Donna Haraway und die Grundlagen des Cyberfeminismus

Im Zentrum dieser Seminarstunde stand Haraways „Cyborg Manifesto“, das sowohl Kultstatus besitzt als auch die feministische Theorie maßgeblich beeinflusste. Am Beispiel der fortscheitenden Technologisierung beschreibt Haraway darin ihre Utopie einer postmodernen Gesellschaft und fordert das Aufbrechen gängiger Denkkategorien. Letztlich „[seien] Gender-, Rassen- oder Klassenbewusstsein Errungenschaften, die uns aufgrund der schrecklichen historischen Erfahrung der widersprüchlichen, gesellschaftlichen Wirklichkeiten von Patriarchat, Kolonialismus und Kapitalismus aufgezwungen wurden“ (Haraway 1995: 41). Diese Kategorien reproduzieren sich selbst und müssten durch das Verwischen von Grenzen relativiert werden.

Donna Haraway 2010 © jeanbaptisteparis (CC BY-SA 2.0) goo.gl/9bdvoU

Sie entwirft das Bild vom Menschen als Cyborg, ein von Kategorien losgelöstes Wesen, das eine Alternative zum  westlichen Denken in Dualismen repräsentiert. Besonders hebt sie hierbei den Genderaspekt vor: Ihr Ansicht nach gibt es keine  natürliche Gemeinsamkeit  zwischen Menschen einer  Geschlechterkategorie und somit  auch eine Grundlage für Gender als Identitätsmerkmal (vgl. Haraway 1995: 41). Dabei geht es  ihr weniger darum Geschlechterkategorien abzuschaffen, als sie vielmehr  irrelevant zu machen.

Sie begründet ihre Cyborg-Metapher, indem sie auf bereits verwischte Grenzen verweist. So habe sich die grundsätzliche Trennung von Mensch und Tier durch die Evolutionstheorie und moderne wissenschaftliche Erkenntnisse aufgelöst. Auch die Grenze zwischen dem Körper (Organismus) und die von ihm verwendeten Werkzeuge (Maschinen) verwische zunehmend, ebenso wie die Unterscheidung zwischen Physischem und Nicht-Physischem (vgl. Haraway 1995: 36-38). All das rechtfertige, den Menschen als Cyborg zu denken.

Offen bleibt wie genau sie diesen „ironische[n] Traum einer gemeinsamen
Sprache“ (Haraway 1995: 33) Realität werden lassen möchte. Trotzdem
(oder gerade deswegen) bietet dieser provokante Text bis heute Anlass zu
interessanten Debatten.

Ergebnis Gruppenarbeit 26.01. ©privat

Hier das Ergebnis der Gruppenarbeit zu den Fragen (im Uhrzeigersinn oben rechts beginnend): Wie begründet Haraway die Behauptung Menschen seien nun Cyborgs? Wie begründet Haraway den Satz „Eins ist zu wenig, zwei sind zu viel“? Warum nutzt Haraway den Cyborg als Metapher? Welche Kritik übt Haraway am Westen?

Zitiert nach:
Haraway, Donna (1995): Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs
und Frauen. Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag GmbH

Weiterführende Literatur:

Ashby, W. Ross (1974): Einführung in die Kybernetik. 1. Aufl. Frankfurt am
Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag.
Brigley, Zoë (2006): Replication, Regeneration or Organic Birth: The Clone
in Deryn Rees-Jones‘ Quiver and Donna Haraway’s ‚A Cyborg
Manifesto‘. In: Critical Survey, 18 (2), 16-30.

Karl Marx und die Entfremdung des Menschen

Karl Marx als Student 1836 – Public Domain, via Wikimedia Commons

Ein Beitrag von Moritz und Alex. (geändert am 21.12.2017)

Bevor Karl Marx 1867 sein Hauptwerk „Das Kapital“ veröffentlichte, befasste er sich mit weitaus philosophischeren, und weniger ökonomischen Themen. 1844, mit 26 Jahren, verfasste er u.a. die „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte“, die eigentlich überhaupt nicht zur Veröffentlichung gedacht waren und lediglich Skizzen waren, in denen Marx sich mit dem Arbeiter und dessen Entfremdung auseinandersetzt.

Im Laufe des Textes charakterisiert Marx vier Formen der Entfremdung des Menschen, die wir im Seminar bereits ausgiebig besprochen und diskutiert haben. Die vier Formen der Entfremdung sind die folgenden:

Die Entfremdung

  1.  des Menschen vom Produkt (der Mensch hat keinen Bezug mehr zum Produkt seiner Arbeit)
  2. des Menschen vom Prozess der Arbeit (die Arbeit stellt nicht mehr die Befriedigung eines Bedürfnisses dar, „Zwangsarbeit“)
  3. des Menschen von sich selbst (leitet sich aus den ersten beiden Punkten ab; die Entfremdung des Menschen von seiner Natur)
  4. des Menschen vom Menschen (Fremdentfremdung, welche sich wiederum aus der dritten Stufe ableitet)

Das Menschenbild

Worauf wir uns im Seminar leider weniger stark fokussieren konnten, war die Frage wie sich Marx‘ Menschenbild charakterisiert.
Marx ist der Ansicht, dass sich der Mensch in seiner Arbeit und dem von ihm geschaffenen Produkt verwirklicht und von Natur aus produktiv ist. Die Entscheidung zu arbeiten erfolgt dabei bewusst und aus freiem Willen heraus. Diese freie und selbstbestimmte Ziel- und Zwecksetzung der auszuführenden Tätigkeit ist es, die den Menschen vom Tier unterscheidet. Im Kapitalismus geht diese Natur des Menschen jedoch verloren, die Arbeit erfolgt lediglich um Bedürfnisse außerhalb der Arbeit zu befriedigen. Anstelle der erfüllenden und bereichernden Arbeit tritt „Zwangsarbeit“. Diese kapitalistische Denkweise ist Marx zufolge jedoch fatal, da das („Gattungs“)Wesen des Menschen unteilbar ist, der Mensch also nicht 6 Tage die Woche 14 Stunden arbeiten, und gleichzeitig am siebten Tag der Woche frei sein und sich z.B. politisch engagieren kann. Es gibt keine klare Trennung zwischen privatem und politischem Leben. Der Mensch ist zwar ein soziales Wesen, verwirklicht sich aber durch seine Arbeit. Dadurch wird er frei; sein Gattungsleben erfüllt sich.

Was ebenfalls wichtig ist und leicht übersehen werden kann, ist, dass sich auch der Nicht-Arbeiter, der Kapitalist, also der Fabrikbesitzer z.B., im Kapitalismus entfremdet. Durch die Abgabe der Arbeit an den Arbeiter findet ebenfalls eine Entfremdung von sich und dem Prozess der Arbeit statt. Der Kapitalist kann mit dieser Entfremdung jedoch weitaus besser leben, da seine Entfremdung in Reichtum resultiert, und nicht wie beim Arbeiter in Knechtschaft. Er lebt aber nicht im Einklang mit seiner menschlichen Natur und ist auch entfremdet und dementsprechend nicht frei.

Distanzierung von der Moderne

Bei Constant und Rousseau war die Freiheit in dem Verhältnis zwischen Staat und Individuum angesiedelt. Der liberale Constant setzt dem Souverän – also dem Staat – Grenzen und betont die Bedeutung der persönlichen Freiheit und der Bürgerrechte, die aber die politische Freiheit voraussetzen. Bei Marx geht es nicht mehr um dieses Verhältnis, sondern um das zwischen den zwei Klassen, der Bourgeoisie und dem Proletariat, und um die Folgen dieses System in Bezug auf der Natur und der Freiheit des Menschen. Die echte menschliche Freiheit befindet sich tatsächlich in der Erfüllung des oben genannten Gattungslebens. Diese Erfüllung verunmöglicht aber das kapitalistische Wirtschaftssystem, das eben auf Privateigentum und die von Constant verteidigten einhergehenden Bürgerrechte fußt. In dieser Denkweise unterscheidet sich Marx also drastisch von den Begründern der Moderne.

Marx sieht den Arbeiter zumindest theoretisch als enorm machtvolles Subjekt, das sich aus den Ketten des Kapitalismus durch Revolution selbst befreien kann. In dieser Schlussfolgerung können wir bereits direkte Kapitalismuskritik herauslesen. Kritik, die Karl Marx in seinen späteren Werken nur noch deutlicher äußert.

Weiterführende Literatur:

Barbara Zehnpfennig [Hrsg.] 2004: Ökonomisch-philosophische Manuskripte / Karl Marx. 1. Aufl., Hamburg : Meiner.

Michael Quante [Hrsg.] 2009: Karl Marx. Ökonomisch-Philosophische Manuskripte. Kommentar von Michael Quante. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M..

Nikolai I. Lapin 1974: Der junge Marx. Dietz Verlag, Berlin 1974

Filmkritik zu „Der junge Marx“ bei TitelThesenTempramente