Offene Wissenschaft kartieren. Status quo von Open-Access-Strategien und Infrastrukturangeboten an Universitäten und Hochschulen im oa.atlas

Von Simone Franz und Maxi Kindling

Zitiervorschlag: Franz, S., Kindling, M. (2025). Offene Wissenschaft kartieren. Status quo von Open-Access-Strategien und Infrastrukturangeboten an Universitäten und Hochschulen im oa.atlas. DOI: 10.59350/6bhhc-f8j85

Was ist der oa.atlas?

Der oa.atlas ist eine laufend aktualisierte Datensammlung, die im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts open-access.network bereitgestellt wird. Das Open Research Office Berlin (OROB) hat bereits im Jahr 2020 mit der Konzeptionierung und Erfassung von Daten im Rahmen des oa.atlas begonnen, um Strategien, Services und Maßnahmen rund um die Open-Access-Transformation auf Ebene des Bundes und der Länder und der wissenschaftlichen Institutionen in Deutschland zu erfassen. Seit 2023 unterstützt der Projektpartner Helmholtz Open Science Office  bei der Kuratierung der Daten zu den Institutionen. Der Status quo Open-Access- und Open-Science-bezogener Aktivitäten auf Ebene der Institutionen in Deutschland wird im oa.atlas als Karten-, Listen- und Detailansicht über das Portal open-access.network abgebildet. Mehr Informationen zum oa.atlas finden sich unter anderem in einem Konzeptpapier.

Die Datensammlung des oa.atlas wird zeitnah tagesaktuell zur freien Nachnutzung bereitgestellt. Sie kann verwendet werden, um die Verbreitung von Strategien und Maßnahmen zu analysieren. In diesem Blogpost wird das exemplarisch anhand einiger ausgewählter Open-Access-bezogener Variablen gezeigt. Diese umfassen sowohl (hochschul-)politische Strategien und Maßnahmen, zu denen die Unterzeichnung der Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen, die Verabschiedung von Open Access Policies und die Benennung von Open-Access-Beauftragten gehören, als auch Infrastrukturangebote wie Repositorien, Open-Access-Verlage und -Hostingdienste.

Welche wissenschaftlichen Institutionen werden hier betrachtet?

Die nachfolgenden Analysen beziehen sich auf öffentliche Universitäten und Hochschulen in Deutschland. Im oa.atlas sind mit Stand 13. Dezember 2024 101 Universitäten und 212 Hochschulen in öffentlich-rechtlicher oder staatlich anerkannter kirchlicher Trägerschaft erfasst. Die Kategorisierung der hier betrachteten Institutionen und ihrer Trägerschaft im oa.atlas basiert auf dem Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Unter Hochschulen werden (Fach-)Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW), künstlerische Hochschulen, Hochschulen eigenen Typs und Verwaltungshochschulen zusammengefasst. Im oa.atlas werden neben Universitäten auch Universitätskliniken aufgenommen, die der Hochschulkompass nicht separat erfasst. Sie wurden deshalb in dieser Analyse nicht mit ausgewertet.

Wie viele Universitäten und Hochschulen haben die Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen unterzeichnet?

Die Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen (kurz: Berliner Erklärung) vom 22. Oktober 2003 gilt als einer der Meilensteine der Open-Access-Bewegung, die inzwischen von über 800 Forschungsorganisationen und -institutionen weltweit unterzeichnet wurde. Damit verpflichten sie sich, die Umsetzung des Open-Access-Gedankens zu unterstützen. Eine Auswertung des prozentualen Anteils der Universitäten und Hochschulen in Deutschland zeigt, dass die Berliner Erklärung von weniger als der Hälfte der Einrichtungen (43,6 Prozent) unterzeichnet wurde. Es sind vor allem Universitäten, die mit über 43 Prozent am häufigsten vertreten sind, während Hochschulen mit etwas über 13 Prozent bisher kaum dabei sind.

Unterzeichnung Berliner Erklärung (Universitäten und Hochschulen)
Abbildungen 1 und 2: Prozentualer Anteil der Universitäten (n = 101) und Hochschulen (n = 212), welche die Berliner Erklärung unterzeichneten

Die Universität Kassel war 2004 die erste, welche die Berliner Erklärung unterschrieb. Eine Längsschnittanalyse in Abbildung 3 zeigt, dass die Anzahl der unterzeichnenden Universitäten ab 2012 weiter zunimmt (5), was auf die nach wie vor anhaltende Bedeutung der Berliner Erklärung hindeutet. Die meisten Universitäten unterzeichneten in den Jahren 2015 und 2016 (jeweils 8). Mit einigen Jahren Verzögerung zogen auch die Hochschulen nach. Während die Technische Hochschule (TH) Wildau 2007 Vorreiterin war, kamen erst ab 2021 (6) und 2022 (10) vergleichsweise viele Hochschulen hinzu. Sowohl für Universitäten als auch für Hochschulen lässt sich nach wie vor ein leicht steigender Trend beobachten, welcher die Bedeutung der Berliner Erklärung auch noch 20 Jahre später unterstreicht.

Unterzeichnung Berliner Erklärung Jahr
Abbildung 3: Längsschnittanalyse zur Unterzeichnung der Berliner Erklärung für den Zeitraum 2003 bis 2023 an Universitäten (n = 101) und Hochschulen (n = 212)

Wie viele Universitäten und Hochschulen verfügen über eine Open Access Policy?

Als Open Access Policy definiert der oa.atlas eine von Gremien oder Leitungsebenen verabschiedete Richtlinie, welche Rollen, Rechte und Verantwortlichkeiten verschiedener Akteur*innen einer Institution für die Umsetzung von Open Access empfiehlt. Sie legt häufig einen Schwerpunkt auf den freien Zugang zu Textpublikationen. Während rund 20 Prozent der Hochschulen eine Open Access Policy haben, sind es bei den Universitäten fast 68 Prozent.

Verabschiedung OA Policies (Universitäten und Hochschulen)
Abbildungen 4 und 5: Prozentualer Anteil der Universitäten (n = 101) und Hochschulen (n = 212), die eine Open Access Policy verabschiedet haben

Eine Längsschnittanalyse in Abbildung 6 zeigt, dass vor allem ab 2011 die Zahl der verabschiedeten Open Access Policies an den Universitäten sprunghaft ansteigt (8) und ab 2019 (3) abfällt. Dies belegt, dass ab diesem Zeitpunkt verstärkt strukturbildende Maßnahmen an den Einrichtungen umgesetzt wurden; hier besteht vermutlich unter anderem ein Zusammenhang mit dem Programm Open Access Publizieren der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), das den Aufbau von Open-Access-Publikationsfonds an 45 deutschen Hochschulen zwischen 2010 und 2016 gefördert hat (vgl. Ploder et al. 2020). An den Hochschulen nimmt die Zahl der verabschiedeten Policies in den Jahren 2018 (10), 2020 (7) und 2021 (8) zu und fällt danach leicht ab. Im Jahr 2018 wurden sowohl bei den Universitäten als auch bei den Hochschulen relativ viele Open Access Policies beschlossen (insgesamt 19). In diesem Jahr hatten auch erstmals mehr Hochschulen (10) eine Open Access Policy als Universitäten (9). So lässt sich für beide Institutionstypen ein leicht steigender Trend erkennen. Während 2011, zwischen 2016 und 2018 sowie zwischen 2020 und 2022 die meisten Policies an Universitäten und Hochschulen verabschiedet wurden, unterzeichneten Universitäten und Hochschulen die Berliner Erklärung 2015, 2016 und 2022 am häufigsten.

Open-Access-Policies Verteilung Jahre
Abbildung 6: Längsschnittanalyse zur Verabschiedung von Open Access Policies an Universitäten (n = 101) und Hochschulen (n = 212)

Wie viele Universitäten und Hochschulen haben Open-Access-Beauftragte benannt?

Open-Access-Beauftragte repräsentieren laut Definition des oa.atlas das Thema Open Access inner- und außerhalb ihrer Institution, beispielsweise durch das Voranbringen strategischer Fragen. An den Hochschulen gibt es mit rund 7 Prozent relativ wenige Open-Access-Beauftragte. Auch die Universitäten haben nur zu knapp einem Drittel Open-Access-Beauftragte benannt (36,6 Prozent); die überwiegende Mehrheit von 89 Universitäten hat aber eine Ansprechperson für Open Access, die auf der Website der Institution steht. In einer tiefergehenden Analyse könnte der Frage nachgegangen werden, ob es einen Zusammenhang zwischen Open-Access-Beauftragen und Open Access Policies gibt. Während Policies und die Unterzeichnung von Erklärungen zur Konsens- und Community-Bildung beitragen sowie als Absichtserklärungen zum Teil auch performativen Charakter annehmen können, deutet sich an, dass die konkrete Implementierung und Umsetzung von Maßnahmen in der Praxis durch offizielle Mandatsträger*innen wie Open-Access-Beauftragte eher zurückhaltender erfolgt. Dagegen zeigt der aktuelle Open-Access-Bericht Berlin (vgl. Kindling et al. 2024), dass gemäß der Vorgabe der Berliner Open-Access-Strategie von 2015 fast alle Berliner Universitäten und Hochschulen Open-Access-Beauftragte benannt haben.

Abbildungen 7 und 8: Prozentualer Anteil der Universitäten (n = 101) und Hochschulen (n = 212), die eine*n Open-Access-Beauftragten ernannt haben

Wie viele Universitäten und Hochschulen bieten ihren Angehörigen Repositorien für die Veröffentlichung und Archivierung von Publikationen?

Repositorien sind Dokumentenserver, die an Universitäten und Forschungseinrichtungen betrieben werden und auf denen wissenschaftliche Materialien archiviert sowie weltweit offen und langfristig zugänglich gemacht werden. Publikationsinfrastrukturen in Form von Repositorien sind Teil der wissenschaftseigenen, nicht-kommerziell ausgerichteten Infrastruktur und tragen dazu bei, die Souveränität über Daten zu behalten und das Tracken von Forschenden durch kommerzielle Data Analytics Business zu unterbinden (vgl. bspw. Siems 2022).

Es zeigt sich, dass das Angebot von Repositorien, insbesondere bei Universitäten mit über 93 Prozent, sehr hoch ist. Bei den Hochschulen sind es etwas weniger als die Hälfte (48,6 Prozent). Unter diesen sind auch kooperativ genutzte Angebote wie beispielsweise ein durch die drei künstlerischen Hochschulen in Berlin (Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin, Weißensee Kunsthochschule Berlin, Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch) gemeinsam genutztes Repositorium. In der Umsetzung von Open Access haben Repositorien als institutionelle Infrastruktur, insbesondere für Zweitveröffentlichungen (vgl. Martin et al. 2023), eine zentrale Funktion. Im besten Fall sind sie DINI-zertifiziert (vgl. Oberländer 2017, S. 138). Die im oa.atlas erfassten Daten verdeutlichen, dass dies nur bei 52 der insgesamt 197 Repositorien der Fall ist – davon haben allerdings inzwischen 22 Zertifikate ihre Gültigkeit (vgl. Definition des oa.atlas) verloren. Mit der Veröffentlichung einer neuen Version in diesem Jahr werden voraussichtlich 18 weitere nicht mehr über ein gültiges Zertifikat verfügen. Die 12 noch gültig zertifizierten Repositorien verteilen sich auf die Technische Hochschule Wildau und 11 Universitäten. Mit Blick auf das Gesamtangebot an Repositorien zur Unterstützung des Open-Access-Publizierens sollte die Bedeutung disziplinärer Angebote nicht außer Acht gelassen werden: So publizieren Forschende aus vielen Bereichen der Natur- und Lebenswissenschaften auf Angeboten wie arXiv, ChemRxiv, bioRxiv, medRxiv oder PubMed Central (PMC). Auch bestehen andere disziplinbergreifende Ansätze wie beispielsweise das nationale Repositorium HAL in Frankreich, während sich die Anzahl der Repositorien an Universitäten und Hochschulen in Deutschland im dreistelligen Bereich bewegt. Für diese verschiedenen Ansätze gibt es gute Gründe, dennoch wäre überlegenswert, ob eine stärkere Konzentration zu einer Entlastung personeller und finanzieller Ressourcen führen kann (vgl. Brembs et al. 2021) oder ob eine verteilte und gut vernetzte Infrastruktur eine nachhaltig ausgerichtete Landschaft an offenen Infrastrukturen stärken kann.

Abbildungen 9 und 10: Prozentualer Anteil der Universitäten (n = 101) und Hochschulen (n = 212), die ein institutionelles Repositorium bereitstellen

Wie viele Universitäten und Hochschulen betreiben Open-Access-Verlage und/oder Hostingdienste für Zeitschriften?

Open-Access-Verlage und Hostingdienste für Zeitschriften, die im oa.atlas erfasst werden, werden durch die Universitäten und die Hochschulen selbst betrieben. Die Daten im oa.atlas zeigen, dass bereits mehr als ein Viertel aller Universitäten (25,7 Prozent) über einen Open-Access-Verlag und/oder Hostingdienste (37,6 Prozent) verfügen. Dem oa.atlas ist ebenso zu entnehmen, dass 18 Universitäten sowohl einen Verlag als auch einen Hostingdienst betreiben. Im Fall von Berlin Universities Publishing (BerlinUP), getragen von den Bibliotheken der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Technischen Universität Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin, erfolgt das auch kooperativ. Open-Access-Verlage (0,9 Prozent) und Hostingdienste (1,4 Prozent) sind dagegen unter anderem aufgrund des geringen Publikationsaufkommens und fehlenden Open-Access-Strukturen an Hochschulen kaum vorhanden. Lediglich die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) hat einen eigenen Verlag, während die Hochschule für Politik München (HfP) eine gemeinsame Infrastruktur mit dem Verlag der Technischen Universität München (TUM) nutzt. Nur die Hochschule Hannover, die Fachhochschule Münster und die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) haben Instanzen zum Hosten von Journals.

Abbildungen 11 und 12: Prozentualer Anteil der Universitäten (n = 101) und Hochschulen (n = 212) mit Open-Access-Verlagen
OA-Hostingdienste (Universitäten und Hochschulen)
Abbildungen 13 und 14: Prozentualer Anteil der Universitäten (n = 101) und Hochschulen (n = 212) mit Hostingdiensten

Im Zuge des Ausbaus von Diamond-Open-Access-Angeboten an deutschen Wissenschaftsinstitutionen ist zu erwarten, dass dem institutionellen Angebot von Publikationsinfrastrukturen künftig eine noch größere Bedeutung zukommt. Der weitere Ausbau wird sich auch anhand des oa.atlas nachzeichnen lassen. Darüber hinaus zeigen die in diesem Beitrag betrachteten Variablen nur einen Teil der über den oa.atlas möglichen Analysen.

Das Team des oa.atlas freut sich über die Nutzung der Datensammlung und nimmt ebenso gerne Feedback entgegen. Ein aktualisierter Datenabzug (Stand: 09.05.2025) ist in der Zenodo Community des Projekts veröffentlicht. Für zeitnahe Analysen können die Daten ab sofort direkt über die Review-Seite des oa.atlas abgerufen oder via oabb@open-access-berlin.de angefragt werden.

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