Drogenhandel und -bekämpfung in Kolumbien

Von: Rabea Kaas (Masterstudiengang Interdisziplinäre Lateinamerikastudien, 4. Semester)

Kolumbien zählt zu den Ländern mit der größten Kokainproduktion weltweit. Seit den 1970er Jahren fördert der Handel mit illegalen Substanzen Gewalt und Korruption im ganzen Land. Der Zeitraum von Ende der 1970er bis Anfang der 1990er Jahre wird als erste Generation des Drogenhandels bezeichnet, als die großen Kartelle Kolumbiens den globalen Kokain-Markt dominierten. Der Tod Pablo Escobars im Jahr 1993 und das damit einhergehende Ende des Medellín-Kartells wirkte sich jedoch keineswegs negativ auf den Kokainhandel aus. Denn das bis dahin wichtigste Kartell operierte in kleineren Strukturen weiter oder wurde vom Cali-Kartell und später vom Kartell des Norte del Valle abgelöst. Bei diesen drei größten Kartellen der Geschichte Kolumbiens kam es nach deren Zerschlagung stets zu einer Fragmentierung in kleinere Organisationen, die schwieriger zu verfolgen waren. Aktuell übernahmen vor allem mexikanische Kartelle den US-amerikanischen Markt, während sich kolumbianische Händler vermehrt auf das eigene Land konzentrieren. Die FARC-EP werden seit Mitte der 1980er Jahre mit dem Drogenhandel in Verbindung gebracht. Zunächst erhoben sie eine Art Tribut auf jedes Kilo Kokain, das die von ihnen kontrollierten Gebiete verließ, und boten dafür Schutz. Nach und nach betrieben die FARC selbst die Produktion und kontrollierten den Handel, so dass sie zu einem der wichtigsten Akteure des kolumbianischen Drogengeschäfts wurden (Centro Nacional de Memoria Histórica 2015:52).

Ein jahrzehntelanger Kampf gegen die Drogenproblematik seitens der kolumbianischen Regierung und der USA gilt als gescheitert. 1999 wurde der Plan Colombia ins Leben gerufen, der mit Hilfe finanzieller und politischer Unterstützung der USA den Drogenhandel eindämmen sollte. Die Regierungen setzten dabei auf eine repressive Drogenbekämpfung und law enforcement. Während der Laufzeit dieses Plans unterschied der kolumbianische Staat nicht mehr zwischen Guerilla und Drogenhandel und missachtete damit den politischen Charakter der FARC-EP. Somit war eine Auslieferung von Guerillaführern an die USA möglich, obwohl die kolumbianische Verfassung das Richten über politische Verbrechen durch andere Nationen verbietet (Centro Nacional de Memoria Histórica 2015:54). Der Plan Colombia verdeutlicht den starken Einfluss der USA auf Kolumbien, sowie eine Überschneidung von Anti-Drogenkrieg und Counterinsurgency im Land. Seit 2012 engagiert sich die kolumbianische Regierung auf internationaler Ebene für eine Neuausrichtung der Drogenpolitik. Kolumbiens Hauptanliegen ist es, von der bisherigen, repressiv ausgerichteten Drogenbekämpfungspolitik abzurücken und die öffentliche Gesundheit in den Mittelpunkt zu stellen. Die gegenwärtige Regierung versucht Unterstützung für diese Position auf internationaler Ebene zu finden und greift folgende Punkte verstärkt auf: a) Zugang zu kontrollierten Substanzen zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken, b) Entkriminalisierung des Drogenbesitzes sowie Investition in präventive Maßnahmen, c) Stärkung alternativer Entwicklung, d) Unterstützung des ethnischen und kulturellen Koka-Konsums indigener Bevölkerungen und d) Abschaffung der Todesstrafe für Drogendelikte.

Seit der Einsatz des umstrittenen Pestizids Glyphosat, mit welchem illegale Pflanzungen aus der Luft vernichtet wurden, im Oktober 2015 verboten wurde, kam es zu einer drastischen Ausweitung der Anbaufläche von Kokapflanzen. Während diese im Jahr 2015 nach offiziellen Angaben bei 69.000 Hektar lag, wird sie aktuell auf zwischen 150.000 und 200.000 Hektar geschätzt. Hauptanbaugebiete sind die sieben Departamentos Nariño, Putumayo, Norte de Santander, Guaviare, Meta, Caquetá und Antioquia. In diesen befinden sich 75 Prozent der Koka-Anbaufläche.

In den vergangenen Jahren ließ sich auch hinsichtlich des Drogenkonsums eine alarmierende Entwicklung feststellen: Bis Anfang der 2000er Jahre galt Kolumbien als Drogenexporteur, in den letzten Jahren ist ein deutlicher Trend zum eigenen Konsum erkennbar.

Trotz steigender nationaler Konsumzahlen wird der Großteil des produzierten Kokains nach wie vor exportiert. Die Hauptabnehmer sind die USA und Europa. In die USA wird vor allem über Zentralamerika und die Karibik geschmuggelt. Nach Europa führt die wichtigste Schmuggelroute direkt nach Spanien. Der Transport erfolgt dabei sowohl in kleinen Mengen durch sog. Mulas (Körper- und Kofferschmuggler in Flugzeugen und Kreuzfahrtschiffen), als auch in großen Mengen (Container, Schnellboote, U-Boote). Synthetische Drogen wie Amphetamine und Methamphetamine werden vor allem aus Europa importiert und weniger im Land selbst hergestellt.

Der Handel mit illegalen Drogen hat direkten Einfluss auf das politische, wirtschaftliche und soziale Leben des Landes und ist ein wichtiger Bestandteil des bewaffneten Konflikts. Die Hauptakteure sind die nach der Demobilisierung der paramilitärischen Organisation Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) aufkommenden Bandas Criminales Emergentes (BACRIM), sowie die Guerrillaorganisationen FARC-EP und das Ejército de Liberación Nacional (ELN). Die derzeit größten BACRIM sind der Clan del Golfo (vorher: Clan Úsuga) und Los Rastrojos. FARC und ELN kontrollieren große Teile des Anbaus von Koka, über 60 Prozent der Anbauflächen werden ihnen zugerechnet. Jedoch ist vor allem der Clan del Golfo auf dem Vormarsch, den Drogenhandel in weiten Gebieten zu kontrollieren. Das Drogengeschäft bildet eine wichtige -wenn nicht die wichtigste- Einnahmequelle für Guerillaorganisationen, paramilitärische Gruppen und die organisierte Kriminalität.