Die Sozialistische Arbeiter-Jugend (SAJ) war von 1922 bis 1933 ein sozialistischer Jugendverband, der eng mit der SPD verbunden war. Sie richtete sich an Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren und verstand sich als Bildungs- und Erziehungsbewegung. Ihre Hauptaufgabe war es, die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Forderungen der Arbeiterjugend zu vertreten und ihre Mitglieder im Geiste des Sozialismus zu erziehen. Mit dem Niedergang der Weimarer Republik und der zunehmenden Macht der Nationalsozialisten endete die Ära der legalen demokratischen Jugendbewegung. Nachdem die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, wurden alle Arbeiterjugendorganisationen verboten, während viele bürgerliche Jugendverbände sich selbst auflösten oder durch die Nationalsozialisten „gleichgeschaltet“ wurden.“

Kürzlich wurde eine seltene Broschüre der SAJ aus dem Jahr 1924 aus dem Bestand der Alfred-Weiland-Sammlung der FU Berlin identifiziert, die einen Einblick in die internationalen Verbindungen und Zielsetzungen der sozialistischen Jugendorganisationen bietet. Die Publikation trägt den Titel „Die Internationale Sozialistische Jugendbewegung. Werdegang und Ziele der Sozialistischen Jugend-Internationale und der ihr angeschlossenen Verbände“. Das Exemplar weist einen Besitzstempel von Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ) Barth a. d. Ostsee sowie eine Katalogisierung Nr. 36 auf.

In Barth, einer Kleinstadt im Landkreis Vorpommern-Rügen in Mecklenburg-Vorpommern, war die SPD in der Zeit der Weimarer Republik relativ stark. Die Partei erzielte sowohl bei Reichstags- als auch bei Kommunalwahlen gute Ergebnisse, besonders in Arbeiterkreisen. Dies spiegelte sich auch in der Gründung der Barther Ortsgruppe der Sozialistischen Arbeiterjugend wider. Ihre Entstehung ist untrennbar mit dem Namen Max Niemann verbunden, der Anfang der 1930er Jahre dem lokalen Vorstand der SPD angehörte. Niemann war nach dem Ersten Weltkrieg verantwortlicher Geschäftsführer der lokalen Zeitung „Der Vorpommer“ und gründete die Barther Ortsgruppe der Sozialistischen Arbeiterjugend. Nach der Veröffentlichung eines kritischen Artikels über die zunehmenden nationalsozialistischen Aktivitäten kam es zu Angriffen auf die Barther Geschäftsstelle des Vorpommer. In der Folge wurde Max Niemann unter dem Vorwurf eines Boykottaufrufs gegen örtliche Geschäftsleute – in einem politisch motivierten Verfahren – verurteilt. Die Eskalation gipfelte im Verbot des Vorpommer am 28. Februar 1933. An seine Stelle trat kurz darauf die nationalsozialistisch ausgerichtete Zeitung Volkswillen.

Eine weitere Provenienz, der Bleistiftvermerk ‚15‘, belegt eine von den Nationalsozialisten veranlasste Beschlagnahme und die anschließende Überführung des Exemplars in die Bibliothek des Reichssicherheitshauptamts (RSHA). Die Nummer 15 verweist auf die Bergungsstelle für wissenschaftliche Bibliotheken (Kennziffer 015), die beschlagnahmte Bücher im Rahmen des NS-Literaturraubs sichtete und an Institutionen weitergab. Die Bibliothek befand sich in der Eisenacher Straße 11–13 in Berlin, einem beschlagnahmten früheren Logenhaus, das von der SS genutzt wurde.
Anfang Juni 2025 wurde das Exemplar mit drei weiteren Broschüren, die Provenienzen aus anderen Ortsgruppen der Sozialistischen Arbeiter-Jugend aufweisen, an die Friedrich-Ebert-Stiftung restituiert.
Quellen:
https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/248537
https://www.fes.de/archiv-der-sozialen-demokratie/artikelseite-adsd/gruendung-saj
Günther Gerstenberg, Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ), 1922-1933, publiziert am 13.07.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Sozialistische_Arbeiterjugend_(SAJ),_1922-1933
https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialistische_Arbeiter-Jugend
Mählmann, Stephanie Patrizia: Der Vorpommer – eine vergessene Zeitung. In: LandeBarth, Band 9. Rostock 2017, https://stadt-barth.de/barth-lexikon/detailansicht/der-vorpommer.html
https://www.bergungsstelle.de/bs/15-bibliothek-ss-reichssicherheitshauptsamt