Die internationale Begleitung des kolumbianischen Friedensprozesses: Akteursgeflechte in Zeiten politischer Umbrüche

Von: Johanna Kleffmann (Masterstudiengang Politikwissenschaften, 2. Semester)

Eine internationale Begleitung hat sich insbesondere für die erste volatile Phase nach dem Abschluss von Friedensabkommen als entscheidender Faktor für dauerhaften Frieden herausgestellt (DIE 2014; Westendorf 2015: 11) und gewinnt insbesondere dort an Bedeutung, wo der innenpolitische Rückhalt weiterhin fragil ist. Immerhin scheitern rund 50% der Friedensprozesse weltweit noch nach Abschluss des Abkommens (El Tiempo 2017b).

Seit Dezember 2016 läuft die Umsetzung des kolumbianischen Friedensabkommens. Der Tenor scheint ein international deutlicher Zuspruch zum Abkommen zu sein. Bei genauerem Hinsehen sind jedoch zahlreiche politische Umbrüche weltweit für Verschiebungen in der Konstellation der unterstützenden Länder zu beobachten. Die langjährigen Begleiter und Befürworter des Friedensprozesses – Kuba, Venezuela und die USA – scheinen just in der Umsetzungsphase an Bedeutung zu verlieren. Kuba mangelt es seit Castros Tod an einem charismatischen Unterstützer und Protagonisten. Venezuela ist vor dem Hintergrund des „Castro-Chavismus-Diskurses“ der kolumbianischen Opposition (Centro Democratico 2016) zum zusehends komplizierten Partner geworden. Die USA ist seit dem Amtsantritt Trumps außenpolitisch unberechenbarer geworden (Lafuente/Marcos 2016). Derzeitige Analysen vermuten einen alsbald steigenden Druck auf Kolumbien bezüglich der Bekämpfung des illegalen Drogenanbaus und -handels (Gómez Maseri 2017b). Mit einer Bedeutungsabnahme der traditionellen Begleiter des Prozesses treten neue Akteure – aktuell Frankreich und Deutschland – auf die Bildfläche.

Während Norwegen als Garant und Chile als Begleiter im Prozess bisher als diskrete Unterstützer auftraten (Semana 2015), ist die Rolle der USA und Venezuelas weitaus komplexer. Präsident Santos muss in diesem Spannungsfeld Fingerspitzengefühl für diplomatische Beziehungen und die Beschwichtigung innenpolitischer Lager beweisen.

Das Engagement der USA mit ihrem Sondergesandten Aronson (Ebd. 2015) und Venezuelas als Begleiter fußt nicht zuletzt auf einem genuinen Eigeninteresse dieser Länder am Frieden in Kolumbien. Beide Länder haben die Konsequenzen des Konflikts mittragen müssen. In Venezuela ist dies maßgeblich die Eindämmung des illegalen Personen- und Güterverkehrs an der nahezu unkontrollierbaren Grenze (bewaffnete Gruppen/Drogen- und Waffenhandel). Auch wenn Venezuela der FARC stets ideologisch nahestand und zuweilen ein Rückzugsort für die Rebellen war (InsightCrime 2015), so akkumulierten sich doch die damit verbundenen Kosten. Die Grenzregion zählt zu den wichtigsten Kokaanbaugebieten Kolumbiens. Der Anbau hat sich aufgrund der Eradikationspolitik weit in das Nachbarland ausgedehnt (Jäger 2007: 244-245). Zudem nimmt Venezuela seit vielen Jahren Flüchtlinge im Land auf (Amerika 21 2017b). Zusammen mit sporadischen Grenzschließungen durch Maduro (Foreign Policy 2016) wurden die Beziehungen der beiden Länder zunehmend spannungsreich. In dieses Problemgefüge spielt die kolumbianische Opposition, das Centro Democrático um Ex-Präsident Álvaro Uribe, als Gegner des Abkommens hinein. Uribe nannte die Zugeständnisse den FARC gegenüber wiederholt eine Auslieferung Kolumbiens an den „Castro-Chavismus“ (Centro Democratico 2016). Vor allem deswegen ist Venezuela im Friedensprozess sukzessive in den Hintergrund gerückt. Denn Santos muss die innenpolitischen Wogen glätten und die Stimmungsmache seitens Uribes in einem für den Prozess verträglichen Rahmen halten.

Das Verhältnis der USA zum kolumbianischen Konflikt könnte sich bald verändern. Zum einen bekämpfen die USA die Zellen süd- und mittelamerikanischer Drogenkartelle und den Konsum im eigenen Land. Dabei ist Kolumbien einer der strategisch wichtigsten Partner (Ayuso/Lafuente 2016). In Trumps erstem Telefongespräch mit Santos bekundete er sein Interesse an einer Fortführung der bilateralen Zusammenarbeit (El Nuevo Herald 2017). Zu Obamas Amtszeit hatte Santos die Rolle der USA und des Plan Colombia im Friedensprozess bekräftigt. Obama hatte 2016 den neuen Plan „Paz Colombia“ über 450 Mio. Dollar zugesagt (Ayuso/Lafuente 2016) – ein Versprechen, das dem neuen Außenminister Rex Tillerson zufolge eine Revision erfahren soll (Gómez Maseri 2017a). Obama war zwar nicht der aktivste Unterstützer des Prozesses, hieß aber Santos Politik für gut und erachtete eine Neuausrichtung der Drogenpolitik für sinnvoll (Pratt 2016). Mit Trump stehen die Zeichen für solch einen Wandel deutlich schlechter.

Um Uribes Seitenhiebe zu kompensieren, muss sich Präsident Santos einmal mehr der externen Unterstützung des Friedensprozesses sicher sein – eine Herausforderung bei der die USA und Venezuela künftig unverlässlichere Partner sein könnten. Eine Verunsicherung über die Außenpolitik Trumps hat aber auch Europa erreicht. Dies plausibilisiert die kürzlich von Frankreich und Deutschland angekündigte Unterstützung.

Die Beweggründe beider Länder gehen jedoch über das Streben nach einer Stabilisierung in Kolumbien hinaus. Die nun erwartete Verbesserung der öffentlichen Sicherheit im Land wird auch das Investitionsklima in den kommenden Jahren verbessern. Schon jetzt ist Deutschland viertgrößter Importeur Kolumbiens und achtgrößter Exporteur, v.a. von Agrarprodukten und Rohstoffen (ZEIT 2016), für welche die Sicherheit im konfliktgebeutelten ländlichen Raum essentiell ist. Dafür ist ein erfolgreiches Monitoring des Friedensprozesses unabkömmlich. Das Abkommen stellt folglich eine critical juncture in den Außenwirtschaftsbeziehungen Kolumbiens dar und vermag getätigte Investitionen in der Entwicklungszusammenarbeit Früchte tragen lassen (KfW 2017). Seinerzeit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte Kolumbien 2016 400 Mio. € für die Postkonflikt-Phase zu (ZEIT 2016). Nicht zuletzt deshalb vereint Frankreich und Deutschland das Interesse an einem künftig größeren Einfluss in Kolumbien. Bei dem Besuch des damaligen Außenministers Steinmeier am 13.01.2017 schwang zudem ein Hauch von Profilierungsstrategie mit. Steinmeier, der ewig verhandlungsstarke Diplomat und Kriesenmanager witterte zu seinem Amtsende in Bogotá die Gelegenheit, sich ein letztes Mal als solcher zu präsentieren. Ein Besuch, der sich, diplomatisch wenig kontrovers, dafür öffentlichkeitswirksam, bereits perfekt in das Profil seines Folgeamtes einfügte. Hollande hingegen, bald scheidender und zweifelsohne einer der unbeliebtesten französischen Präsidenten (Demesmay 2016: 13), kann auch ein Händeschütteln in der Casa de Nariño nicht mehr zu einem glänzenden Abschluss verhelfen. Vielmehr galt es, die wirtschaftlichen Beziehungen zu betonen. Er erinnerte an die 230 französischen Unternehmen mit ca. 100.000 Arbeitsplätzen in Kolumbien (Sánchez 2017).

Schlussfolgerungen & Ausblick

Während Präsident Santos im Lichte der Wahlen 2018 weiterhin mit einer tief gespaltenen Gesellschaft und einer unversöhnlichen Opposition im Land kämpft (Kurtenbach/Lutscher 2015: 3), stellt sich die Frage nach externen Befürwortern des Abkommens. Die traditionellen Unterstützer (USA, Kuba und Venezuela) verlieren an Bedeutung. Frankreich und Deutschland als mögliche Partner wissen ihre Hilfe auch mit ihren Eigeninteressen zu verknüpfen.

Sollte die USA zwar ihre Unterstützung per se nicht zurückziehen, so ist doch eine Reduzierung der Finanzhilfen wahrscheinlich, bedenkt man den Fokus Trumps auf (kostenintensive) Vorhaben im Inneren (Gómez Maseri 2017a). Angesichts der Äußerungen Tillersons wird die Unterstützung vermutlich an die Bedingung geknüpft, in absehbarer Zeit eine erhebliche Reduzierung des Drogenanbaus zu erzielen. Auch wenn Trumps erste Dekrete zur Drogenpolitik sparsam an Substanz waren (Bargent 2017b), ist einer Verstärkung des mano dura-Ansatzes doch wahrscheinlich (Washington Post 2017; Gómez Maseri 2017b). Zwei Gründe sprechen dafür: Der traditionell den Republikanern nahestehende Gegenpart ist das Centro Democratico bzw. Uribe, welche eine mano dura-Strategie bevorzugen. Zum anderen hat die hinter Trump stehende Waffenindustrie ein starkes Interesse daran, die bisherige waffenintensive Eindämmungspolitik (vgl. Miroff 2016) gegenüber den Kartellen aufrechtzuerhalten.

Frankreich und Deutschland haben im Lichte der Trump‘schen außenpolitischen Neuausrichtung Hilfe zugesagt und eine Änderung dieser Entscheidung ist auch nach dem Wahljahr in beiden Ländern zunächst nicht zu erwarten. Allerdings haben beide Länder per se ein geringeres Eigeninteresse an der Beseitigung der Drogenökonomie, als die USA oder Venezuela. Sie haben Kolumbien deshalb ihre Unterstützung vorsichtig signalisiert, nicht ohne dabei auch ihre Eigeninteressen artikuliert zu haben.