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Der aktuelle Fall (1/2011)

Das Bundesverfassungsgericht hat am 22. Februar 2011 entschieden (1 BvR 699/06), dass die Versammlungsfreiheit auch im Flughafen Frankfurt am Main gewährleistet ist. Der Flughafen wird von der Fraport AG betrieben, die mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand steht. Mit diesem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht erstmals festgestellt, dass auch eine private Gesellschaft, die im Mehrheitseigentum des Staates steht, unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist.

Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass die Fraport AG gegenüber der Beschwerdeführerin unmittelbar an die Grundrechte gebunden sei, da die Nutzung zivilrechtlicher Formen die staatliche Gewalt nicht von ihrer Bindung an die Grundrechte enthebe. Die unmittelbare Grundrechtsbindung treffe nicht nur öffentliche Unternehmen, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, sondern auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht werden. Dies sei in der Regel der Fall, wenn mehr als die Hälfte der Anteile im Eigentum der öffentlichen Hand stehen.

Weiter stellt es fest, dass der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit eröffnet sei. Die Versammlungsfreiheit gewährleiste den Grundrechtsträgern unter anderem das Recht, über den Ort der Veranstaltung frei zu bestimmen. Sie verschafft ihnen damit allerdings kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten. Allerdings sei die Versammlungsfreiheit auch nicht auf den öffentlichen Straßenraum begrenzt. Vielmehr verbürge sie die Durchführung von Versammlungen auch an anderen Orten, wo ein öffentliches Unternehmen einen allgemeinen öffentlichen Verkehr eröffnet hat. Wenn heute die Kommunikationsfunktion der öffentlichen Straßen zunehmend durch weitere Foren wie Einkaufszentren oder sonstige Begegnungsstätten ergänzt werde, kann die Versammlungsfreiheit für die Verkehrsflächen solcher Einrichtungen nicht ausgenommen werden, soweit eine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht oder Private im Wege der mittelbaren Drittwirkung in Anspruch genommen werden können. Dies gelte unabhängig davon, ob die Flächen sich in eigenen Anlagen befinden oder in Verbindung mit Infrastruktureinrichtungen stehen, überdacht oder im Freien angesiedelt sind.

Richter Schluckebier widerspricht diesem ihm zu weitgehenden Urteil und argumentiert, dass die Ausweitung des Schutzbereich nicht nötig sei. Es bestehe kein Anlass zu befürchten, dass die Kommunikationsfunktion der herkömmlich im Allgemeingebrauch befindlichen öffentlichen Straßenräume durch die Schaffung „öffentlicher Foren“ im Sinne der Urteilsgründe ausgehöhlt oder gar systematisch zurückgeführt werde. Die Urteilsgründe befördere zudem ein Verständnis, das die Einbeziehung auch ausschließlich privat getragener Foren in den von der Senatsmehrheit ausgedehnten Schutzbereich der Versammlungsfreiheit nahe lege. Damit würde die Kollisionslage zwischen Eigentums- und Versammlungsgrundrecht von vornherein auf der Schutzbereichsebene zugunsten des Art. 8 GG vorentschieden.

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Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 24. Februar 2011 um 13:47 Uhr von Dominik Steiger veröffentlicht und wurde unter Allgemein abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf Ihrer Seite einrichten.

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