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Der Aktuelle Fall

In Zukunft wollen wir auf diesem Blog Diskussionen über aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts anstoßen. Wir starten mit einem der wichtigsten Fälle des letzten Jahres! Wir werden die Entscheidungen jeweils verlinken und hoffen auf rege Beteiligung!!

Das Hauptstadtfälle-Team

 

Mit Beschluss vom 4. November 2009 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass § 130 Abs. 4 StGB, der die Volksverhetzung unter Strafe stellt, mit Art. 5 GG vereinbar ist, obwohl er ein nichtallgemeines Gesetz sei.

Die TAZ schrieb dazu „Falsches Gesetz trifft die Richtigen“, die Welt „Auch wenn diese Lösung nicht vollends zufriedenstellt, ist sie prinzipiell richtig.“

Was haltet Ihr davon?

 

§ 130 Abs. 4 StGB lautet:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.“

 

Die Leitsätze des Beschlusses lauten:

1. § 130 Abs. 4 StGB ist auch als nichtallgemeines Gesetz mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG vereinbar. Angesichts des sich allgemeinen Kategorien entziehenden Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat, und der als Gegenentwurf hierzu verstandenen Entstehung der Bundesrepublik Deutschland ist Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für Bestimmungen, die der propagandistischen Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft Grenzen setzen, eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze immanent.

2. Die Offenheit des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für derartige Sonderbestimmungen nimmt den materiellen Gehalt der Meinungsfreiheit nicht zurück. Das Grundgesetz rechtfertigt kein allgemeines Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder auch nationalsozialistischen Gedankenguts schon in Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhalts.

Der Beitrag wurde am Montag, den 18. Januar 2010 um 23:22 Uhr von Anton Petrov veröffentlicht und wurde unter Der Aktuelle Fall abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf Ihrer Seite einrichten.

Eine Reaktion zu “Der Aktuelle Fall”

  1. Feed Back

    Sehr geehrte Leser,

    die Lektüre der Entscheidung ist für das Verständnis der allgemeinen Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG von großer Bedeutung, da das Verhältnis der beiden Komponenten „Sonderrechtslehre“ und „Abwägungslehre“ von BVerwG/Bundesregierung und BVerfG anders aufgelöst wird.
    Ausgangspunkt ist jeweils im Kern die bekannte Formel: das Gesetz dürfe nicht eine Meinung als solche verbieten, das heißt sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, sondern müsse dem Schutz eines schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen. Das BVerwG stellt den Schutz höherwertiger Rechtsgüter fest und nimmt ein allgemeines Gesetz an, obwohl die Vorschrift gegen bestimmte Meinungsinhalte gerichtet ist.
    Das BVerfG hingegen nimmt die Beschränkung auf nationalsozialistischen Gedankengut zum Anlass, den Charakter als allgemeines Gesetz zu verneinen.
    An dieser Stelle wäre es denkbar, die Verfassungswidrigkeit festzustellen.
    Noch ist unklar, ob das Verbot des Sonderrechts allein aus Gründen der Entstehungsgeschichte für diesen Fall nicht gelten soll oder ob hier eine Art kollidierenden Verfassungsrechts herangezogen wird. Anhaltspunkte liefert die Entscheidung für beide Erklärungsmöglichkeiten.

    Für die Fallbearbeitung ist der Fall zum Einen im Hinblick auf die Meinungsfreiheit relevant. Andererseits kann der Streit um Verbote von Versammlungen rechtsextremer Gruppierungen wieder aufleben, obwohl das BVerfG die Wirkung der aktuellen Entscheidung insofern beschränken will und die Geltung eines allgemeinen anti-nationalsozialistischen Grundprinzips weiterhin ablehnt. Jedenfalls dürften Verbote bei Versammlungen mit Bezügen zu historischen Ereignissen im Ergebnis nach dieser Entscheidung leichter verboten werden.
    Über Anmerkungen bzw. weitere Einschätzungen würde ich mich sehr freuen.

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