Übersetzungskurs als sprachpraktische Übung – Kursplan

Im Folgenden stelle ich nur kurz meinen ersten Entwurf für die Planung der Live-Sessions und Aufgaben über das Semester vor; es ist letztlich aktuell nur einfacher Ablaufplan.

„Online“ ist keine Maske

Vorweg sei gesagt, dass ich der Meinung bin, dass es bei der Umsetzung von Lehre und Lernen in den virtuellen Raum momentan nicht darum gehen kann, online das zu imitieren, was sonst in einer Präsenzsitzung in Lehrräumen eines Hochschulgebäudes passiert. Ich verstehe „online“ nicht als Maske, die einfach auf das Gesicht eines Kurses gelegt wird und alles läuft sonst weiter wie gewohnt, also etwa in den üblichen 14 Sessions eines Sommersemesters. Von den Lernzielen der jeweiligen Kurse (und Module) ausgehend sind die Lehr- und Lernformen sowie die Formen der aktiven Teilnahme neu zu denken.

Kursmaterial und Aufgaben habe ich in meinen Kursen bisher immer über Blackboard zur Verfügung gestellt; auch die Kurskommunikation funktionierte stets darüber. Was jedoch eher im Präsenzunterricht stattfand, war das Präsentieren von Inhalten, Gruppenarbeit, Diskussionsrunden, Feedback zum Lernprozess, und so weiter. Eben für diese Aktivitäten galt es für mich zu reflektieren, welche Ziele ich damit überhaupt verfolge und wie sie im Verhältnis zu den Gesamtlernzielen stehen.

Wofür wird Unterrichtszeit überhaupt aufgewendet?

Ein Übersetzungskurs lief bei mir bisher so ab, dass die Studierenden zunächst bis zu einem Datum x Übersetzungen einzureichen hatten. Anschließend habe ich die Übersetzungen anonymisiert zusammengestellt oder interessante Varianten herausgegriffen, die dann in der folgenden Sitzung diskutiert wurden. Alternativ habe ich die anonymisierten Übersetzungen am Anfang einer Sitzung verteilt, sodass die Studierenden sich einmal eine andere Übersetzung anschauen konnte. Meiner Erfahrung nach fällt es Studierenden durchaus leichter, wenn sie nicht unbedingt von vornherein ihre eigene Übersetzung vortragen müssen. Oft genug kamen sie während des Vortragens der Fremdübersetzung schon zu Erkenntnissen hinsichtlich ihrer eigenen Übersetzung und brachten diese dann auch in die Diskussion ein.

(Das „Einschmuggeln“ von meinen eigenen Übersetzungen oder aber von bereits veröffentlichten Übersetzungen führte zu spannenden Beobachtungen; etwa einerseits, dass die Übersetzungen der Studierenden sprachlich so exzellent waren, dass sie solche von professionellen Übersetzern übertrafen; oder andererseits, dass das Diskutieren anonymisierter Übersetzungen generell die Hemmschwelle absenkt, sich konstruktiv-kritisch zu einer Übersetzung zu äußern, egal, wer der Urheber ist. Dazu an in einem späteren Beitrag mehr.)

Bei der Diskussion im Unterricht ging es vor allem um Fragen zu Übersetzungsvarianten, komplexe Phänomene der Grammatik, Beschreibungsmöglichkeiten für den Übersetzungsvergleich, Maßstäbe zur qualitativen Beurteilung von Übersetzungen sowie das kritische Hinterfragen solcher Beurteilungen. Dementsprechend diente diese Form der aktiven Teilnahme dazu, Argumentations- und Reflexionskompetenz zu entwickeln: Die Studierenden beschäftigen sich mit einer fremden Übersetzungen, vergleichen diese mit ihrer eigenen, äußern sich in mündlichen Redebeiträgen zu gezielten Fragen der Grammatik oder Varianz, und sie argumentieren mittels eines Begriffsrepertoires  der Translationswissenschaft und der Literaturkritik für oder wider bestimmte Übersetzungsentscheidungen.

Diskussionsforum und monatliche Live-Sessions

Für meinen Kurs Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische gilt es nun,  diese Argumentations- und Reflexionskompetenz anders zu ermöglichen als über in-class discussions. Als virtuellen Raum nutze ich dafür eine Komponente in Blackboard, die es erlaubt, ein Diskussionsforum zu erstellen. In diesem sollen Studierende schriftlich die Übersetzungen kommentieren und diskutieren. In monatlichen Live-Sessions, für die ich zunächst 60 Minuten angesetzt habe, sollen die Kommentare aus dem Forum aufgegriffen und noch einmal mündlich reflektiert werden.

Mein Semesterplan für diesen Kurs gestaltet sich dementsprechend:

  • 21.4.2020 – 1. Live-Session: Einführung, 1. Textauswahl (je ein Text Arabisch-Deutsch/Englisch und Deutsch/Englisch-Arabisch)
  • bis 28.4.2020 – Deadline zur Einreichung der 1. Übersetzungsaufgabe
  • bis 5.5.2020 – Diskussion im Forum: bestenfalls kommentiert jeder jede Übersetzung!
  • 12.5.2020 – 2. Live-Session: Zusammenfassung der Forumsdiskussion, 2. Textauswahl, 1. Evaluation des Prozederes
  • bis 19.5.2020 – Deadline zur Einreichung der 2. Übersetzungsaufgabe
  • bis 26.5.2020 – Diskussion im Forum: bestenfalls kommentiert jeder jede Übersetzung!
  • 2.6.2020 – 3. Live-Session: Zusammenfassung der Forumsdiskussion, 3. Textauswahl
  • bis 9.6.2020 – Deadline zur Einreichung der 3. Übersetzungsaufgabe
  • bis 16.6.2020 – Diskussion im Forum: bestenfalls kommentiert jeder jede Übersetzung!
  • 23.6.2020 – 4. Live-session: Zusammenfassung der Forumsdiskussion, 2. Evaluation des Prozedere; Hinweise zur mündlichen Prüfung (6 Texte, je 3 pro Richtung)
  • bis 14.7.2020 eigenständige Übersetzung der Texte mit eigenständiger Diskussion im Forum
  • 14.7.2020 mündliche Prüfung/Fachgespräch*: Übersetzen von 2 zufällig ausgewählten Texten (je einer pro Richtung), Gespräch über die Übersetzung, Gespräch über Methoden des Übersetzens allgemein.

*Wie bereits im vorherigen Beitrag angedeutet, ist aktuell noch nicht klar, ob und – wenn ja – wie mündliche Prüfungen/Fachgespräche im Sommersemester 2020 absolviert werden können. Meines Erachtens nach ließe sich die Prüfung, wie ich sie fürs Erste erdacht habe, auch remote umsetzen; sobald Informationen zu diesem Thema vorliegen, werde ich die Prüfungsleistung entsprechend anpassen und die Vorbereitung dazu gezielt in die Live-Sessions einbauen.

Punktuelles synchrones Lernen

Wie der Semesterplan zeigt, streue ich regelmäßig Live-Sessions in die sonst ausschließlich asynchron stattfindende Lernsituation ein. Die Studierenden können innerhalb der Woche die Aufgabe (Übersetzung, Kommentar) in ihrem eigenen Tempo und zu einem selbstgewählten Zeitpunkt erledigen. Der Lernerfolg wird dadurch abgefragt, dass die Übersetzungen jeweils zu einem bestimmten Datum eingereicht sein müssen, denn sie bilden die Grundlage für die Aufgabe der jeweils nächsten Woche, das Kommentieren im Forum. Die Forumsaktivität wiederum bildet die Basis für die Diskussion in den Live-Sessions. In diesem Sinne sind asynchrones und synchrones Lernen in diesem Kurs verwobene Interaktionen.

So viel zunächst zur Planung meiner sprachpraktischen Übung Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische.

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