„Lehrkräfte sind auch nur Menschen …“ oder „Verliebte Zahlen“

Content Note der Administratorin des Blogs:

ACHTUNG: Dieser Beitrag ist aus meiner Sicht ziemlich heftig! Normalerweise verzichte ich darauf, hier Handeln von Lehrkräften darzustellen, das wenig pädagogisch ist. Die geschilderte Situation und das Nachdenken der Studentin darüber, fand ich aber so gut, dass der Beitrag hier zu lesen ist. Grundsätzlich möchte ich aber, dass in diesem Blog niemand persönlich in ein schlechtes Licht gerückt wird.

Ein Beitrag von  Laura J.

Die folgende Situation spielte sich in einer reinen 2. Klasse einer Gemeinschaftsschule ab. Die Lehrerin sprach meistens mit recht lauter Stimme und fing auch recht schnell an zu schreien, wenn die Kinder nicht gehorchten, da dies ihrer Meinung nach eine sehr „schwierige“ Klasse sei. Um die folgende Situation besser verstehen zu können, möchte ich vorerst das Prinzip der „Verliebten Zahlen“ erläutern. Die Zahlen sind dann verliebt, wenn sie zusammen das Ergebnis 10 ergeben. Sprich die 3 ist mit der 7 verliebt, die 4 mit der 6 und so weiter.
Die Klassenlehrerin erklärte kurz und knapp nochmal das Prinzip, weil die Schülerinnen und Schüler (SuS) damit bereits vertraut waren. Nun sagte die Lehrerin immer: „Wenn ich die 6 bin, bist du die ….“ und forderte anschließend immer ein Kind auf, die jeweilige verliebte Zahl zu sagen. Die Kinder mochten diese Aufgabe und warteten erfreut darauf, als Nächstes an der Reihe zu sein. Bis dann ein Junge dran war, welchen sie aufforderte, die verliebte Zahl zur 2 zu finden. Der Junge guckte leicht nach oben und es sah so aus, als würde er überlegen. Circa sieben Sekunden vergingen, bis sie mit lauterer Stimme wiederholte: „Wenn ich die 2 bin, bist du die …“. Der Junge schaute sie erschrocken an und wendete seinen Blick danach auf seine Finger und bildete mit den Fingern die 2. Nach ungefähr fünf Sekunden sprach sie den Jungen beim Namen schon fast schreiend an und sagte: „Das ist Stoff der ersten Klasse! Du bist jetzt schon zweite Klasse und kannst das immer noch nicht? Guck‘ dir die anderen Kinder an, die können das alle ganz schnell!“
Was die Lehrerin jedoch nicht bemerkte, war, dass genau, als sie den Jungen lautstark ansprach, er ihr im gleichen Moment die richtige Lösung gesagt hatte. Ein anderer Junge aus der Klasse sagte zu der Lehrerin: „Er hat gerade 8 gesagt!“ Die Lehrerin meinte zu der ganzen Klasse: „Ja, trotzdem viel zu langsam, das solltet ihr alle sofort beantworten können!“
Der Junge, welcher ihrer Meinung nach zu spät antwortete, guckte eingeschüchtert und traurig auf den Tisch. Anschließend gab die Lehrerin ein kleines Arbeitsblatt aus, wo die SuS das Prinzip der „Verliebten Zahlen“ üben sollten und sagte lautstark vor der Klasse zu mir: „Setzt du dich bitte neben ihn, denn der kann das ja immer noch nicht und braucht Hilfe“, mit etwas bösem Unterton.
Als ich dann neben ihm saß, beobachtete ich seine Arbeitsweise. Er hat jede Aufgabe allein fehlerfrei lösen können, brauchte nur etwas länger Zeit im Vergleich zu den anderen SuS.

Meine Einsichten

Lehrkräfte sind auch nur Menschen und können auch mal einen schlechten Tag erwischen, an dem sie schnell reizbar sind. Jedoch war dies nicht die einzige Situation bei der sie, meiner Meinung nach, recht schnell laut wurde. Da sie den Jungen schon über ein Schuljahr in ihrer Klasse hatte, sollte sie womöglich wissen, dass er ein bisschen mehr Zeit braucht. Sie hätte, anstatt die Aufgabe im lauten Ton zu wiederholen, besser eine Hilfestellung bieten können oder ihm etwas mehr Zeit einräumen können. Ganz davon abgesehen, hat sie den Jungen vor der ganzen Klasse gedemütigt und alle anderen SuS als „besser“ dargestellt. Dass ich danach neben ihm saß, ließ mich noch besser verstehen, dass sich der Junge von ihrem lautstarken Wiederholen der Aufgabe unter Druck gesetzt fühlte, da er die Aufgaben allein fehlerfrei lösen konnte.

Meine Folgerungen

Aus oben beschriebener Unterrichtssituation nehme ich mit, dass Lautstärke in der Stimme nicht unbedingt notwendig ist. Zudem, wenn man Kinder ohne Meldung auffordert, ihnen ausreichend Zeit einräumt, die Lösung zu finden. Sollte zu viel Zeit verstreichen, kann man immer noch nachfragen, was das Problem sei oder eine Hilfestellung anbieten. Kinder sind auch nur Menschen und auch wenn man weiß, dass sie die Aufgabe könnten, kann es immer noch sein, dass auch sie einen schlechten Tag erwischt haben oder einfach mit der Aufgabe vor der Klasse überfordert sind. Ich möchte gerne mitnehmen, dass ich versuchen möchte, das Nicht-Beantworten einer Frage nicht als Nicht-Können der Aufgabe abzustempeln und schon gar nicht dies vor der ganzen Klasse kundzutun.

1 Gedanke zu „„Lehrkräfte sind auch nur Menschen …“ oder „Verliebte Zahlen““

  1. Ich arbeite neben dem Studium in einem Sportverein. Eine ebenfalls dort arbeitende Trainerin, die insbesondere die Anfänger, die etwa zwischen 4 und 6 Jahre als sind, trainiert hat einen ähnlichen Tonfall, wie du ihn beschrieben hast. Sie spricht immer sehr laut und aggressiv (selbst wenn sie lobt, hört sich ihr Tonfall wütend und böse an). Viele der Kinder, insbesondere die, die sie noch nicht kennen sind davon total verunsichert. Diese Verunsicherung führt oft dazu, dass sie sich den Sport überhaupt nicht zutrauen, nicht mehr zum Training kommen wollen oder den Verein wechseln. Auch die Eltern, die ihre Kinder ja eventuell mal abholen kommen und den Tonfall dann hören sind oft sehr schockiert. Ich finde das insbesondere deswegen schade, weil man durch diesen Tonfall unmöglich macht, zu den Kindern einen Draht aufzubauen, einfach weil sie Angst bekommen.

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