Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Zerbröckelung durch schwebende Wähler

Wichtige Ereignisse gab es in den letzten Wochen genug: Korea zwischen Versöhnung und Atombombe, USA zwischen Strafzöllen und Schulschießereien. Hier und da eine Schlagzeile wert waren trotzdem auch die Kommunalwahlen in den Niederlanden.

Nicht weil es uns in Deutschland so enorm beeinflusst, wer Bürgermeister von Delfzijl oder Terneuzen ist. Sondern weil das Wahlverhalten bei unseren Nachbarn oft als Trend für die Entwicklung in anderen Ländern Europas gedeutet wird. Vom Aufschwung der Rechtspopulisten bis zum Niedergang der Sozialdemokratie: Was nebenan passiert, kommt irgendwann auch bei uns an.

Die Lokalpolitik war auch 2012 schon ziemlich bunt. (Bouke, CC-BY-SA 3.0)

Was stellen wir also bei den Kommunalwahlen fest? Nun, zunächst einmal die Bedeutung des zwevende kiezer. Der ist auf Deutsch ein Wechselwähler, also jemand, der nicht dauerhaft auf eine Partei festgelegt ist. Dadurch werden die Umfragen weniger zuverlässig und die Wahlen im besten Falle etwas spannender. Auf Niederländisch schweben die Wahlberechtigten in diesem Fall über den Parteien, um sich am Wahltag mehr oder weniger spontan bei einer Partei niederzulassen – und für die folgende Wahl sogleich wieder weiter zu schweben zur nächsten Partei. Auf Englisch spricht man ähnlich vom floating voter oder auch vom swing vote, der mit seiner Schaukelbewegung eher nur in einem Zwei-Parteien-System sinnvoll klingt.

Die Niederlande sind nun aber gerade das Gegenteil eines Zwei-Parteien-Systems. Denn der zunehmende Trend heißt verbrokkeling und das Resultat davon ist bunt. Das Zerbröckeln (mit ver- statt zer-, das kennen wir schon) betrifft die politische Landschaft insgesamt und besonders die Gemeinderäte: Viele kleine Parteien sind mit wenigen Sitzen vertreten und es müssen sich Bündnisse mit sieben, acht, neun Parteien zusammenfinden, um überhaupt eine Mehrheit zu bekommen. Auf Deutsch spricht man eher von Zersplitterung, und parallel dazu kommt auch versplintering auf Niederländisch vor. Kommt eine Mehrheit zustande, können die beteiligten Parteien ein college van B en W bilden: das gemeinsame Gremium von Bürgermeister/in und Beigeordneten.

Damit keine Missverständnisse aufkommen, weil schon seit Wochen Semesterferien sind: Ein college ist in diesem Fall ein Rat, kein Universitätsseminar. Deshalb ist ein afspiegelingscollege keine selbstsüchtige Lehrveranstaltung, sondern eine Sonderform der Gemeindeverwaltung: Die Gruppe aus Bürgermeister und Beigeordneten ist proportional zusammengesetzt nach den stärksten Parteien, ähnlich wie die Regierung in der Schweiz, und nicht nach verhandelten Koalitionen. Das wiederum ist kein Trend, der erst später aus den Niederlanden zu uns kommen wird: Die Berliner Bezirksämter funktionieren schon lange so.

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Der Beitrag wurde am Sonntag, den 1. April 2018 um 17:37 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Niederlande, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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