Big Money – was tun gegen die Übermacht der Drogen?

Internationales Engagement zur Lösung der Drogenproblematik in Kolumbien – ein Interview mit GIZ-Mitarbeiter Daniel Brombacher

 

Von: Diana Figueroa, Jonas Freist-Held, Annika Göbel und Luuc Ritmeester (Masterstudiengang Interdisziplinäre Lateinamerikastudien)

 

Im Rahmen der Friedensverhandlungen und des Transitional Justice Prozesses in Kolumbien ist die Bedeutung internationaler Akteure nicht zu unterschätzen. Nicht immer auf den ersten Blick sichtbar, spielen sie oft eine zentrale Rolle. So begleiteten beispielsweise norwegische und venezolanische Berater*innen die Verhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung um Santos und den Mitgliedern der FARC in Havanna, Kuba, oder Entsandte der Vereinten Nationen überwachten die Wahlkommissionen im Zuge der Volksabstimmung zum Friedensvertrag.

Eine Priorität: die Lösung der Drogenproblematik im kolumbianischen Friedensvertrag

Auch im Kontext des vierten Punkts im kolumbianischen Friedensvertrag zur Lösung der Drogenproblematik (Solución al Problema de las Drogas Ilícitas) unterstützen internationale Organisationen den Kampf gegen die Drogen und den Ausbau des Friedens in Kolumbien. So berät die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag der deutschen Bundesregierung im Rahmen der Globalen Partnerschaft für Drogenpolitik und Entwicklung (GPDE) kolumbianische Akteure zu Präventionsstrategien und versucht wirtschaftliche Alternativen für ins Drogengeschäft involvierte Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zu schaffen. Durch den illegalen Handel von Drogen finanzierte auch die FARC über Jahre hinweg ihren Kampf gegen die kolumbianische Regierung und private Paramilizen. Einen Großteil ihrer Einnahmen gewann die ehemalige Guerillaorganisation durch die Besteuerung der Erträge der Kokabäuerinnen und -bauern, durch die Kontrolle der Schmuggelwege und der Gebiete, in denen Koka angebaut wurde, sowie durch eigene Drogengeschäfte. Der Lösung der Drogenproblematik kommt eine besondere Bedeutung im Friedensabkommen zu, das drei zentrale Handlungsfelder definiert:

  • Alternativen zum Drogenanbau für die lokale Bevölkerung
  • Präventionsmaßnahmen gegen den Konsum
  • Kampf gegen die Produktion und den Handel von Drogen.

Trotz Friedensabkommen: Der Drogenanbau nimmt rasant zu

Doch Drogenanbau und -handel können aufgrund internationaler Handels- und Konsumnetzwerke nicht auf nationaler Ebene allein gelöst werden. Laut dem Jahresbericht 2017 des United Nations Office on Drugs and Crime (UNOCD) wurden 2015 ca. neunzig Prozent des Kokains aus Kolumbien in die USA geliefert. Somit stehen Erzeuger- und Verbraucherländer gemeinsam in der Pflicht, sich an der Lösung der Problematik zu beteiligen. Allerdings zeigt das bisherige Engagement der kolumbianischen und internationalen Regierungen zur Bekämpfung des Koka-Anbaus nicht die erhofften Ergebnisse. Wie der UNODC Jahresbericht belegt, haben sich die Anbauflächen für Koka seit Unterzeichnung des Friedensvertrags im November 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 52 Prozent vergrößert. Im Vergleich zu 2012 hat sich die Anbaufläche sogar verdreifacht.

 Alternativen zum Milliardengeschäft finden

Eine zentrale Komponente der im Rahmen des Transitional Justice Prozesses anvisierten Anti-Drogen-Strategie ist ein breit angelegtes Substitutionsprogramm für illegale Nutzpflanzen, um den Aufbau legaler Wirtschaftstätigkeiten in ländlichen Regionen zu fördern. Die Zielgruppe ist enorm. Einem Bericht der Konrad-Adenauer-Stiftung zufolge, arbeiten mehr als 62.000 Bauernfamilien und etwa 300.000 Menschen permanent im Drogengeschäft. 55 Prozent von ihnen geben wirtschaftliche Gründe an, während 28 Prozent gewaltsame Unterdrückung als Grund angeben. Die Lösung der Drogenproblematik wird daher als eine zentrale Herausforderung angesehen, um gegen Kriminalität und Gewalt in Kolumbien vorzugehen und Menschen in ländlichen Regionen aus ihrem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber Drogenkartellen zu befreien.

Internationale Akteure in der Pflicht

Solange der Konsum von Drogen wie Kokain in den USA, Europa, aber auch in wachsenden Absatzmärkten in Asien, Ozeanien und in Lateinamerika selbst Milliarden umsetzt, kann die kolumbianische Regierung alleine wenig aussetzen. Programme, wie das von der GIZ geleitete GPDE, versuchen durch eine globale Vernetzung relevanter Akteure wie der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Regierungen der Produzentenländer wie Kolumbien, die Bemühungen im Kampf gegen Drogen auf internationale Ebene zu bündeln und zu harmonisieren. Neben der Beratung der Regierung in Bezug auf die nationale drogenpolitische Strategie und der Koordination mit internationalen Akteuren und Aktionsplänen, verfolgt die GPDE vor allem den Ansatz der alternativen Entwicklung. Er zielt darauf ab, wirtschaftliche Alternativen zum Anbau von Drogenpflanzen wie Koka zu schaffen, die den Lebensunterhalt von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern nachhaltig sichern – und steht damit in Einklang mit den Zielen des Friedensvertrags.

Kann das in Kolumbien im Angesicht derzeit gegensätzlicher Trends gelingen? Welchen Einfluss können internationale Akteure überhaupt auf den Friedensprozess in Kolumbien nehmen? Wir haben nachgefragt bei Daniel Brombacher von der GIZ, Leiter der Globalen Partnerschaft für Drogenpolitik und Entwicklung (GPDE). Auf unsere vorab kommunizierten Interviewfragen erhielten wir am 5. Februar 2018 die folgenden schriftlichen Antworten.

Herr Brombacher, Kolumbien ist weltweit der Hauptexporteur für Kokain und damit ein Land, um das man beim Thema Drogenpolitik nicht herumkommt. In welchen Bereichen arbeiten Sie mit der kolumbianischen Regierung zum Thema Drogenpolitik und Entwicklung zusammen?

Das Vorhaben Global Partnership on Drug Policies and Development (GPDPD) der GIZ GmbH wird im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und unter politischer Schirmherrschaft der Drogenbeauftragten der Bundesregierung umgesetzt.

Einerseits setzt sich das Vorhaben auf Ebene der Vereinten Nationen für eine Stärkung von entwicklungs- und gesundheitspolitischen Ansätzen im Umgang mit der globalen Drogenproblematik ein. Auf dieser Ebene ist die kolumbianische Regierung ein wichtiger Partner, mit dem gemeinsame Verhandlungspositionen im Rahmen der VN identifiziert und eingebracht werden.

Andererseits berät das Vorhaben gemeinsam mit dem Vorhaben REDD+ auf bilateraler Ebene das kolumbianische Umweltministerium zu einer Reduzierung der Entwaldung durch illegalen Kokaanbau. Kokaanbau ist einer der wichtigsten Treiber für Entwaldung in Kolumbien. Der Ansatz einer Kombination von Umwelt/Klima- und Drogenpolitik ist international einzigartig. Darüber hinaus werden durch die GIZ sowie in deren Auftrag durch das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) Pilotmaßnahmen zur Förderung von nachhaltigen Alternativen zum illegalem Kokaanbau und Konservierung von Wald in insgesamt vier Regionen im Amazonasgebiet umgesetzt.

In Artikel vier des im November 2016 unterzeichneten Friedenvertrags zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC, steht die Lösung des Drogenproblems durch die enge Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften im Mittelpunkt. Welchen Einfluss hat das Friedensabkommen auf Ihre Arbeit?

Das Friedensabkommen stellt einen generellen Bezugsrahmen für die Arbeit der o.g. GIZ-Vorhaben dar. Die Drogenproblematik ist eine der zentralen Herausforderungen für die Umsetzung des Friedensabkommens. Die GIZ unterstützt die kolumbianische Regierung in diesem Prozess im Auftrag des BMZ in mehreren Schwerpunkten.

In den letzten Jahren hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Während im Rahmen des Drogenkriegs jahrelang gewaltsam gegen Drogenkartelle und Anbauflächen vorgegangen wurde, ist nicht zuletzt durch die Beschlüsse der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zum Weltdrogenproblem (UNGASS) im Jahr 2016 der Ansatz der alternativen Entwicklung in den Fokus gerückt. Ebenjenen schreiben Sie sich selbst auf die Fahnen. Was hat es damit auf sich?

Der Begriff der alternativen Entwicklung bezeichnet die Förderung von legalen Einkommenssystemen in Drogenanbauregionen. Der Ansatz des BMZ zeichnet sich dadurch aus, dass illegale Drogenökonomien als Folge zugrundeliegender Entwicklungsdefizite verstanden werden. An diesen Entwicklungsdefiziten setzten die Maßnahmen der GIZ im Rahmen von (ländlichen) Entwicklungsmaßnahmen an. Als Ursachen von Drogenökonomien gelten etwa Armut, die Marginalisierung der betroffenen ländlichen Gebiete und der mangelnde Zugang zu legalen Absatzmärkten, der fehlende Zugang zu Landtiteln für Kleinbauern, andauernde bewaffnete Konflikte und die massive Präsenz organisierten Verbrechens. Im internationalen Vergleich sind diese Faktoren besonders häufig die Ursache für das Entstehen und Fortbestehen illegaler Drogenproduktion.

Sehen Sie im Friedensprozess eine besondere Chance, wirtschaftliche Alternativen zum Anbau von Drogenpflanzen zu schaffen, die den Lebensunterhalt von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern nachhaltig sichern?

Der Friedensprozess ermöglicht erstmals in Jahrzehnten den Zugang für staatliche und internationale Akteure sowie private Investoren in die marginalisierten Kokaanbauregionen, da sich die Sicherheitslage in vielen Regionen des Landes gebessert hat. Damit erhöhen sich grundsätzlich die Chancen für den Aufbau legaler Einkommenssysteme und Wertschöpfungsketten in den betroffenen Landesteilen.

Welche Gefahr sehen Sie, dass durch den kurzfristigen Anstieg der Drogenproduktion, solch langfristige Substitutionsprogramme durch politischen Druck wieder aufgegeben werden und wir eine Rückkehr zum einem gewaltvollen Ansatz erleben?

Mit einem Anstieg des illegalen Kokaanbaus war bereits im Vorfeld des Friedensabkommens weithin gerechnet worden. Die internationale Erfahrung zeigt, dass Drogenökonomien nur langfristig überkommen werden können. Die Förderung von legalen Alternativen zum Drogenanbau ist ein konstantes Element der kolumbianischen Drogenpolitik und im Rahmen des Friedensabkommens als zentrales Element vorgesehen.

In Ihrem Projekt betonen Sie die globale Dimension des Drogenproblems. In enger Zusammenarbeit mit nationalen Regierungen, der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen versuchen Sie, eine kohärente, globale Strategie zu entwickeln. Ist das eine Strategie, um auf internationaler Ebene Druck auf Staaten wie Kolumbien aufzubauen, um eingeschlagene Wege weiterzuverfolgen?

Das Vorhaben zielt im Auftrag des BMZ darauf, die Leitlinien und Normen der internationalen Drogenpolitik entwicklungs- und gesundheitsorientiert weiterzuentwickeln. Das UNGASS-Abschlussdokument ist ein positives Beispiel hierfür. Das BMZ hat sich gemeinsam mit Kolumbien erfolgreich für eine Stärkung der entwicklungspolitischen Elemente des internationalen Drogenkontrollregimes eingesetzt.

Wo sehen Sie dabei die Grenzen der Einflussmöglichkeiten internationaler Akteure auf alltägliche Entwicklungen?

Die internationale Drogenpolitik ist zwar stark multilateralisiert, souveräne Entscheidungen der VN-Mitgliedsstaaten sind davon allerdings unbetroffen. Dokumente wie das UNGASS-Abschlussdokument (2016) oder die VN-Leitlinien für Alternative Entwicklung (2013) sind politisch nicht bindend, sondern besitzen nur Orientierungscharakter.