Gender Diversität vs. Frauenförderung?

Widerspricht das Ziel der Gender Diversität nicht dem Anliegen der Frauenförderung? Lange Zeit haben wir dafür gekämpft, Frauen in Sprache und Bild sichtbar zu machen. Inzwischen stellt sich vor dem Hintergrund der Vielzahl von Geschlechtsidentitäten die Frage, ob es nicht eher darum gehen sollte, das Geschlecht nicht zu erwähnen, also quasi unsichtbar zu machen, um Gleichstellung umzusetzen. Nicht allen reicht der „Umweg“ über ein drittes Geschlecht. Wie können wir dann Frauen fördern? Ist das überhaupt noch ein zeitgemäßes Ziel?

Zunächst lässt sich festhalten, dass wir als Gesellschaft trotz entsprechender Bemühungen – seit Jahrzehnten! – der Gleichstellung der Frauen schon etwas näher gekommen sind, das Ziel aber nach wie vor noch lange nicht erreicht haben; Frauen werden weiterhin in vielen Bereich benachteiligt. Frauenförderung bleibt demzufolge weiterhin ein wichtiges Ziel – bis wir die Gleichstellung von Frauen erreicht haben. Dies ist ein weiterhin wichtiges Teilziel der Gleichstellung aller Geschlechter. Beibt die Frage nach der gendergerechten und -sensiblen Sprache.

Zunächst mal lässt sich zeigen, dass sich die gewählte Art des Sichtbarmachens von Geschlechtern sehr wohl darauf auswirkt, was Lesende und Hörende sich vorstellen (hierzu etwa Heise, 2000; Stahlberg & Sczesny, 2001):

  • Die Studenten/Studierende. Generische Maskulina  und neutrale Begriffe  werden mehrheitlich mit Männern assoziiert.
  • Studentinnen und Studenten. Beim Splitten werden Frauen und Männer etwa zu je 50% assoziiert. Menschen, die sich beiden Gruppen nicht zugehörig fühlen, werden ignoriert.
  • StudentInnen. Beim großen I werden Frauen zu mehr als 50% mitgedacht.
  • Student_innen/Student*innen. Hier wird an Frauen, Diverse und Männer gedacht.

Dann ist doch alles klar, könnten wir denken. Dem ist aber wohl nicht so. Weder die als Gendergap bezeichnete Schreibweise mit Unterstrich noch das sog. Gendersternchen sind unumstritten. Und obwohl der Rat für deutsche Rechtschreibung das Anliegen einer geschlechtergerechten Sprache ausdrücklich anerkennt, mochte er sich noch keiner Schreibweise anschließen, sondern will abwarten, welche Schreibweise sich letztendlich durchsetzt (PM 2018). Dies hat konkrete Konsequenzen für Texte, die etwa die Freie Universität veröffentlicht. In Studien- und Prüfungsordnungen der FU werden neutrale Begriffe wie Studierende verwendet, aber da, wo das schwierig ist, wird auf das Splitting zurückgegriffen (z.B. Absolventinnen und Absolventen), was einen Teil der Studierendenschaft nicht berücksichtigt und damit eine Diskriminierung durch Ignorieren darstellt (auch wenn das nicht die Absicht ist).

Aktuell wird die überarbeitete Studien- und Prüfungsordnung des neuen polyvalenten Bachelorstudiengangs in der Psychologie diskutiert (wegen des neuen Gesetzes zur Ausbildung in psychologischer Psychotherapie). Ob es hier gelingt, sich insgesamt auf geschlechterneutrale Formulierungen zu einigen und damit Vorbildfunktion zu übernehmen, wissen wir am 16. Juli 2020.

Literatur

Heise, Elke (2000). Sind Frauen mitgemeint? Eine empirische Untersuchung zum Verständnis des generischen Maskulinums und seiner Alternativen. Sprache und Kognition — Zeitschrift für Sprach- und Kognitionspsychologie und ihre Grenzgebiete, 19(1/2), 3 – 13.

Stahlberg, Dagmar & Sczesny, Sabine (2001). Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. Psychologische Rundschau, 52(3), 131 – 140.

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