Übersetzungskurs als sprachpraktische Übung – erste Ideen

Bevor ich noch eine Ermunterung zum Austausch verfasse, wozu sich die Kommentarfunktion eines solchen Blogs natürlich wunderbar eignet, möchte ich einige erste Ideen für die Online-Umsetzung einer sprachpraktischen Übung vorstellen.

Es geht um folgenden Kurs:

  • Kurstitel: Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische
  • Lehr- und Lernform: sprachpraktische Übung
  • zugehörig zum Modul: erweiterte und angewandte Sprachkompetenz Arabisch
  • Studiengang: MA Arabistik
  • Fachsemester: 2

Backward design

Es ist ganz wahr, was die Philosophie sagt, daß das Leben rückwärts verstanden werden muß. Aber darüber vergißt man den andern Satz, daß vorwärts gelebt werden muß.

∼ Søren Kierkegaard , aus den Tagebüchern

Fast in diesem Sinne versuche ich in der Entwurfsphase meine Kurse zuerst ‚von hinten‘ zu verstehen, das heißt von den Kurszielen her, bevor ich meinen Semesterplan gestalte. Dieser Ansatz ist natürlich weder neu noch stammt er von mir; 1998 haben Grant Wiggins und Jay McTighe in Understanding by Design skizziert, wie man „backward design“ einsetzen kann, um sicherzustellen, dass alle verschiedenen Elemente eines Kurses aufeinander abgestimmt sind. Man arbeitet sich also von hinten nach vorne durch, definiert zuerst messbare Ziele, entwickelt anschließend Aufgaben, anhand derer man beurteilt, ob die Studierenden die Ziele erfüllen, um schließlich die regelmäßigen Aktivitäten für den Unterricht zu planen, die Studierenden helfen, das Material zu verstehe und verschiedene Aufgaben erfolgreich zu absolvieren.

Qualifikationsziele und Kursinhalte

Dementsprechend habe ich für den Kurs Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische bisher folgende Qualifikationsziele formuliert:

  • Die Studierenden haben ein Verständnis für unterschiedliche Textarten und ihre sprachlichen Charakteristika und wie sich diese auf den Übersetzungsprozess auswirken;
  • sie entwickeln Übersetzungskompetenzen durch aktive Teilnahme in Übersetzungsaufträgen und deren Kommentierung;
  • sie kennen deutsch- bzw. englischsprachige Terminologien zur Beschreibung von Übersetzungsphänomenen;
  • sie können Übersetzungen vergleichen und kritisch diskutieren;
  • sie verstehen den Aspekt der kulturellen Diversität beim Übersetzen und verfügen über Kategorien zur qualitativen Analyse von Übersetzungen;
  • sie haben ein Bewusstsein für die Etikette bei der Kommunikation in Diskussionsforen.

Aus diesen Stichpunkten ist ersichtlich, dass ich mich bereits vor der Formulierung der Qualifikationsziele für ein vorrangig asynchrones Lehrformat entschieden hatte, dass auf geringe Unmittelbarkeit setzt und keiner hohen Bandwidth bedarf. Hauptmedium der Interaktion zwischen Studierenden untereinander sowie zwischen den Studierenden und mir soll ein Diskussionsforum in Blackboard sein.

Meine Vorstellung ist, dass die Studierenden im Abstand von drei Wochen jeweils (mindestens) zwei Texte übersetzen, einen aus dem Arabischen und einen ins Arabische. Für das Einreichen der Übersetzungen erstelle ich Aufgaben in Blackboard; hier laden die Studierenden bis zu einem zuvor festgelegten Zeitpunkt ihre Übersetzungen hoch.

Anschließend übertrage ich diese Übersetzungen anonymisiert in das Diskussionsforum in Blackboard. Die Studierenden haben dann die Aufgabe, die eingereichten Übersetzungen in Beiträgen zu kommentieren und zu diskutieren. Dafür haben sie eine Woche Zeit.

Die nächste Woche dient dann Überarbeitung der eigenen Übersetzungen sowie der Vorbereitung auf eine Live-Session, also eine Videokonferenz, bei der die Studierenden und ich gleichzeitig – also synchron – zusammenkommen und in „Echtzeit“ interagieren. Hier soll noch einmal mündlich über die Übersetzungen diskutiert werden. Hierfür setze ich zunächst eine Stunde an. In der Videokonferenz werden auch die Texte für die nächste Übersetzungsaufgabe festgelegt, ggf. auf Vorschlag der Studierenden. In der ersten Live-Session soll diese Struktur auch schon ein erstes Mal evaluiert werden, wobei auch das Diskussionsforum Möglichkeit zur Zwischenevaluation bietet.

Sofern sich dieser Rhythmus aus erstens Übersetzungsaufgabe, zweitens schriftlichem Kommentieren, drittens mündlichem Diskutieren beim ersten Mal bewährt, wiederholt er sich bis zum Ende der Vorlesungszeit noch zweimal. Damit übersetzen die Studierenden insgesamt mindestens 6 Texte im Kursverlauf.

Da im Mittelpunkt dieses Kurse das Übersetzen steht, habe ich die Kursinhalte entsprechend knapp gehalten:

  • Die Studierenden üben das Übersetzen von Texten unterschiedlicher Art aus dem Arabischen und ins Arabische;
  • sie erarbeiten sich selbstständig einen Einblick in moderne Übersetzungstheorien und wenden entsprechende Analysekategorien der Translationswissenschaft für die Diskussion verschiedener Übersetzungsmöglichkeiten an;
  • die Diskussion der Übersetzungen findet vorrangig im Forum in Blackboard statt und wird in drei Live-Sessions zusammengefasst.

Was noch offen ist …

Welche Primärtexte?

Ich habe mich noch nicht entschieden, welche Texte ich mit den Studierenden übersetze, obwohl ich meist sofort zu Gedichten neige. Allerdings möchte ich in der ersten Live-Session mit den Studierenden über verschiedene Gattungen, Arten, Sorten von Texten sprechen, sodass wir uns vielleicht gemeinsam auf zwei Texte für die erste Übersetzungsaufgabe einigen.

Auch für die weiteren Übersetzungsaufgaben möchte ich eigentlich Input der Studierenden einholen. Es geht in dem Kurs nicht darum, Texte zu einem bestimmten Thema oder von einem bestimmten Autor oder aus einer bestimmten Zeit zu übersetzen, sondern sich eben genau vor Augen zu führen, inwiefern unterschiedliche Texte unterschiedliche Übersetzungsmethoden verlangen, vielleicht aber auch Gemeinsamkeiten in den Übersetzungsergebnissen aufweisen.

Welche Sekundärtexte?

Für die Diskussion der eingereichten Übersetzungen müssen sich die Studierenden eigenständig ein angemessenes Analysevokabular aus dem Bereich der Translationswissenschaften aneignen. Entsprechende Literaturhinweise stelle ich in Blackboard bereit, gebe jedoch nicht vor, welche Texte davon durchzuarbeiten sind. Selbst wenn ich alle diese Texte als sinnvoll und für die Diskussion zuträglich erachte, gehe ich davon aus, dass manche Studierende auch ohne die Bearbeitung theoretischer Texte konstruktive Kommentare zu Übersetzungsvarianten und Übersetzungsmöglichkeiten verfassen können. Vielleicht stoßen die Studierenden bei ihren Recherchen auch auf Sekundärtexte, die ihnen als noch besser geeignet oder verständlicher erscheinen als diejenigen, die ich vorausgewählt habe. Auch für die Diskussion um Sekundärtexte bietet sich das Forum an.

Etikette bei der Kommunikation in Online-Foren

Ich habe noch keine Ausschau nach Blogbeiträgen oder gar Sekundärliteratur zum Verhalten in Online-Foren gehalten, denke aber, dass es durchaus sinnvoll ist, eine Art Code of Conduct zu präsentieren. Vorschläge willkommen!

Prüfungsleistung

Das Modul sieht eine mündliche Prüfung bzw. ein Fachgespräch (ca. 20 Minuten) als Prüfungsleistung vor. Ob und – wenn ja – wie diese im Sommersemester 2020 kontaktlos umgesetzt werden kann, ist noch nicht klar.

Meine Vorstellung ist, dass die Studierenden nach der letzten Live-Session die im Kurs behandelten Texte intensiv vorbereiten. In der mündlichen Prüfungen wählen die Studierenden blind jeweils einen arabischen und einen nicht-arabischen Text. Aus diesen beiden Texten übersetzen sie dann jeweils einen angemessen Teil während der mündlichen Prüfung, bevor wir über verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten und Terminologien, mit deren Hilfe sich Übersetzungen beschreiben lassen, ins Gespräch kommen.

Abschließend …

Diese Ideen zur sprachpraktischen Übung Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische sind noch nicht in Gänze ausgearbeitet; sehr wahrscheinlich habe ich noch nicht alles bedacht, was es zu bedenken gibt. Auch gibt es sicherlich andere Möglichkeiten, einen solchen Übersetzungskurs als distant learning course aufzuziehen. Über entsprechende Ideen und Vorschläge oder einfach Gedanken in den Kommentaren zu diesem Beitrag freue ich mich!

Selbst bei einem zu Anfang eines Semesters relativ feststehenden Lehrplan habe ich mir immer erlaubt, flexibel auf Rückmeldungen von Studierenden zu reagieren, den Arbeitsaufwand anzupassen oder Literatur- und Themenwünsche unterzubringen. Auch dieser Kurs wird da keine Ausnahme bilden; eher setze ich auf eine aktive Rückmeldung durch die Studierenden nach dem ersten Durchlauf der von mir konzipierten Struktur, sodass ich die Lernerfolgskontrollen der dann folgenden Wochen ggf. anpasse und entsprechend der Qualifikationsziele weiterentwickle.

Im nächsten Beitrag folgt wahrscheinlich ein zeitlicher Überblick zu diesem Kurs.

Bis auf Weiteres …