„Als ich schließlich einen Blick auf die Aufgaben seines Sitznachbarn warf, wurde mir klar, warum Max sich so schwer tat.“

Ein Beitrag von Luca S.

Ich half in der 2. Klasse im Mathematikunterricht aus. Die Kinder lernten gerade Addition und Subtraktion im zweistelligen Bereich. Als ich von Tisch zu Tisch ging, merkte ich, dass es sehr unterschiedliche Leistungsniveaus gab. Die Lehrerin bat mich Max (Name geändert) zu helfen, da er wohl noch einige Schwierigkeiten mit dem Rechnen über den Zehner hätte. Ich wiederholte mit Max noch einmal, was die Lehrerin zuvor an der Tafel allen Kindern erklärt hatte. Doch während ich mit ihm redete, hatte ich das Gefühl, dass er mir nicht richtig zuhörte. Er schaute immer wieder schnell zu seinem Sitznachbarn hinüber und stellte zwischen seinem und dessen Tisch eine Federmappe als Wand auf.

Max beschwerte sich laut, dass sein Nachbar auf seine Aufgaben schauen würde und rückte die Federmappe immer näher an sich heran. Ich beruhigte ihn, dass sein Nachbar ja auch mit seinen eigenen Aufgaben zu tun hätte und versuchte erneut seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich wollte Max einen Zwischenschritt näher bringen, der ihm geholfen hätte, die Aufgaben besser zu verstehen. Er blieb jedoch weiterhin sehr nervös und rechnete unter dem Tisch immer schon die ganze Aufgabe mit Hilfe seiner Finger aus. Dabei machte er viele Fehler und wurde immer unsicherer. Ich merkte, dass er motiviert war die Aufgaben zu verstehen, aber innerlich einen großen Druck verspürte sofort die richtige Antwort zu liefern. Es schien, als wollte er dadurch, dass er den Zwischenschritt ausließ, beweisen, dass er ihn nicht brauchte. Ich war ratlos wie ich ihm helfen könnte, als ich auch nach weiteren Anläufen erfolglos blieb. Etwas später stellte die Lehrerin ein Material aus verschiedenfarbigen Plättchen auf Max Tisch, das ihm helfen sollte, sich die Zahlen besser vorzustellen. Dann ging sie weiter, um sich wieder um die anderen Kinder zu kümmern. Ich versuchte Max zu überzeugen, die Plättchen auszuprobieren, aber er weigerte sich stur und rechnete weiter mit den Händen unter dem Tisch. Als ich schließlich einen Blick auf die Aufgaben seines Sitznachbarn warf, wurde mir klar, warum Max sich so schwer tat. Dieser rechnete ohne Schwierigkeiten auf einem deutlich höheren Niveau. Anscheinend verglich Max sich mit dem anderen Schüler und war deshalb so verunsichert.

Meine Einsichten

Max hatte Angst, sich vor seinem Sitznachbarn zu blamieren. Der andere Junge hatte zwar nicht mit seinem Können angegeben oder Max schlecht gemacht, aber Max traute sich dennoch nichts zu, wenn er neben ihm saß. Er fühlte sich ständig beobachtet und wollte um jeden Preis verhindern, dass jemand entdeckte, dass er mit so vermeintlich einfachen Aufgaben Probleme hatte. Dadurch konnte er sich nicht konzentrieren und hörte der Lehrerin und mir nicht zu. Die Sitzsituation scheint für Max keine gute Grundlage zu sein, um in Mathe Fortschritte zu machen. Der ständige Vergleich mit seinem Sitznachbarn könnte dazu führen, dass er immer weiter hinter den anderen zurückfällt und sich immer weniger zutraut.

Meine Folgerungen

Meines Erachtens wäre es wichtig, Max in Mathe neben ein anderes Kind zu setzen, das auf einem ähnlichen Stand ist wie er. So könnte er mehr Selbstvertrauen gewinnen, wenn er sieht, dass auch andere noch Schwierigkeiten haben und er nicht das Gefühl hat, sich vor seinem Sitznachbarn profilieren zu müssen. Auch denke ich, müsste Max im Unterricht noch besser betreut werden. Es sollte ein persönliches Gespräch mit ihm geführt werden, um ihm verständlich zu machen, dass es ganz normal ist, dass er langsamer lernt und dass er sich die Zeit nehmen darf, in Ruhe die Zwischenschritte zu üben egal wie weit jemand anders ist. Ich habe leider öfter beobachtet, wie sich andere Kinder über Max lustig machten und konnte ihn somit sehr gut verstehen.

Meine Anschlussfragen

  • Sollte bei der Sitzordnung grundsätzlich auf gleiche Lernlevels geachtet werden und weniger auf Freundschaften?
  • Können unterschiedliche Niveaus auch von Vorteil sein?
  • Wie findet man heraus wann welche Form der Sitzordnung geeignet ist?
  • Könnte ein persönliches Gespräch mit Max über die Konkurrenzsituation ihm wirklich helfen?
  • Wer sollte dieses Gespräch am besten führen?
  • Wie kann Mobbing effektiv verhindert bzw. damit am besten umgegangen werden?
  • Wie könnte Max gefördert und sein Selbstvertrauen auf anderem Weg gestärkt werden?

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