Inequalitics

Promotionskolleg "Steuer- und Sozialpolitik bei wachsender Ungleichheit"

Aufholen bei der Bildung

Die Integration von Migranten macht Fortschritte: Die Nachkommen der italienischen Gastarbeiter holen bei der Schulbildung auf.*

Wenn es in der öffentlichen Diskussion um die Integration von Ausländern geht, ist oft von Missständen die Rede – von Parallelgesellschaften, in denen Schulabbrecher mit mangelhaften Deutschkenntnissen und ohne Aussichten auf einen vernünftigen Job ihr Dasein fristen. Repräsentativ sind solche Zustände nicht: Was den schulischen Erfolg angeht, nähern sich Migranten in Deutschland zunehmend den Einheimischen an. Das zeigen Timm Bönke und Guido Neidhöfer von der Freien Universität Berlin am Beispiel der Italiener in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie.

In der Regel, so die Ökonomen, würden Querschnittsdaten herangezogen, um den Stand der Integration zu beurteilen – was zu ernüchternden Ergebnissen führe. Entsprechenden Studien zufolge sind insbesondere Gastarbeiter und ihre Nachfahren deutlich schlechter qualifiziert als der Rest der Bevölkerung. Zu den Gruppen mit den größten Problemen gehören demnach die Italiener. Bönke und Neidhöfer halten solche statistischen Momentaufnahmen allerdings für nur begrenzt aussagekräftig. Für ein fundiertes Urteil wäre es nach ihrer Einschätzung nötig, die langfristige Entwicklung zu betrachten.

Zu diesem Zweck haben die Forscher Daten des Sozio-oekonomischen Panels zur Schulbildung von italienischen Immigranten ausgewertet. Zusätzlich hatten sie über die italienische Botschaft Zugang zum amtlichen Verzeichnis aller Italiener mit Wohnsitz in Deutschland. Betrachtet man lediglich die aktuelle Situation, ergibt sich das bekannte Bild: Menschen mit italienischen Wurzeln hinken bei den Schulabschlüssen im Vergleich zu denen ohne Migrationshintergrund hinterher. Im Zeitablauf ist allerdings ein Aufholprozess erkennbar: Die zweite Generation der Einwanderer schneidet schulisch besser ab als ihre Eltern, die Kluft zu den Einheimischen wird kleiner. Dazu passt ein zweiter Befund der Untersuchung: Die Mobilität zwischen den Generationen ist bei den Italienern größer als bei den Deutschen. Der Einfluss der Bildung der Eltern auf den Schulerfolg sei zwar generell groß, bei den Gastarbeitern allerdings weniger ausgeprägt als bei Einheimischen, schreiben Bönke und Neidhöfer. Wenn man den Einfluss der Eltern herausrechne, hätten Migranten der zweiten Generation die gleichen Chancen wie Deutsche, mindestens einen Realschulabschluss zu erreichen.

Das im Schnitt geringere Bildungsniveau von Italienern, so die Schlussfolgerung, sei kein Anzeichen für eine verfehlte Integration, sondern Ausdruck eines noch nicht abgeschlossenen ökonomischen Assimilationsprozesses. Dass bislang noch keine vollständige Konvergenz stattgefunden hat, sei auf das vergleichsweise geringe Ausgangsniveau bei den Gastarbeitern zurückzuführen. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler dürften bereits die Enkel der ersten Einwanderergeneration mit den Deutschen gleichziehen.

Quelle: Timm Bönke, Guido Neidhöfer: Parental background matters: Intergenerational mobility and assimilation of Italian immigrants in Germany, FU Berlin, School of Business & Economics, Discussion Paper 2014/21


Ein Fünftel Migranten

Laut Statistischem Bundesamt lebten 2013 rund 16,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 20,5 Prozent. Von diesen Menschen haben 9,7 Millionen einen deutschen Pass. Etwa ein Drittel ist hierzulande geboren, zwei Drittel sind zugewandert. Fast 70 Prozent der Zuwanderer stammen aus einem europäischen Land, 36,6 Prozent aus einem der EU-Mitgliedstaaten. Aus Asien kommen 17,8, aus Afrika 3,2 Prozent. Die wichtigsten Herkunftsländer sind die Türkei mit 12,8, Polen mit 11,4 und Russland mit 9 Prozent. Die Gastarbeiterländer Italien und Griechenland liegen mit 4 und 2,1 Prozent auf den Plätzen sechs und sieben. Nach wie vor gibt es deutliche Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern: Von den Personen mit Migrationshintergrund leben 16 Millionen oder 96,6 Prozent im Westen. Der Bevölkerungsanteil reicht von 4,1 Prozent in Thüringen bis 28,9 Prozent in Hamburg. Gegenüber 2012 stieg die Zahl der Menschen mit Migrationshintergund im engeren Sinn bundesweit um 3,8 Prozent an. Dabei nahm die Zahl der Zuwanderer um 3,6 Prozent, die der in Deutschland geborenen Menschen mit Migrationshintergund um 4,2 Prozent zu. Statistisches Bundesamt, Nov. 2014


*Dieser Artikel ist in der Böckler Impuls, Ausgabe 19/2014, erschienen und wurde nicht von dem Autor dieses Blogbeitrags verfasst.

Hier die Originalfassung: https://www.boeckler.de/impuls_2014_19_2.pdf

Der Beitrag wurde am Freitag, den 12. Dezember 2014 um 19:06 Uhr von Guido Neidhöfer veröffentlicht und wurde unter Allgemein, Bildung, Chancengleichheit, Migration, Soziale Mobilität, Ungleichheit abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf Ihrer Seite einrichten.

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