff_Widerfahrnis_Cover__PTNachdem im Vorjahr Frank Witzel mit dem unglaublich langen Titel Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 siegreich war, geht der Deutsche Buchpreis 2016 an Bodo Kirchhoff. Seine Novelle Widerfahrnis sei laut Jurybegründung „ein vielschichtiger Text, der auf meisterhafte Weise existentielle Fragen des Privaten und des Politischen miteinander verwebt und den Leser ins Offene entlässt.“

Das Werk handelt von einem Verleger im Ruhestand, der in den Alpen durch ein Buch in der lokalen Bibliothek die Bekanntschaft mit einer gleichaltrigen Autorin aus der Gegend macht, die zuletzt Besitzerin eines Hutgeschäfts war. Beide folgen einer „vagen Sehnsucht“ und machen sich spontan im Cabrio auf dem Weg nach Sizilien. Die mögliche Chance auf eine unerwartete Liebe wird in den folgenden drei Tagen aber durch die Begegnung mit einem Flüchtlingsmädchen auf eine harte Probe gestellt. Beide entscheiden sich dafür, das Kind mitzunehmen …

Der 1948 in Hamburg geborene und überwiegend im Schwarzwald aufgewachsene Kirchhoff studierte in Frankfurt am Main Pädagogik, Psychologie und Soziologie. 1978 promovierte er mit einer Arbeit über Jacques Lacan zum Dr. phil. Zur selben Zeit begann er die Arbeit als freier Schriftsteller und veröffentlichte Theaterstücke, Essays und Erzählungen. Einem breiten Publikum wurde Kirchhoff 1990 mit dem Bestseller-Roman Infanta bekannt. Die Liebesgeschichte zwischen einem Deutschen und einer Philippinin, beobachtet aus der Sicht von fünf Missionaren, vereinte mit der exotischen Kulisse, dem Auftauchen von obsessiv-sexueller und emotionaler Liebe, gewaltsamen Tod, Mord oder Unfall drei Motivkomplexe, die sich in weiteren Werken wiederholen sollten (vgl. Porträt bei Munzinger Online). Kirchhoffs letzte Arbeiten spielen größtenteils in Italien, wo er auch die Sommermonate regelmäßig am Gardasee verbringt. 2002 sorgte sein Schundroman für Aufsehen, ein Schlüsselroman zum Literaturbetrieb, der zeitgleich mit Martin Walsers Tod eines Kritikers erschien. Als Hauptwerke in seinem Schaffen gelten die Romane Parlando (2001), der autobiographisch gefärbte Eros und Asche (2007) sowie Die Liebe in groben Zügen (2012), in dem sich auch ein älteres Ehepaar auf der Suche nach der titelgebenden großen Liebe aufmacht. Als Drehbuchautor zeichnete Kirchhoff u. a. für mehrere Tatort-Folgen sowie den preisgekrönten Spielfilm Mein letzter Film (2002) und die ARD-Krimiserie Die Kommissarin, jeweils mit Hannelore Elsner in der Hauptrolle, verantwortlich.

Bodo Kirchhoff setzte sich im Finale gegen Reinhard Kaiser-Mühlecker (Fremde Seele, dunkler Wald), André Kubiczek (Skizze eines Sommers), den früheren FU-Absolventen Thomas Melle (Die Welt im Rücken), Eva Schmidt (Ein langes Jahr) und Philipp Winkler (Hool) durch.
Alle sechs auf der Shortlist vertretenen Titel sind auch im Bestand der Philologischen Bibliothek zu finden (teilweise schon vorgemerkt). Auch beinahe alle auf der Longlist nominierten Romane sind dort ausleihbar bzw. vormerkbar.

Der Deutsche Buchpreis wird seit 2005 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels kurz vor der Frankfurter Buchmesse verliehen. Die Auszeichnung gilt als deutsche Antwort auf den französischen Prix Goncourt oder den britischen Booker Prize und ist mit 25.000 Euro für den Sieger dotiert. Über die Vergabe entscheidet eine jährlich wechselnde Jury. 2016 setzte sich diese u. a. aus den Literaturkritikern Thomas Andre (Hamburger Abendblatt), Lena Bopp (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Christoph Schröder, Sabine Vogel (Berliner Zeitung) und den Berliner Kritiker und Autor Najem Wali zusammen.

Zwar ist die kostenfreie App mit Artikelanfängen seit 2014 passé, aber über detektor.fm lassen sich kostenfrei Auszüge aus den nominierten Romane anhören (auch als App verfügbar).

Finalisten des Deutschen Buchpreises 2016 stehen fest

csm_Aufkleber_Shortlist200x200_90cb0dbdf8Der Börsenverein des deutschen Buchhandels hat die sechs nominierten Romane, die sogenannten „Shortlist“, für den Deutschen Buchpreis bekanntgegeben. Erst seit 2005 verliehen, gilt die mit insgesamt 37.500 Euro dotierte Auszeichnung als deutsche Antwort auf den französischen Prix Goncourt oder den britischen Booker Prize.

Aus 20 mach‘ 6

Die Jury um die Literaturkritiker Thomas Andre (Hamburger Abendblatt), Lena Bopp (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Christoph Schröder, Sabine Vogel (Berliner Zeitung) und den Berliner Kritiker und Autor Najem Wali haben insgesamt 178 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2015 und dem 20. September 2016 erschienen sind. Nachdem sie im letzten Monat die „Longlist“ mit 20 Titeln präsentierten, wetteifern nun nur noch sechs Autoren – vier Deutsche und zwei Österreicher – um die Auszeichnung:

Der Österreicher Reinhard Kaiser-Mühlecker erzählt in seinem Dorfroman Fremde Seele, dunkler Wald vom Schicksal zweier Brüder. Während der eine als Soldat in den Auslandseinsatz zieht, bleibt der andere in der österreichischen Heimat zurück und führt den elterlichen Hof, der heimlich Stück für Stück vom Vater verkauft wird.

Ebenfalls am Alpenrand wider findet sich Bodo Kirchoffs Protagonist aus Widerfahrnis, der in der Bibliothek ein Buch einer lokalen Autorin entdeckt. Diese führt ihn binnen drei Tage bis nach Sizilien und der möglichen Chance auf eine große Liebe.

Während die Wolfgang-Herrndorf-Verfilmung Tschick gerade in den Kinos angelaufen ist, erzählt der gebürtige Potsdamer André Kubiczek eine ähnlich leicht erzählte
Coming-of-Age-Geschichte. In Skizze eines Sommers stellt er einen 16-jährigen Jungen in den Mittelpunkt, der den Sommer allein mit Freunden in Potsdam des Jahres 1985 verbringt und sich zwischen Café und Disko das erste Mal verliebt.

Erfolgreich auf dem Papier liest sich bisher die Bilanz des gebürtigen Bonners und früheren FU-Studenten Thomas Melle. Mit Sickster (2011), 3000 Euro (2014, Shortlist) und nun Die Welt im Rücken hat er bislang drei Romane veröffentlicht – alle drei Titel kamen auf die Nominiertenlisten für den Deutschen Buchpreis. Melles neuestes Werk ist autobiographischen Ursprungs und thematisiert die bipolare Störung, an der er seit Jahren leidet.

Als einzige Frau tummelt sich die Österreicherin Eva Schmidt unter den letzten sechs. Nach dem Roman Zwischen der Zeit (1997) veröffentlichte die Autorin fast 20 Jahre später ihren aus 38 Episoden bestehenden zweiten Roman Ein langes Jahr, der an ihrem Wohnort verortet ist, auch wenn der Name Bregenz nie Erwähnung findet. Die Kritik zog Vergleiche zu Robert Altmans legendärem Film Short Cuts.

Mit dem Deutschen Philipp Winkler (* 1986) gelangte auch ein Romandebütant auf die Shortlist, dem Außenseiterchancen zugerechnet werden. Sein Roman Hool spielt in der Hannoveraner Hooligan-Szene. Bereits zu den diesjährigen Krawallen bei der Fußball-EM in Frankreich hatte Winkler in einem Gastbeitrag in der FAZ „Einblick in die Kampfszene“ gegeben.

Die sechs Finalisten im Überblick
(verfügbare Titel sind verlinkt und in der Philologischen Bibliothek vorhanden):

    • Bodo Kirchhoff: Widerfahrnis (Frankfurter Verlagsanstalt, September 2016)
    • Philipp Winkler: Hool (Aufbau, September 2016)

Die Preisverleihung findet zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse am 17. Oktober 2016 statt.

Zwar ist die kostenfreie App mit Artikelanfängen seit 2014 passé, aber über detektor.fm lassen sich kostenfrei nach und nach Auszüge aus den nominierten Romane anhören (auch als App verfügbar).

Longlist zum Deutschen Buchpreis 2016 veröffentlicht

Aufkleber_Longlist200x200Der Börsenverein des deutschen Buchhandels hat diese Woche die 20 nominierten Romane für den Deutschen Buchpreis bekanntgegeben. Erst seit 2005 verliehen, gilt die mit insgesamt 37.500 Euro dotierte Auszeichnung als deutsche Antwort auf den französischen Prix Goncourt oder den britischen Booker Prize.

Lewitscharoff, Melle und Stamm zum dritten

In diesem Jahr treffen die Werke von 14 Deutschen, vier Österreichern und zwei Schweizern aufeinander. Unter den sechs nominierten Autorinnen und 14 Autoren sind u. a. alte Bekannte wie die Büchner-Preisträger Sibylle Lewitscharoff (Das Pfingstwunder) und Arnold Stadler (Rauschzeit), Ernst Wilhelm Händler (München) und Bodo Kirchhoff (Widerfahrnis) vertreten. Für Lewitscharoff ist es die dritte Nominierung auf der Longlist, nach Consummatus (2006) und Blumenberg (2011, Shortlist). In ihrem im September erscheinenden neuen Roman Das Pfingstwunder nimmt sie sich des Seelenheils von 34 internationalen Dante-Gelehrten in Rom als Thema an.

Erfolgreicher liest sich auf dem Papier die Bilanz des gebürtigen Bonners und früheren FU-Studenten Thomas Melle. Mit Sickster (2011), 3000 Euro (2014, Shortlist) und nun Die Welt im Rücken hat er bislang drei Romane veröffentlicht – alle drei Titel landeten auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Melles neuestes Werk ist autobiographischen Ursprungs und thematisiert die bipolare Störung, an der er seit Jahren leidet. Ebenfalls zum dritten Mal auf der Longlist vertreten ist der Schweizer Peter Stamm. Mit Weit über das Land, eine Geschichte über eine Ehefrau und Mutter, die mit dem plötzlichen Verschwinden ihres Ehemanns konfrontiert wird, hat er zum ersten Mal die Chance auf der Shortlist zu stehen.

Von Hooligans, fantastischen Reisen, Stasi, RAF und Mauerfall

Mit der Schweizerin Michelle Steinbeck (* 1990) und dem Deutschen Philipp Winkler (* 1986) gelangten auch zwei Romandebütanten auf die Longlist. Steinbecks Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch ist als fantastischer Entwicklungsroman um die junge Heldin Loribeth angelegt, die ein totes Kind in einem Koffer mit sich führt. Winkler werden Außenseiterchancen für seinen in der Hannoveraner Hooligan-Szene spielenden Hool zugerechnet. Bereits zu den diesjährigen Krawallen bei der Fußball-EM in Frankreich hatte er in der FAZ „Einblick in die Kampfszene“ gegeben. Ebenfalls als eine Art Debütanten könnte man den 65-jährigen Lyriker und Dramatiker Gerhard Falkner bezeichnen, der mit Apollokalypse ebenfalls seinen ersten Roman vorlegt. Es ist ein Epochenroman über das Berlin der 1980er- und 1990er-Jahre, Erinnerungen an die Stasi, RAF und den Mauerfall inbegriffen.

Dagegen nicht auf die Longlist schaffte es der diesjährige Preisträger der Leipziger Buchmesse, Guntram Vesper mit Frohburg. Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden die spät veröffentlichten neuen Romane von Christian Kracht (Die Toten) und Martin Mosebach (Mogador) sowie Bestsellerautorin Juli Zeh (Unterleuten) und Eugen Ruge (Follower), Gewinner des Jahres 2011.

Die 20 Nominierten im Überblick
(verfügbare Titel sind verlinkt und in der Philologischen Bibliothek vorhanden):

    • Ernst-Wilhelm Händler: München (S. Fischer, August 2016)
    • Bodo Kirchhoff: Widerfahrnis (Frankfurter Verlagsanstalt, September 2016)
    • Katja Lange-Müller: Drehtür (Kiepenheuer & Witsch, August 2016)
    • Dagmar Leupold: Die Witwen (Jung und Jung, September 2016)
    • Hans Platzgumer: Am Rand (Paul Zsolnay, Februar 2016)
    • Arnold Stadler: Rauschzeit (S. Fischer, August 2016)
    • Michelle Steinbeck: Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch (Lenos, März 2016)
    • Anna Weidenholzer: Weshalb die Herren Seesterne tragen (Matthes & Seitz Berlin, August 2016) – in Erwerbung
    • Philipp Winkler: Hool (Aufbau, September 2016)

Die Longlist wird am 20. September 2016 von der Jury um die Literaturkritiker Thomas Andre (Hamburger Abendblatt), Lena Bopp (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Christoph Schröder, Sabine Vogel (Berliner Zeitung) und den Berliner Kritiker und Autor Najem Wali auf sechs finale Romane reduziert, die sogenannte „Shortlist“. Die Preisverleihung findet zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse am 17. Oktober 2016 statt.

Zwar ist die kostenfreie App mit Artikelanfängen seit 2014 passé, aber über detektor.fm lassen sich kostenfrei nach und nach Auszüge aus den nominierten Romane anhören (auch als App verfügbar).

Deutscher Buchpreis an Terézia Mora

Nachdem im Vorjahr Ursula Krechel (Landgericht) siegreich war geht der Deutsche Buchpreis 2013 an Terézia Mora (Bild). Ihr Roman Das Ungeheuer sei laut Jurybegründung „ein stilistisch virtuoser, perspektivenreicher Nekrolog und eine lebendige Road-Novel aus dem heutigen Osteuropa […] ein tief bewegender und zeitdiagnostischer Roman.“

In dem Werk greift Mora auf den Protagonisten und Anti-Helden ihres vorangegangenen Romans zurück – den übergewichtigen und asthmatischen Informatiker Darius Kopp. Hatte dieser am Ende von Der einzige Mann auf dem Kontinent (2009) noch seinen Job verloren und war seiner ungarischen Ehefrau Flora aufs Land nachgeeilt, muss er in Das Ungeheuer deren Selbstmord verarbeiten. Der verzweifelte Kopp stößt auf eine Computerdatei mit Tagebucheintragungen seiner Frau und reist mit deren Urne quer durch Osteuropa. Terézia Mora (* 1971), die in Berlin lebt, wuchs zweisprachig im ungarischen Grenzgebiet zu Österreich auf. Sie studierte an der Humboldt Universität zu Berlin Theaterwissenschaft und Hungarologie und beschäftigte sich vor ihrer Schriftstellerkarriere als Produktionsassistentin und Drehbuchautorin beim Film. Auch trat sie als Übersetzerin von ungarischer Literatur ins Deutsche in Erscheinung (Literatur von Terézia Mora im FU-Katalog).

Mora setzte sich im Finale gegen Mirko Bonné (Nie mehr Nacht), Reinhard Jirgl (Nichts von euch auf Erden), Clemens Meyer (Im Stein), Marion Poschmann (Die Sonnenposition) und die frühere FU-Absolventin Monika Zeiner (Die Ordnung der Sterne über Como) durch. Lese- und Hörproben aller nominierten Romane bietet eine kostenfreie App via Google Play. Alle sechs auf der Shortlist vertretenen Titel sind auch im Bestand der Philologischen Bibliothek zu finden (teilweise schon vorgemerkt).

Der Deutsche Buchpreis wird seit 2005 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels kurz vor der Frankfurter Buchmesse verliehen. Die Auszeichnung gilt als deutsche Antwort auf den französischen Prix Goncourt oder den britischen Booker Prize und ist mit 25.000 Euro für den Sieger dotiert. Über die Vergabe entscheidet eine jährlich wechselnde Jury. 2013 setzte sich diese u. a. aus den Schriftstellern Helmut Böttiger, Katrin Lange, Ursula März und dem FAZ-Redakteur Andreas Platthaus zusammen.

Nobelpreisvergabe am Donnerstag
Der Deutsche Buchpreis ist nicht die einzige literarische Auszeichnung, die diese Woche vergeben wird. Am Donnerstag wird in Stockholm der Gewinner des diesjährigen Literaturnobelpreises bekannt gegeben. Am höchsten gewettet werden gegenwärtig der japanische Romancier Haruki Murakami (Naokos Lächeln), die kanadische Kurzgeschichtenautorin Alice Munro (Die Liebe einer Frau) sowie die Weißrussin Swetlana Alexijewitsch, die dieses Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in Empfang nehmen wird. Im letzten Jahr war der Chinese Mo Yan erfolgreich.

Bild: Amrei-Marie (CC-BY-SA-3.0)

Deutscher Buchpreis für Ursula Krechel

Nachdem im Vorjahr Romandebütant Eugen Ruge (In Zeiten des abnehmenden Lichts) siegreich war geht der Deutsche Buchpreis 2012 an Ursula Krechel. In ihrem Roman Landgericht zeichne sie laut Jurybegründung „Bald poetisch, bald lakonisch […] präzise ihr Bild der frühen Bundesrepublik – von der Architektur über die Lebensformen bis hinein in die Widersprüche der Familienpsychologie. Landgericht ist ein bewegender, politisch akuter, in seiner Anmutung bewundernswert kühler und moderner Roman“.

Das Werk folgt einem vor den Nazis geflüchteten jüdischen Richter, der 1947 aus dem Exil in Havanna nach Deutschland zur versprengten Familie zurückkehrt. Ursula Krechel, die zuletzt 2009 mit dem Roman Shanghai fern von wo auf sich aufmerksam machte, stammte aus Trier, lebt aber mittlerweile in Berlin. Sie studierte Germanistik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte und ist nach Arbeiten als Dramaturgin seit Anfang der 1970er-Jahre als freie Schriftstellerin tätig. Neben Romanen erschienen von ihr auch Gedichtbände, Hörspiele und Essays (Werke von Ursula Krechel im FU-Katalog).

Krechel setzte sich im Finale gegen Ernst Augustin (Robinsons blaues Haus), den diesjährigen Preisträger der Leipziger Buchmesse Wolfgang Herrndorf (Sand), Clemens J. Setz (Indigo), Stephan Thome (Fliehkräfte) und Ulf Erdmann Ziegler (Nichts Weißes) durch. Lese- und Hörproben aller nominierten Romane bietet eine kostenfreie App. Alle sechs auf der Shortlist vertretenen Titel sind auch im Bestand der Philologischen Bibliothek zu finden (teilweise schon vorgemerkt).

Der Deutsche Buchpreis wird seit 2005 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels kurz vor der Frankfurter Buchmesse verliehen. Die Auszeichnung gilt als deutsche Antwort auf den französischen Prix Goncourt oder den britischen Booker Prize und ist mit 25.000 Euro für den Sieger dotiert. Über die Vergabe entscheidet eine jährlich wechselnde, siebenköpfige Jury. 2012 setzte sich diese u. a. aus dem Literaturkritiker bzw. -redakteur Andreas Isenschmid (NZZ am Sonntag), Dirk Knipphals (taz) und Stephan Lohr (NDR Kultur) zusammen.

Nobelpreisvergabe am Donnerstag
Der Deutsche Buchpreis ist nicht die einzige literarische Auszeichnung, die diese Woche vergeben wird. Am Donnerstag wird in Stockholm der Gewinner des diesjährigen Literaturnobelpreises bekannt gegeben. Am höchsten gewettet werden gegenwärtig der japanische Romancier Haruki Murakami (Naokos Lächeln), sein chinesischer Kollege Mo Yan (Das rote Kornfeld) sowie die kanadische Kurzgeschichtenautorin Alice Munro (Die Liebe einer Frau). Im letzten Jahr war der schwedische Dichter Tomas Tranströmer erfolgreich.

Deutscher Buchpreis für Eugen Ruge

Nachdem im Vorjahr Melinda Nadj Abonji (Tauben fliegen auf) als erste Schweizerin siegreich war geht der Deutsche Buchpreis 2011 an Eugen Ruge. In seinem Romandebüt In Zeiten des abnehmenden Lichts spiegele er laut Jurybegründung ostdeutsche Geschichte in einem Familienroman. „Es gelingt ihm, die Erfahrungen von vier Generationen über fünfzig Jahre hinweg in einer dramaturgisch raffinierten Komposition zu bändigen. Sein Buch erzählt von der Utopie des Sozialismus, dem Preis, den sie dem Einzelnen abverlangt, und ihrem allmählichen Verlöschen.“

Das Werk, in diesem Jahr bereits mit dem Aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet, folgt drei Generationen einer Familie und dehnt sich zeitlich über die DDR der 1950er Jahre und den Mauerfall bis zum Beginn des neuen Jahrtausends. Ruge, 1954 im russischen Ural als Sohn des Historikers Wolfgang Ruge (1917-2006) geboren, ist studierter Mathematiker und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Physik der Erde. Seit 1989 ist er als Autor tätig und wurde u. a. durch Tschechow-Übersetzungen und mehrere Theaterstücke (u. a. Akte Böhme, 2001) bekannt. Zur Vergabe des Deutschen Buchpreises hat Der Tagesspiegel am Montag noch ein interessantes Interview mit dem Berliner geführt.

Eugen Ruge setzte sich im Finale gegen Jan Brandt (Gegen die Welt), Michael Buselmeier (Wunsiedel), Angelika Klüssendorf (Das Mädchen), die dieses Jahr vielfach preisgekrönte Sibylle Lewitscharoff (Blumenberg) und Marlene Streeruwitz (Die Schmerzmacherin) durch. Kostenfreie Leseproben aller Romane bietet die E-Book-Plattform libreka! an. Alle Titel sind auch im Bestand der Philologischen Bibliothek zu finden (Brandts Gegen die Welt ist momentan in Bearbeitung).

Der Deutsche Buchpreis wird seit 2005 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels kurz vor der Frankfurter Buchmesse verliehen. Die Auszeichnung gilt als deutsche Antwort auf den französischen Prix Goncourt oder den britischen Booker Prize und ist mit 25.000 Euro für den Sieger dotiert. Über die Vergabe entscheidet eine jährlich wechselnde, siebenköpfige Jury. 2011 setzte sich diese u. a. aus der Literaturkritikern Maike Albath, Ina Hartwig, Christine Westernmann, Uwe Wittstock und der Autorin Ulrike Draesner zusammen.

Deutscher Buchpreis an Melinda Nadj Abonji

Nachdem in den Vorjahren Deutsche und Österreicher triumphierten geht 2010 der Deutsche Buchpreis erstmals in die Schweiz – Melinda Nadj Abonji wurde für Tauben fliegen auf ausgezeichnet. Die Tochter serbisch-ungarischer Gastarbeiter wurde in der Vojvodina geboren. Sie zog mit viereinhalb Jahren in die Schweiz, studierte in Zürich und machte sich neben dem Schreiben auch als Musikerin und Performance-Künstlerin einen Namen.

Abonjis zweiter Roman ist autobiografischen Ursprungs und stellt die junge Ildiko in den Mittelpunkt, die mit ihrer Familie aus der Vojvodina in die Schweiz emigriert. Dort erarbeiten sich die Eltern ein Café. Obwohl die Familie nicht aneckt und nicht auffällt, bleiben sie „die Jugos“ in der neuen Heimat. Die Sehnsucht nach dem Balkan wird durch die Jugoslawienkriege getrübt. Das Buch gebe laut Jurybegründung das vertiefte Bild eines gegenwärtigen Europa im Aufbruch, das mit seiner Vergangenheit noch lang nicht abgeschlossen hat.

Melinda Nadj Abonji setzte sich im Finale gegen Jan Faktor (Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag), Thomas Lehr (September. Fata Morgana), Doron Rabinovici (Andernorts), den diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Preisträger Peter Wawerzinek (Rabenliebe) und Judith Zander (Dinge, die wir heute sagten) durch. Am 14. November hat die 42-jährige Autorin auch die Möglichkeit auf dem Literaturfestival BuchBasel mit dem seit 2008 vergebenen Schweizer Buchpreis ausgezeichnet zu werden. Ob sich die Schweizer Jury von der Preisverleihung in Deutschland beeindrucken lässt? Kostenfreie Leseproben aller Romane bietet die E-Book-Plattform libreka! an. Alle Titel sind auch im Bestand der Philologischen Bibliothek zu finden.

Der Deutsche Buchpreis wird seit 2005 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Vorabend der Frankfurter Buchmesse verliehen. Die Auszeichnung gilt als deutsche Antwort auf den französischen Prix Goncourt oder den britischen Booker Prize und ist mit 25.000 Euro dotiert. Im letzten Jahr hatte die deutsche Autorin Kathrin Schmidt (Du stirbst nicht) triumphiert.

Deutscher Buchpreis 2010: Shortlist veröffentlicht

Wie bereits vor einigen Wochen im BiblioBlog angekündigt, ist heute die Shortlist für den Deutschen Buchpreis bekannt gegeben worden. Die Jury um Ulrich Greiner (Die Zeit) und Burkhard Müller (Süddeutsche Zeitung) stand vor der nicht leichten Aufgabe, sich von 14 der 20 vorausgewählten Titel zu trennen.

Folgende sechs Romane haben die Chance zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse am 4. Oktober 2010 ausgezeichnet zu werden:

– Jan Faktor: Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag
– Thomas Lehr: September. Fata Morgana
– Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf
– Doron Rabinovici: Andernorts
– Peter Wawerzinek: Rabenliebe
– Judith Zander: Dinge, die wir heute sagten

Auf Wawerzinek und Zander wurde man vor einigen Monaten bei der Vergabe des Ingeborg-Bachmann-Preises aufmerksam. Ersterer, gewann den Wettbewerb mit der Aufarbeitung seines Lebens als DDR-Waise, während bei Zanders Debütroman die Rückkehr einer Tochter in die vorpommersche Provinz in den Mittelpunkt rückt.

Ebenfalls die Rückkehr als Thema hat sich die Schweizer Künstlerin Melinda Nadj Abonji ausgesucht. In Tauben fliegen auf schildert sie die Besuche einer serbischen Familie in ihrem Heimatdorf, die vor Jahren in die Schweiz übergesiedelt ist. Thomas Lehr rückt in September. Fata Morgana die Schicksale zweier Frauen in den Blickpunkt, die bei Terroranschlägen in New York und Bagdad ums Leben gekommen sind. Doron Rabinovici blickt in Andernorts auf die Geheimnisse einer jüdischen Familie, während man bei Jan Faktors Entwicklungsroman mit dem etwas seltsamen Titel vom Ich-Erzähler ins Prag der 1960er Jahre begleitet wird.

Die Bücher von Faktor, Rabinovici und Wawerzinek sind im Bestand der Philologischen Bibliothek zu finden. Kostenfreie Leseproben aller Romane bietet die E-Book-Plattform libreka! an.

Deutscher Buchpreis für Kathrin Schmidt

Der Deutsche Buchpreis geht dieses Jahr an Kathrin Schmidt, wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels heute, traditionell einen Tag vor Eröffnung der Frankfurter Buchmesse, bekannt gab. In ihrem Roman Du stirbst nicht schildert die in Berlin lebende Autorin die Krankheits- und Genesungsgeschichte der Schriftstellerin Helene. Nach zwei Wochen im Koma wacht Schmidts Protagonistin im Krankenhaus auf, ohne Kontrolle über ihren Körper, ohne Sprache und mit einem lückenhaften Gedächtnis – die Folgen eines plötzlichen Schlaganfalls. Erst nach und nach schafft es Helene sich ihre Vergangenheit wieder anzueignen, sich dem Ehemann, der Kinder, Beruf und Vergangenheit zu entsinnen.

Der Roman ist stark autobiographisch geprägt. Schmidt stammt aus dem thüringischen Gotha und ist studierte Sozialpsychologin. Politisch zur Zeit der Wende engagiert, machte sie 1994 das Schreiben zu ihrem Beruf und legte unter anderem mehrere Lyrikbände vor. 1998 wurde ihr gefeiertes Romandebüt Die Gunnar-Lennefsen-Expedition veröffentlicht, woraufhin ein weiterer Gedichtband (Go-In der Belladonnen, 2000) und zwei Romane folgten, mit denen sie jedoch nicht an den vorangegangenen Erfolg anknüpfen konnte.

2002, just zu der Zeit als Kathrin Schmidt ihren zweiten Roman Koenigs Kinder zum Druck freigab, kam es bei ihr zu einer Gehirnblutung. Mühevoll musste die Ehefrau und Mutter die Sprache neu erlernen. Bereits ein halbes Jahr später begann sie mit den Vorbereitungen zu ihrem 2005 veröffentlichten Roman Seebachs schwarze Katzen über einen allein erziehenden Vater, der von seiner DDR-Vergangenheit eingeholt wird.

Mit der Aufarbeitung ihrer Krankheit in Du stirbst nicht (2009) hat sich Schmidt erfolgreich ins Leben und die Literatur zurückgekämpft und das Lob der Kritiker erhalten – und ganz nebenbei der frisch gekürten Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller den Deutschen Buchpreis vor der Nase weggeschnappt. Oft schreibt das Leben die interessanteren Geschichten …

Buchpreis-Shortlist 2009:
– Rainer Merkel: Lichtjahre entfernt (S. Fischer, März 2009)
– Herta Müller: Atemschaukel (Hanser, August 2009)
– Norbert Scheuer: Überm Rauschen (C. H. Beck, Juni 2009)
– Kathrin Schmidt*: Du stirbst nicht (Kiepenheuer & Witsch, Februar 2009)
– Clemens J. Setz: Die Frequenzen (Residenz, Februar 2009)
– Stephan Thome: Grenzgang (Suhrkamp, August 2009)

Danke für das Bild an WikiCommons!