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Der aktuelle Fall (3/2012)

Am 18. Juli 2012 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Regelungen zu den Geldleistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar sind. Die Höhe dieser Geldleistungen ist evident unzureichend, weil sie seit 1993 trotz erheblicher Preissteigerungen in Deutschland nicht verändert worden ist. Zudem ist die Höhe der Geldleistungen weder nachvollziehbar berechnet worden, noch ist eine realitätsgerechte, am Bedarf orientierte und insofern aktuell existenzsichernde Berechnung ersichtlich. Die Hilfssätze für Asylsuchende von 225 Euro monatlich wurden nicht an die Inflationsrate angepasst. Hartz-IV-Empfänger bekommen zurzeit mit 374 Euro rund 40 Prozent mehr zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums. Diese Pflicht zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich im Übrigen auch aus dem Recht der Europäischen Union und dem Völkerrecht.

 

Die insgesamt 130.000 Betroffenen erhalten demnach ab sofort Leistungen in Höhe von 336 Euro monatlich. Davon müssen 130 Euro „für die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens“ in bar ausbezahlt werden, entschied das Bundesverfassungsgericht. Bislang lag dieser Betrag bei 40 Euro. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben.

Besonders interessant an dieser Entscheidung ist, dass das BVerfG die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung nach dem Aufenthaltsstatus klar zurückweist. Wenn bei einem kurzfristigen, nicht auf Dauer angelegten Aufenthalt tatsächlich ein geringerer Bedarf bestünde und der Gesetzgeber dies bei der Leistungshöhe berücksichtigen will, muss er diese Gruppe so definieren, dass sie hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen erfasst, die sich kurzfristig in Deutschland aufhalten.

Eine große Zahl der vom Asylbewerberleistungsgesetz erfassten Leistungsberechtigten halten sich typischerweise aber nicht nur für kurze Zeit in Deutschland auf, sondern überwiegend bereits länger als sechs Jahre in Deutschland auf. Doch auch kurze Aufenthaltsdauer oder Aufenthaltsperspektive in Deutschland rechtfertigt es nicht, den Anspruch auf die bloße Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf die Sicherung der physischen Existenz zu beschränken. Die menschenwürdige Existenz muss ab Beginn des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland gesichert werden.

Auch migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.

 

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Der Beitrag wurde am Montag, den 30. Juli 2012 um 10:06 Uhr von Lars Müller veröffentlicht und wurde unter Allgemein abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf Ihrer Seite einrichten.

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