Dr. phil.habil. Tilo Grätz

Research Associate,Institute for Media and Communication Studies

Forschungsfragen -ziele

Das Projekt analysiert die gesellschaftliche Relevanz interaktiver Radiosendungen sowie die kommunikative Rolle der häufigen Anrufer dieser Sendungen, der so genannten grogneurs, in der Republik Benin. Das Forschungsprojekt wendet sich also den Akteuren und der Bedeutung interaktiv-partizipativer Medien im Alltag am Beispiel von Radiosendungen in Benin zu. Es untersucht vor allem mit qualitativen Methoden neue Prozesse der politischen Kommunikation (Pfetsch 2011; Garlicki und Dobek-Ostrowska 2013) sowie neue Spielräume der Partizipation (Snow und Scavo 2016; Wimmer et al. 2018). Es fokussiert auf besondere Verknüpfungen zwischen „klassischen“, „neuen“ sowie „traditionellen“ Medien (der mündlichen Kommunikation) und möchte aktive Anrufer als neue mediale Akteure ins Blickfeld rücken (Arvidsson et al. 2015). Einige Begriffsklärungen: Interaktiv werden allgemein jene Kommunikationstechnologien genannt, die nichtlinear arbeiten und dialogfähig sind. Dabei bestehen unterschiedliche Grade an Interaktivität (vgl. Jin et al. 2013). Bei Radiosendungen ist diese selbstredend begrenzter als bei Internet-Anwendungen. Partizipativ bezeichnet wiederum einen hohen Anteil der Mitgestaltung kommunikativer Produkte durch Mediennutzer. Im Englischen dominiert der Begriff participatory media (vgl. Jenkins 2008b; Seth 2008). Häufige Anrufer nennt man im anglophonen Kontext Afrikas meist „serial callers“ (vgl. Brisset-Foucault 2016). Die Bezeichnung grogneurs ist im Falle Benins aber sinnvoller als der technische Begriff “Vieltelefonierer”, denn er nimmt ihre emische Bezeichnung und spezifische Rolle dort auf.

Es geht zum einen um die soziale Stellung, persönlichen Motive und Medienstrategien (Informationsgewinnung, Anrufweisen) der grogneurs, sowie Modi der Aneignung von Kommunikationstechnologien (in Anlehnung an Rieß 2019; vgl. auch Geimer 2011). Zum anderen werden ihre Freiräume als auch ihre teilweise Vereinnahmung durch politische Unternehmer sowie typische Formen ihrer Selbstinszenierung und Haltung als „Star“, ähnlich wie bei populären Künstlern, analysiert. Dabei sollen einseitige Perspektiven vermieden werden. Hieraus ergeben sich folgende konkrete Forschungsfragen:

  • Welche kommunikativen Strategien verfolgen die grogneurs?
  • Welche Informationsquellen nutzen sie? Wie eignen sie sich technologische Möglichkeiten an? Welchen Einfluss haben berufliches Wissen und soziale Netzwerke auf ihre Interventionen?
  • Welche Wirkung entfalten diese?
  • Welche Beziehungen unterhalten sie untereinander und zu Medienakteuren?

Hinsichtlich der Radiomoderatoren ist zu fragen:

  • Wie gestalten sie diese Sendungen?
  • Wie vermeiden sie ihre missbräuchliche Nutzung?
  • Welche Beziehungen unterhalten sie zu grogneurs auch außerhalb der Sendungen?

Schließlich sollen Medienexperten und vor allem reguläre Hörer hinsichtlich ihrer Rezeptionsgewohnheiten, ihrer Bewertung der Sendungen und Themen und ihrem Einfluss auf öffentliche Debatten (z.B. in Wahlkampfperioden) befragt werden.

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