Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Liegt oudejaar zwischen den Jahren?

Noch schreiben wir das Jahr 2014, denn erst am 31. Dezember ist Silvester. Auf Niederländisch nennt man dieses Datum völlig eindeutig oud(e)jaar oder oudejaarsdag: Danach ist Schluss mit dem alten Jahr, und das neue beginnt. Im deutschsprachigen Raum sind wir uns da anscheinend nicht ganz sicher, denn hier befinden wir uns gerade zwischen den Jahren (gelegentlich auch zwischen den Tagen).

Gemeint ist damit der Zeitraum zwischen Weihnachten und Neujahr. Mit oudejaar ist also die Zeit zwischen den Jahren vorbei. Für manche erstreckt sich der Zeitraum aber auch bis zum Dreikönigstag (nl. Driekoningen). In diesem Fall wäre oudejaar also genau in der Mitte zwischen den Jahren. Laut Wikipedia nennt man im Friesischen diese Zeit twaschen ulj en nai (dt. zwischen Alt und Neu, also zwischen dem alten und dem neuen Jahr). Vielleicht kennt sich jemand in unserer Leserschaft mit dem Friesischen besser aus und kann uns mehr darüber sagen? Die Kombination oud en nieuw würde man in diesem Zusammenhang auf Niederländisch eher auf oudejaar und Nieuwjaar beziehen, also auf Silvester und den Neujahrstag: „Wat doe jij met oud en nieuw (an/zu Silvester)?“ – „Ik ga in elk geval niet naar de Brandenburger Tor!“ Dazwischen kann bei dieser Lesart von oud en nieuw logischerweise nicht viel liegen.

Der Begriff zwischen den Jahren kam zustande, weil nach den verschiedenen Reformen der Zeitrechnung das Kalenderjahr und das Kirchenjahr nicht mehr exakt identisch waren. Viele Leute sind der Meinung, man solle zwischen den Jahren keine Wäsche waschen, weil man damit angeblich Unglück heraufbeschwört. Ich kenne niemanden, der sich daran hält, aber es gibt offenbar noch viele weitere Regeln. Man soll zum Beispiel offenbar in dieser Periode auch nicht spinnen und nähen, also generell die Finger von allen Textilarbeiten lassen.

Zeit zum Ausspannen: Entweder als ganzes „tussenjaar“ oder nur ein paar Tage „zwischen den Jahren“. (Foto: JoJan, CC-BY-SA 3.0)

Eines ist aber sicherlich sinnvoll: Wer es kann, nutzt diese Tage zur Ruhe und Erholung. Das hat die Zeit zwischen den Jahren gemeinsam mit dem tussenjaar, das sich viele Niederländischsprachige inzwischen gönnen. Auf Deutsch spricht man recht unspezifisch von einer Auszeit oder einem Sabbatjahr, als Entlehnung inzwischen auch öfter von Sabbatical oder Gap Year. Für mich klingt tussenjaar fast schon ungemütlich, weil es so wirkt, als sei es zwischen zwei stressigen Lebensphasen nur eingeklemmt und brächte nur vorübergehend, fast vergeblich, etwas Luft zum Atmen. Auch das gilt für zwischen den Jahren auf ähnliche Weise. Danach fällt man meist unsanft in den Alltag zurück.

Wie meine Familie mich belehrt, ist das Spinnen und Nähen übrigens auch am Dreifaltigkeitssonntag (Trinitatis, nl. auch Drievuldigheidszondag) verboten, weil sonst der Blitz in die Nadel schlägt. Der Dreifaltigkeitssonntag liegt immer eine Woche nach Pfingsten im Mai oder Juni und ist wiederum eine wichtige Wegmarke im evangelischen Kirchenjahr, denn danach beginnt die Trinitatiszeit, die bis zum Advent andauert.  Handarbeit scheint jedenfalls ganzjährig äußerst gefährlich zu sein. Dornröschen wusste das entweder nicht, oder sie hielt dies alles für Märchen.

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Der Beitrag wurde am Montag, den 29. Dezember 2014 um 09:00 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Allgemein, Idiom, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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