Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Notizen aus Suriname II

Wahlmöglichkeiten

De beste keus! (Foto: PK)

Wer die Wahl hat, hat die Qual – etwa zwischen zwei Varianten eines Wortes. Die Auswahl ist im Niederländischen häufig de keuze, verwandt etwa mit kiezen und dem Deutschen auserkoren. Daneben existiert aber auch de keus, wie im Werbeslogan dieses Autohauses auf dem Nummernschildträger. Der Van Dale sieht beide als gleichwertig an und markiert keine davon als besonders. In manchen Ohren klingt keus aber merkwürdig altmodisch, gerade in einem Werbekontext.

Lückenbüßer

Mitten im Vortrag einer Kollegin auf der Konferenz stolperte das gesamte Publikum über eine kleine, aber wichtige terminologische Frage: Wie nennt man einen Wissenschaftler, der sich mit Papiamentu beschäftigt? Offenbar hat das Niederländische hier – genau wie das Deutsche – eine lexikalische Lücke.

So eine Frage kann natürlich nur die Fachgemeinschaft beantworten. Und die trifft man bekanntlich auf Twitter. Eine kurze (und völlig unrepräsentative) Umfrage dort brachte bei 88 Stimmen ein relativ knappes Resultat zustande:

55% finden papiamentoloog die passende Bezeichnung.

45% stimmten dagegen für papiamentist.

Einige versuchten es in der Debatte ernsthaft mit Sachargumenten, etwa: –loog klingt nicht richtig bei Wörtern, die auf Basis von Sprachnamen gebildet sind. Oder: Auf Papiamentu selbst sagt man papiamentista, das könnte man doch einfach übernehmen. Die Mehrheit ließ sich davon nicht beeindrucken, aber zumindest wissen wir jetzt, dass offenbar gleich zwei Optionen vorhanden sind, um die Lücke zu füllen.

Im Busch

Moengo ist nicht nur ein Siedlungszentrum im dünn besiedelten Osten, sondern es war auch ein wichtiger Bergbaustandort. (Foto: PK)

Gleich zu Beginn unseres Aufenthalts ist erst einmal Feiertag: Srefidensi Dey, der Unabhängigkeitstag. Die offiziellen Feierlichkeiten mit Militärparade finden jedes Jahr in einem anderen Distrikt des Landes statt, dieses Jahr in Moengo im Osten. In dieser Region leben, erklärt man uns, die boscreolen oder boslandcreolen. So nennt man die Nachkommen von marrons: Sklavinnen und Sklaven, die sich befreit haben und in den Waldgebieten niederließen, dort eigene Gemeinschaften gründeten, eigene Kulturtraditionen pflegen und nicht zuletzt separate Kreolsprachen entstehen ließen. Von diesen Communities unterscheiden sich die stadcreolen, vor allem in Paramaribo. Ihre Vorfahren kamen erst durch die Abschaffung der Sklaverei frei.

Für die soziale Zusammensetzung des Landes und die Identität vieler Menschen ist das eine wichtige Unterscheidung. Trotzdem bleibt immer wieder ein etwas fader Geschmack, wenn von boscreolen die Rede ist, besonders aus dem Mund von Weißen, niederländischen Diplomaten gar. Zu sehr klingt der Begriff nach Busch, nach unzivilisierten Wilden. Eine zynische Sicht, vor allem wenn man bedenkt, dass diese Menschen mit ihrem Kampf gegen die koloniale Sklaverei lange Zeit eigentlich die Zivilisiertesten im ganzen Land waren.

Eine Mitarbeiterin im Hotel warnt uns, nicht in den Osten zu den boslandcreolen zu fahren. Ressentiments? Nicht in diesem Fall. Ihr geht es weniger um die kulturhistorischen Hintergründe der Menschen, sondern um unsere Sicherheit. Am Unabhängigkeitstag fahren viel zu viele Leute betrunken Auto: zu gefährlich!

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 6. Dezember 2019 um 10:12 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Karibik, Sprachvariation, Suriname, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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