Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Dwangfrans – pakkoruotsi

Korrespondentenbericht aus Finnland, Teil IV.

„Wir sprechen hier kein Schwedisch.“ Das war die entrüstete Antwort eines Kioskverkäufers in Ostfinnland auf meine Frage, ob man bei ihm auch eine schwedischsprachige Zeitung kaufen könne. Die meisten Regionen Finnlands sind so wenig zweisprachig wie die meisten Gegenden Belgiens.

Früher gab es auch in Karelien durchaus eine schwedischsprachige Bevölkerung, heute ist davon nichts mehr zu hören oder zu sehen. Dass zumindest Schwedischsprachige einmal zu Besuch sein könnten und eine Zeitung kaufen möchten – nicht völlig absurd in einer Universitätsstadt wie Joensuu, wo man immerhin auch Schwedisch studieren kann – das kam dem Verkäufer vielleicht nicht in den Sinn. Hier zählt das Prinzip mehr als der Profit. Geld regiert die Welt? Nicht in einer heiklen mehrsprachigen Situation. Ungefähr so wie im Brusselse Rand, wo auf Wochenmärkten schon Streit entbrannte, wenn jemand seine Waren für frankophone Kundschaft auf Französisch auszeichnete.

Ähnlich wie das Niederländische in Brüssel ist Schwedisch in Finnland auf prekärem Niveau stabil. Und ähnlich wie in Belgien kann man sich in Finnland weiterhin vortrefflich über Sprachverwendung und Sprachstatus streiten. Eine ständige Debatte dreht sich beispielsweise darum, ob das Erlernen des Schwedischen in der Schule weiterhin verpflichtend sein soll. Gegen das verhasste pakkoruotsi („Zwangsschwedisch“) regt sich immer wieder Widerstand. Auch wenn in Flandern und Wallonien die andere Landessprache durchaus unterrichtet wird – ein Zwang durch nationale Gesetzgebung wäre undenkbar. Im belgischen Bildungssprachgesetz von 1963 war für den Unterricht der zweiten Sprache in den Grundschulen sogar eine Höchstgrenze von 3 Wochenstunden festgelegt worden.

„Weg mit Zwangsschwedisch“ – eine kontroverse Forderung in Finnland. (Grafik: Chabacano, CC-BY-SA-3.0)

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Belgien und Finnland: Die Kräfteverhältnisse sind nicht so ausgewogen. Belgiens komplizierter Kompromiss lebt davon, dass es zwei große Sprachgruppen gibt, die in einem Geflecht von Mehrheit und Minderheit verwoben sind. Es gibt etwas mehr Flamen als Wallonen, in Brüssel ist es aber umgekehrt. Hinzu kommen die Deutschsprachigen, die sich als lachende Dritte oft wichtige Rechte sichern konnten. Den Samen in Finnland gelang es bisher nicht ganz so geschickt, aus dem Verhältnis zwischen Schwedisch und Finnisch Profit zu schlagen.

Belgiens Fazilitätengemeinden stellen juristisch gesehen das Prinzip der territorialen Einsprachigkeit nicht in Frage, obwohl es Erleichterungen für die jeweils andere Sprachgruppe gibt. Auch in Finnland gibt es Gemeinden mit Sonderstellung, die hingegen explizit als zweisprachig gelten. Den Status erhalten sie, sobald mindestens 8% oder 3000 Einwohner die andere Sprache gegenüber den Behörden als Muttersprache angeben. In beiden Ländern gibt es Gemeinden aller Sorten: Jeweils einsprachige Kommunen in beiden großen Landessprachen, und Kommunen mit der einen oder anderen Sprachgruppe als Minderheit.

Ob nun Belgien von Finnland in Sachen Sprachpolitik etwas lernen kann, oder eher umgekehrt? Wer wie ich in einem ostentativ einsprachigen Land aufgewachsen ist, das noch viel Nachholbedarf in Sachen Mehrsprachigkeitspolitik hat, der hält sich hier mit Ratschlägen besser zurück.

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Der Beitrag wurde am Sonntag, den 15. März 2015 um 08:42 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Allgemein abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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