„Dabei stellte sich heraus, dass kein Schüler die genaue Aufgabenstellung verstanden hatte.“

Ein Beitrag von Friederike L.

Im Rahmen meines Orientierungspraktikums hospitierte ich zwei Unterrichtsstunden im „Themenbezogenen Unterricht“ (TZU), in dem zurzeit Physik der Schwerpunkt ist. Die Klasse ist jahrgangsübergreifend zusammengesetzt (Jahrgangsstufen 7 bis 10). Im TZU wird den Schüler*innen die Möglichkeit geboten, ein Thema aus verschiedenen Perspektiven und fachübergreifend zu bearbeiten. In dieser Stunde waren 23 Schüler*innen (SuS) anwesend.
Zum Anfang der Stunde fasste der Lehrer kurz den Inhalt der letzten Stunde, ein Struktogramm zum Thema Elektrizität, zusammen. Im Anschluss leitete er die neue Aufgabe an, indem er erklärte, dass die Aufgabe in 2er-Gruppen bearbeitet werden sollte, die die SuS selbstständig bilden sollten. Es entstand Unruhe, da die SuS aufstanden und sich einen Partner suchten. Als der Lehrer sich erkundigte, ob alle einen Partner gefunden haben, rief ein Schüler (Bastian, Name geändert) durch die Klasse: „Linus (Name geändert), wollen wir zusammen machen?“ Da Linus jedoch aus Erfahrung wusste, dass man mit Bastian nicht effektiv zusammenarbeiten kann, stimmte er erst nach längerem Zögern zu. Der Lehrer fragte währenddessen noch ein zweites Mal, ob nun alle einen Partner hätten, erhielt aber immer noch keine Antwort. Daraus schloss er, dass alle einen Partner hätten und versuchte die SuS zur Ruhe zu bringen, was ihm nicht ganz gelang. Trotzdem fing er an, die neue Aufgabe zu erklären. Währenddessen stellte sich heraus, dass fünf SuS noch keinen Partner hatten. Der Lehrer unterbrach seine Erklärung und teilte die restlichen SuS in eine 2er- und eine 3er Gruppe ein, da ihm erst zu diesem Zeitpunkt die ungerade Anzahl der SuS bewusst wurde. Danach setzte er seine Erklärungen fort.
Während die SuS anfangen sollten, die Aufgabe zu bearbeiten, ging ich im Klassenraum herum und schaute den Gruppen über die Schulter. Dabei stellte sich heraus, dass kein/e Schüler/in die genaue Aufgabenstellung verstanden hatte. Auch dem Lehrer fiel das beim Herumgehen auf. Er erklärte die Aufgabe (diesmal war es ruhig) erneut. Nun hatten alle SuS die Aufgabestellung erfasst und fingen mit der Bearbeitung an.

Meine Einsichten

Auf Grund dieser Beobachtung ist mir bewusst geworden, wie wichtig es ist, dass die SuS beim Erklären der Aufgabenstellung leise und konzentriert zuhören. Wenn Unruhe im Klassenraum herrscht, verstehen viele SuS die Aufgabe nicht bzw. hören nicht zu.
Außerdem fiel mir bei der Zuteilung der Gruppen auf, wie schwer es den SuS fällt, die Gruppen zu bilden. Den SuS ist teilweise bewusst, dass es nicht immer produktiv ist, mit den besten Freunden zusammen zu arbeiten. Das wurde mir durch das Beispiel von Bastian und Linus deutlich. In Pausen verbringt Linus gerne Zeit mit Bastian, allerdings wollte er nicht zusammen die Gruppenarbeit mit ihm machen, da er wusste, dass kein konstruktives Ergebnis dabei herauskommen würde. Beim Herumgehen fiel mir auf, dass Linus tatsächlich die meiste Arbeit alleine machte, während Bastian die meiste Zeit mit anderen quatschte und andere ablenkte.

Meine Folgerungen

Aus dieser Stunde habe ich gelernt, dass man sich vor Stundenbeginn einige organisatorische Punkte überlegen sollte. Dazu zählt z.B. sich die Anzahl der Schüle bewusst zu machen, um bei einer ungeraden Anzahl entsprechend reagieren zu können.
Außerdem sollte man bei der Unterrichtsplanung bedenken, dass eine selbstständige Gruppeneinteilung durch die SuS Zeit in Anspruch nimmt und eine gewisse Unruhe mit sich bringt. Diese Phase muss im Zeitplan der Stunde berücksichtigt und in der Umsetzung gut anleitet werden (z.B. zeitliche Begrenzung setzen).
Eine andere Art der Gruppeneinteilung, die den Prozess der Gruppenfindung beschleunigt, ist die Einteilung durch den Lehrer. Desweiteren sollte man bei der Gruppeneinteilung darauf achten, dass keine SuS übrig bleiben und möglichst produktive Gruppen entstehen. Beim Erklären der Aufgabenstellung ist es sinnvoll, diese vor der Einteilung der Gruppen zu stellen, damit noch Ruhe herrscht und die SuS nicht durch die Gruppenfindung unruhig werden. Eine andere Möglichkeit ist es, die Aufgabenstellung schriftlich in die Gruppen zu geben.

Meine Anschlussfragen

  • Wie kann man die SuS dafür sensibilisieren, „gute“ Gruppen zu bilden?
  • Wie verschafft man sich bei Gruppenarbeiten einen Überblick, wer wie arbeitet?
  • Was sind sinnvolle Gruppen?
  • Wie plane ich eine Gruppenarbeit am besten? Wie viel Zeit nimmt welcher Schritt in Anspruch?

3 Gedanken zu „„Dabei stellte sich heraus, dass kein Schüler die genaue Aufgabenstellung verstanden hatte.““

  1. Ich finde die Analyse von Gruppenarbeit im Unterricht sehr interessant. In der Vorlesung „Pädagogisches Handeln“ im ersten Semester ging es um die Fachbegriffe Forming, Storming, Norming und Performing, die die einzelne Phasen einer Gruppenarbeit genauer betrachten. In der Forming Phase lernen sich dabei die Gruppenmitglieder kennen und verschaffen sich dabei einen Überblick über die zu erledigende Aufgabe, während die Rollen der individuellen Mitglieder im der Storming Phase verdeutlicht werden. Dabei finde ich die Rollen, in denen die Gruppenmitglieder geteilt werden, sehr interessant. Es gibt den schüchternen Typ, welcher eher etwas zurückhaltender gegenüber der Gruppe ist. Das Gegenteil ist der Anführer, welcher meist viel redet und der Gruppe bestimmte Aufträge zuteilt. Weiterhin haben wir den „Mitläufer“, der eher weniger macht und eher sich in der Gruppe mit gleiten lässt und zuletzt der Zielstrebige, der viel Arbeit auf sich nimmt und meist auch die Arbeit der anderen übernimmt. Es gibt natürlich noch weitaus mehr Rollen in Gruppenarbeiten, aber diese vier sind die bekanntesten. In dieser Phase erscheinen außerdem die ersten Konflikte, die entweder gelöst werden oder zum Abbruch der Gruppenarbeit führen. In der Norming Phase hingegen, einigen sich die Gruppenmitglieder auf gemeinsame Ziele, sodass sie dann in der letzten Phase, nämlich der Performing Phase, ihr Produkt zusammen erfolgreich präsentieren oder Aufgabe erledigen können.
    Es ist sehr spannend und durchaus wichtig für die Lehrkraft alle SUS in verschiedenen Gruppen zusammen zu tun, um zu sehen wie das individuelle Kind anders performt. Dabei kann die Lehrkraft analysieren welche Verhaltensmuster der/die Schüler/in aufweist und in welcher Konstellation das Kind gut arbeiten kann. Gegebenfalls kann die Lehrkraft dadurch auch erkennen wann es bei bestimmten Kindern zu Störungen in Gruppenarbeiten kommt. Daher ist Gruppenarbeit nicht nur gut für die SUS, um sich aktiv mit ihren Schulkameraden auszutauschen und besser kennenzulernen, aber auch sehr hilfreich für die Lehrkraft.

  2. Ich finde diesen Beitrag interessant, da er viele Ansatzpunkte für Überlegungen bietet.
    Die Schreibende stellt die Frage wie man feststellt wer in der Gruppe was macht.
    Eine Möglichkeit wäre, vor dem Beginn der Gruppenarbeit Rollen zu verteilen (ein Zeitwächter, jemand Recherchiert, jemand arbeitet aus etc) dies kann auch von der Lehrenden Person festgehalten werden.
    Gefragt wurde auch, wie eine sinnvolle Gruppe aussieht und ich denke das hängt davon ab, was man mit der Gruppenarbeit erreichen möchte (Gruppenmitglieder als Experten in neue Gruppen schicken oder soll die Gruppe etwas präsentieren). Ich könnte mir auch vorstellen, dass die meisten SuS schon wissen, welche Gruppe eigentlich gut für sie wäre und innerhalb welcher Konstellationen sie eher abgelenkt wären.
    Interessant finde ich auch die Beschriebung des Lehrerhandelns. Wieso fordert die Lehrkraft keine Ruhe vor der Erklärung des Arbeitsauftrages ein?

  3. Meiner Meinung nach ist dieser Beitrag sehr spannend, vor allem weil mir die Situation leider aus meiner eigenen Schulzeit nur zu bekannt ist. Oft sind die Schülerinnen und Schüler so in ihrer eigenen Gedankenwelt, dass sie überhaupt nicht mitbekommen, was die Lehrkraft gerade versucht ihnen zu erklären. Ich finde insgesamt den Beitrag auch insofern sehr interessant, weil er viel Spielraum zu angrenzenden Überlegungen bietet. Wie hätte die Lehrkraft verhindern können, ihre Erklärung unterbrechen zu müssen, um erneut Kinder in Gruppen einzuteilen? Wie hätte man garantieren können, dass alle Kinder von Anfang an zuhören und auch verstehen was von ihnen verlangt wird? Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie man diese Situation hätte vermeiden können, doch genau um sich dessen bewusst zu werden, denke ich ist dieser Artikel perfekt. In der Schule in der ich als studentische Hilfskraft bereits arbeite, regelt die Lehrerin solche Einteilsituationen beispielsweise so, dass sie nach kurzer Zeit die Kinder der Reihe nachfragt, mit wem sie denn zusammenarbeiten möchten und die möglicherweise übrigen Kinder dann noch selbst zuteilt. Um eine mehrfache Erklärung der Aufgabenstellung zu vermeiden, müsste man dann zum einen erstmal darauf achten, dass alle Kinder aufmerksam sind und zum anderen könnte man am Ende der Erklärung um Verständnisfragen bitten oder die Kinder nochmal dazu auffordern, die Aufgabenstellung zu wiederholen. Das ist insofern gut, da die Kinder dadurch gezwungen sind aufzupassen und andererseits auch nochmal die Möglichkeit haben eine vereinfachte Erklärung eines Mitschülers zu hören.

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