von Inga Steengrafe und Janka Andernach
1. Definition
Zunächst soll vorgestellt werden, was unter politischer Bildungsarbeit verstanden werden kann. (Politische) Bildungsarbeit findet sowohl in der Schule als auch außerhalb der Schule statt. Im Folgenden sollen aber vor allem Berufsmöglichkeiten in der außerschulischen Bildungsarbeit vorgestellt werden. Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) definiert politische Bildung wie folgt:
„Politische Bildung [Hervorh. d. Verf.] ist die im deutschsprachigen Raum gebräuchliche Bezeichnung für Lernangebote, die in pädagogischer Absicht Fähigkeiten und Wissen von Menschen im Umgang mit Politik entwickeln wollen. In jüngerer Zeit bezieht sich politische Bildung hierfür auf Erkenntnisse und Methoden der Sozialwissenschaften“ (Sander 2009: Politische Bildung).
1976 beschlossen und auch heute noch weitestgehend gültig ist dabei der Beutelsbacher Konsens, der folgende Richtlinien aufstellte:
- „Überwältigungsverbot. [Hervorh. d. Verf.] Es ist nicht erlaubt, den Schüler […] im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der ‚Gewinnung eines selbstständigen Urteils‘ (Minssen) zu hindern. […]
- Was in Wissenschaft und Politik kontrovers [Hervorh. d. Verf.] ist, muß auch im Unterricht kontrovers erscheinen. […]
- Der Schüler muß in die Lage versetzt werden, eine politische Situation [Hervorh. d. Verf.] und seine eigene Interessenlage zu analysieren [Hervorh. d. Verf.], sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen [Hervorh. d. Verf.] (Wehling 1977:179f.).“
Zudem kann festgestellt werden, dass sich politische Bildung von einer nationalstaatlichen Orientierung hin zu einer Internationalisierung bewegt hat. Politische Bildung ist in Deutschland im Kontext des Nationalstaats entstanden und galt als Erziehung zur Demokratie und zu Staatsbürger*innen. In den letzten Jahren hat sich auch die politische Bildung an die Globalisierung und Vernetzung von Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und ökologischen Fragen angepasst. Somit gibt es nun vermehrt Überschneidungspunkte mit Agendas der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) und kultureller Bildung (Sander 2009: Politische Bildung). Mit welchem Politikbegriff gearbeitet und inwieweit beispielsweise postkoloniale oder feministische Theorien und Anregungen Eingang in die jeweilige Arbeit eines Trägers oder Vereins finden, ist jedoch abhängig von dem Selbstverständnis der jeweiligen Institution bzw. der Referent*innen.
Grundsätzlich sind Träger der politischen Bildung in öffentliche und private, d.h. in staatliche, nichtstaatliche und kirchliche Organisationen zu unterscheiden. Dabei gibt es sowohl Großorganisationen wie Gewerkschaften oder kirchliche Verbände als auch kleine Träger. Ein großer Teil ist im „Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten“ zusammengeschlossen (Ciupke 2015).
Zu den staatlichen Institutionen gehören z.B. die Bundeszentrale für politische Bildung, sowie die Landeszentralen und die politischen Stiftungen. Die politischen Stiftungen sind in Deutschland sechs bundesweite Organisationen, die den im Bundestag vertretenen Parteien nahestehen: die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung (HSS), die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNS), die den Bündnis 90/Die Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) und die der Partei Die Linke nahestehende Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) (Massing 2015).
Eine Auflistung zahlreicher Träger politischer Bildung in Berlin findet sich auf der Internetseite der Berliner Landeszentrale für politische Bildung: https://www.berlin.de/politische-bildung/politikportal/traeger-politischer-bildung/
2. Arbeitsfelder
Veranstaltungsmanagement:
Viele Vereine und Stiftungen organisieren verschiedene Veranstaltungsformate. Diese können Abendveranstaltungen, Lesungen, Filmabende oder auch Workshop-Reihen sein, die sich je nach Thema und Zielgruppe ausrichten. Wer Spaß am Organisieren hat, ist hier richtig.
Kampagnenarbeit:
Kampagnenarbeit ist für viele Vereine ein zentrales Arbeitsfeld, um auf ihr Thema aufmerksam zu machen. Hier sind Kreativität und eventuell Designkünste gefragt. Klassische Organisationen, die Kampagnenarbeit in den Vordergrund stellen, sind z.B. Amnesty International oder INKOTA e.V.
Fundraising:
Fundraising ist ein eher unbeliebtes Arbeitsfeld, bietet aber gerade deshalb recht gute Einstiegschancen, da die Akquise von finanziellen Mitteln und Projektgeldern für alle Vereine, NGOs und Initiativen überlebenswichtig ist. Hierzu bietet der Career Service an der FU Berlin ein Seminar für Studierende an.
Freiwilligen- und Austauschprogramme:
Diverse Träger organisieren interkulturelle Begegnungen und Lernerfahrungen beispielsweise in Form von Freiwilligendiensten, Workcamps, Austauschprogrammen oder Schüler*innenbegegnungsreisen. Eigene Auslandserfahrungen, Sprachkenntnisse, interkulturelle Kompetenzen sowie organisatorische Fähigkeiten sind unter anderem Voraussetzungen für diese Tätigkeiten. Träger oder Programme, die in diesem Bereich tätig sind, sind beispielsweise ENSA oder der ICJA e.V.
Kulturarbeit:
Dieses Feld ist eng mit Veranstaltungsmanagement verwandt, in diesem Kontext ist damit künstlerisch-ästhetisch-kreative Bildung gemeint. Mögliche Formen stellen Theater-pädagogik, Tanz, Kunstausstellungen oder auch Festivals dar. Diese können auch politische Inhalte vermitteln bzw. zu einer Auseinandersetzung mit ihnen anregen. Zum Beispiel arbeiten KURINGA – Madalena Berlin im Bereich Theaterpädagogik mit der Methode des Theaters der Unterdrückten.
Öffentlichkeitsarbeit/ PR (Public Relations):
ÖA oder PR umfasst die interne und externe Kommunikation eines Vereins oder einer Institution. Hier geht es zum Beispiel darum, Pressemitteilungen herauszugeben, Webseiten und Social Media zu betreuen oder Flyer mitzugestalten. Dabei ist es wichtig, exakt zu recherchieren und sich mündlich wie schriftlich souverän ausdrücken zu können sowie eine Affinität zu Social Media mitzubringen. Dies kann man beispielsweise im Rahmen von Praktika in der Öffentlichkeitsarbeit eines Vereins oder einer Stiftung erlernen. Für das Gestalten und Layouten von Printmedien gibt es auch Kurse bei der ZEDAT. Auf diesem Blog findest du zudem einen weiteren Beitrag mit mehr Informationen rund um PR & Öffentlichkeitsarbeit.
Seminarleiterleitung:
Als Trainer*in oder Seminarleiter*in ist es möglich, freiberuflich oder angestellt zu arbeiten. Die Themen sind hierbei vielfältig: Antirassistische Sensibilisierungstrainings, interkulturelle Kommunikation, Globales Lernen, Feministische Bildung, ökologische Bildung, uvm. Beispiele von Zusammenschlüssen freiberuflicher Trainer*innen in Berlin sind Glokal e.V. und Phoenix e.V. Je nach inhaltlichem Interesse können verschiedene Weiterbildungen belegt werden, die aber auch immer methodische Kompetenzen vermitteln. Im Bereich Globales Lernen gibt es beispielsweise auf www.globaleslernen.de eine Zusammenfassung möglicher Weiterbildungen.
3. Einstiegswege und Anforderungen
Die im Studium erworbenen Kenntnisse zu postkolonialen und intersektionalen Perspektiven sowie der kritische Blick auf politische, wirtschaftliche und soziokulturelle Zusammenhänge sind besonders relevant für eine (selbst-)kritische politische Bildungsarbeit. Denn eine vertiefte Kenntnis von Nord-Süd-Thematiken, Machtstrukturen und sozialer Transformation spielen für viele Formen der politischen Bildung eine große Rolle. Je nach thematischem Schwerpunkt der Bildungsarbeit kann auch beispielsweise Wissen in Bezug auf Migration und Flucht, Globalisierung und/oder Genderfragen relevant sein. Darüber hinaus werden je nach Stelle Sprach- und Regionalkenntnisse relevant, beispielsweise im Lateinamerikareferat einer Stiftung oder bei der Organisation von Auslandsaufenthalten oder Begegnungsreisen. Tätigkeiten im Büro erfordern zudem einen souveränen Umgang mit MS Office und zum Teil Kenntnisse in Bezug auf CMS und statistische Datenerhebungen. (Für EDV-Kompetenzen siehe Angebote der ZEDAT). Da Fundraising gerade in kleineren Vereinen oft von Personen übernommen wird, die keine BWLer*innen sind, lohnt es sich, diesbezüglich Kenntnisse zu erwerben und an der Universität Kurse zu belegen („BWL für Nicht-BWLer*innen“) oder im Rahmen eines Praktikums in diesen Bereich hineinzuschnuppern. Auch wer selbst in einem Verein aktiv ist, kann sich vermutlich früher oder später darin üben, Anträge zu stellen und kleine Projekte abzurechnen.
Wege in die politische Bildungsarbeit sind so divers wie das Feld selbst. Viele finden den Einstieg über Praktika, im Inland oder Ausland, bei Vereinen oder Stiftungen, um zum Beispiel in die Bereiche Projektmanagement, Kampagnenarbeit oder Öffentlichkeitsarbeit einzusteigen. Zudem gibt es oft die Möglichkeit als studentische Hilfskraft Arbeitserfahrungen bei einer Institution zu sammeln, Ausschreibungen hierzu sind u.a. auf dem FU Stellenanzeiger zu finden. Für angehende Referent*innen bietet es sich an, eine methodische und inhaltliche Fortbildung in dem jeweiligen Bereich zu machen. Häufig kann man in diesem Rahmen bereits die ersten eigenen Workshop-Erfahrungen sammeln. Gerade für Menschen, die ein FSJ im Ausland absolviert haben, gibt es verschiedene Möglichkeiten sich nach der Rückkehr nach Deutschland weiterzubilden (siehe z.B. Engagement Global, EPIZ e.V. oder ICJA e.V.).
Für redaktionelle Tätigkeiten kann es auch sinnvoll sein, ein Volontariat zu absolvieren.
4. Konkrete Zahlen
Der Bereich der politischen Bildungsarbeit ist, wie bereits dargestellt, äußerst heterogen und lässt sich daher nur begrenzt durch Zahlen darstellen. Häufig stellen Seminare und Inhalte politischer Bildung Teilbereiche von thematisch arbeitenden Trägern dar und sind nicht immer eigenständige Arbeitsstellen oder Projekte.
Dennoch gibt es Zahlen zur NGO-Landschaft und zur Freiberuflichkeit in Deutschland, die interessant sein können für den angestrebten Karriereweg. Die Bundeszentrale für politische Bildung unterstützte 2009 zwischen 300 und 400 Träger finanziell für Veranstaltungen (Sander 2009). Die NGO-Landschaft ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gewachsen und umfasste im Jahr 2007 7628 NGOs in Deutschland, Tendenz steigend (bpb 2010). Weitere positive Zahlen gibt es im Bereich der freiberuflich Tätigen. Zwar finden sich hier keine konkreten Zahlen für die politische Bildung, im Allgemeinen nimmt die Bedeutung von Selbstständigkeit in Deutschland aber zu: zwischen 2011 und 2012 ist sie um 11% gewachsen.
Nach Angaben des IFB, dem Institut für Freie Berufe, waren 2014 rund 1,27 Millionen Menschen in Deutschland als Freiberufler*innen tätig. Die meisten Freiberuflichen werden mit 299.000 in den sogenannten Freien Kulturberufen verortet (Für Gründer GmbH 2016). Dies ist relevant, da viele Menschen, die explizit Seminare und Trainings für Inhalte politischer Bildung anbieten, freiberuflich arbeiten.
Quellen:
Printquelle:
Wehling, Hans-Georg 1977: Konsens à la Beutelsbach? In: Siegfried Schiele/Herbert Schneider (Hg.): Das Konsensproblem in der politischen Bildung. Stuttgart.
Onlinequellen:
Bpb 2010: NGOs. In: bpb (Hg.), Zahlen und Fakten: Globalisierung: https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52808/ngos. Letzter Zugriff:12.09.2017.
Ciupkke, Paul 2015: Freie Träger und der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten. In: bpb (Hg.), Politische Bildung: https://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/politische-bildung/193587/freie-traeger-und-der-adb. Letzter Zugriff: 12.09.2017.
Mai, Christoph-Martin & Marder-Puch, Katharina 2013: Destatis: Statistisches Bundesamt: Publikation zur Selbstständigkeit in Deutschland: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/WirtschaftStatistik/Arbeitsmarkt/SelbststaendigkeitDeutschland_72013.pdf?__blob=publicationFile. Letzter Zugriff: 12.09.2017
Massing, Peter 2015: Politische Stiftungen. In: bpb (Hg.): Politische Bildung: https://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/politische-bildung/193401/politische-stiftungen. Letzter Zugriff:12.09.2017.
Sander, Wolfgang 2009: Politische Bildung. In: bpb (Hg.): Kulturelle Bildung: https://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/kulturelle-bildung/59935/politische-bildung?p=all). Letzter Zugriff:18.08.2017.
Für Gründer GmbH 2016: Freiberufler werden: Ihr Weg zur Gründung: https://www.fuer-gruender.de/wissen/existenzgruendung-planen/recht-und-steuern/rechtsform/freiberufler-werden/. Letzer Zugriff 12.09.2017
Weiterführende Links:
Träger politischer Bildung in Berlin: https://www.berlin.de/politische-bildung/politikportal/traeger-politischer-bildung/
Engagement Global: www.engagement-global.de
EPIZ e.V.: www.epiz-berlin.de
ICJA: www.icja.de
Globales Lernen: www.globaleslernen.de
Glokal e.V.: www.glokal.org
Phönix e.V.: www.phoenix-ev.org