Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Noch nicht prooftauglich

Das Niederländische hat sich mal wieder etwas Englisches gemopst. Das Englische ist nun einmal alles andere als boefproof. Das neue Derivationssuffix –proof ist ein ziemliches boefje und mischt sich in allerlei Worte ein, wie uns Truus De Wilde kürzlich schon zeigte.

Wie so viele Entlehnungen kann es sich aber noch nicht geschmeidig in die Flexionsmorphologie einfügen. Denn wieder einmal trifft das mit –proof gebildete Adjektiv auf die Hürde, dass es nicht attributiv gebraucht werden kann. Mijn telefoon is boefproof ist völlig in Ordnung (jedenfalls grammatisch). *Ik heb een boefproofe telefoon funktioniert hingegen nicht. Unter anderem müsste hier wahrscheinlich auch der Frikativ stimmhaft werden, aber een boefproove telefoon wirkt auch seltsam. Selbst bei Neutra im unbestimmten Singular, wo das Problem mit dem –e nicht auftritt, mag die Form nicht so recht klingen: *Ik heb een boefproof mobieltje. Wem boefproof schon an sich zu affektiert ist, kann es auch mit inbraakproof oder winterproof probieren – das Ergebnis ist dasselbe.

Der große Erfolg von –proof liegt im Augenblick nicht so sehr darin, dass es sich besonders gut in die Grammatik einfügt, schließlich wirft es noch jede Menge Zweifelsfälle auf, z.B. bei der Schreibung und Aussprache (was passiert mit dem englischen R?) Die bewundernswerte Stärke des neuen Suffixes liegt vielmehr in seiner semantischen Anpassungsfähigkeit. Es scheint problemlos auch an Substantive anzuschließen, die metonymisch oder synekdochisch sind. So erwies sich zum Beispiel die finanzielle Förderung von Infrastrukturmaßnahmen im Nordosten der Niederlande zum Glück als europarechtlich zulässig, also Brusselproof.

Wahrscheinlich nicht „Brussel-proof“ und den Regierungen Belgiens und der Niederlande ein Dorn im Auge*: Die Pläne einer „Autobahngebühr für Ausländer“ in Deutschland. (PD)

Das Deutsche hält sich bei alldem erst einmal raus. Bisher jedenfalls gibt es das entsprechende Suffix nicht, und wir können unser Handy nicht ohne Weiteres als gaunerproof bezeichnen. Stattdessen haben wir eine Vielzahl anderer Ableitungen, die alle etwas mit nimmt keinen Schaden oder geeignet für zu tun haben. Ein Handy kann zum Beispiel durchaus outdoortauglich und wasserfest sein, aber über ein diebstahltaugliches oder diebstahlfestes Handy freuen sich vermutlich eher die Einbrecher als die Besitzer: Es würde sich besonders gut stehlen lassen, weil es dabei nicht kaputt geht.

Stattdessen könnte das Mobiltelefon vielleicht diebstahlresistent sein. Aber das würde wohl bedeuten, dass es sich gar nicht erst stehlen lässt. So weit ist die Technik noch nicht. Am ehesten ist es also diebstahlsicher. Die Auswahl ist groß, und man kommt nicht umhin, sich für eine der vielen Möglichkeiten zu entscheiden.

Das Niederländische ist dem Deutschen um eine produktive und sehr vielseitig einsetzbare Entlehnung aus dem Englischen voraus. Das Deutsche ist noch nicht prooftauglich. Aber wer weiß, vielleicht ist –proof in ein paar Jahren schon ein Kandidat für den Anglizismus des Jahres?


*Im Zusammenhang mit der Maut-Illustration noch ein Gedanke: „Brusselproof“ betrifft hier offenkundig nur die Rolle der EU-Institutionen, obwohl die belgische Regierung natürlich auch in Brüssel sitzt und die Maut ebenso ablehnt. Vermutlich würde man im zweiten Fall eher von „Wetstraat-proof“ sprechen (nach dem Sitz der Regierungsinstitutionen Belgiens in der Wetstraat/Rue de la Loi) – was wiederum interessante Fragen über den Umfang von metonymischen Konstruktionen aufwirft.

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Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 19. November 2015 um 08:37 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Grammatik, Sprachvergleich, Sprachwandel, Wortbildung, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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