21. August 2007 von
Unser zweiter spannender Auftrag soll eine Befragung mehrerer Nomadenfamilien ueber ihre Viehwirtschaft sein. Lange vor Sonnenaufgang klingelt unerbittlich der Wecker, aber der Fahrer ist so lieb, seine Ankunft selbststaendig hinauszuzoegern, so dass wir die Sonne vor unserer gemeinsamen Jurte in Ulaangom geniessen koennen.
Ab der Station unseres Praktikumstierarztes im etwa 50 km entfernten Sum-Center Taarialan ist der Tierarzt aufgrund einer Fortbildung in der Hauptstadt abkoemmlich. So begleitet uns seine taffe Frau Tsendjav, die als Tierarztgattin beste Kenntnisse besitzt, zusammen mit ihrem Sohn, selbst Tiermedizinstudent, auf einem gelaendegaengigen Motorrad durch die malerische Steppe mit Blick auf den entfernten Gletscher, das Wahrzeichen des Aimag oder „Bundeslandes“ Uvs. Die Fahrt fuehrt durch Wildbaeche und ein hohes, weites Canyon hindurch.
Leider sind aufgrund dieses ungewoehnlich heissen und trockenen Sommers die meisten Bachlaeufe ausgetrocknet und die Vegetation ist dieses Jahr recht karg.
1. Der erste Besuch findet bei der Nomadenfamilie statt, deren Schafherde wir bereits am ersten und zweiten Arbeitstag untersuchen durften. Wir werden wieder sehr herzlich empfangen und in ihr Heim gebeten, in dem der Milchtee auf dem Holzofen gekocht wird und Bisquits neben selbstbereitetem, getrocknetem Kaese bereitstehen.
Um nicht mit der „Jurtentuer in’s Haus“ zu fallen, geben wir das am Vorabend Einstudierte zum Besten, indem wir uns noch einmal als Studentinnen aus Berlin vorstellen und unser Interesse an der Tierhaltung, der Tiergesundheit und, last not least, der Lebensweise der Nomaden bekraeftigen. Als Fragensteller des bereits an der Heimatuni ausformulierten „Questionnaire“ ist Linda, unsere reifeste im Bunde, zusammen mit der Uebersetzerin und mittlerweile zur Freundin gewordenen Ariuna auserkoren, waehrend Lene und ich interessiert folgen, Kekse knabbern, gekonnt gesalzenen Milchtee schluerfen und mit den Kindern flirten.
Nach meinen Nebenjoberfahrungen in der Marktforschung bin ich besonders positiv von der Auffassungsgabe der Gastgeber beeindruckt, denn voellig unkompliziert sind unsere Fragen nun doch nicht, als auch von ihrer Offenheit. Es wird viel gelacht und den Befragten scheint die Prozedur mindestens so viel Spass zu machen wie uns. Nebenbei gibt es noch einige weitere Infos, wie , dass eines der Kinder in Ulaanbatar Agrarwissenschaft studiert.
Ohne ein weiters Highlight, beim ersten Besuch durften wir auf einem Yakstier reiten, duerfen wir nicht abfahren: Das Grosselternpaar macht sich von selbst aus die Muehe, sich die traditionellen Dells, Obermaentel aus feinem, in diesem Falle mittelblauem Stoff mit dunkelblauer Bemusterung aus mongolischen Zeichen, ueberzulegen und mit gelben Guerteln zu halten. Sie bitten uns zu einer Fotosession nach draussen, allerdings mit der Bedingung, ihre „schmutzigen Arbeitsschuhe“ nicht mit abzulichten. Ehrensache – obwohl die hier allseits beliebten Reit- und Arbeitsstiefel tipp-topp gepflegt sind!
Zum Abschied wird sich brav bedankt – ich koennte sie alle fuer ihre Herzlichkeit knutschen – und lebhaft aus dem Wagen gewunken.
2. Die zweite „Ziel-„familie befindet sich gerade nicht nur mitten in Umzugs-, sondern auch bei Vorbereitungen fuer eine Hochzeit am Folgetag. Da die Frauen unterwegs sind, springt der 21-jaehrige Sohn, selbst Lehramtsstudent und Erwerber mehrerer Medaillen in Sport, fuer sie ein und bereitet uns auf dem Jurtenofen eine schmackhafte Schaffleisch-Nudelsuppe, waehrend wir uns mit Pferdchenreiten, Beobachten der Yakwirtschaft und Fotos schiessen beschaeftigen duerfen.
Von Highlights schon ganz benommen, werden wir in die brandneue Nachbarjurte zu einem Nachtischtee mit Keksen und Bonbons gebeten, die ab morgen von dem frischvermaehlten Paar bezogen wird. Jeder stampft gemaess dem Brauch ein paar mal mit dem Schlegel im Kuebel mit gaerender Pferdemilch, die Vitamine und eine gute Verdauung liefert.
Leider muessen wir irgendwann weiter… aber ein kleiner Teil von uns bleibt.
3. Vor der Jurte tauchen immer mehr „Orgelpfeifen“ auf. Der Papa ist in der Steppe, um sich um den Heuvorrat fuer den langen, harten Winter zu kuemmern. Die Grosseltern aber bitten uns gerne in ihr Heim zu Tee, Bisquits und Hartkaese. Die huebsche Mutter setzt sich, den Juengsten auf ihrem Schoss wippend, zu uns auf die linke Gastseite der Jurte und stellt sich engagiert, geduldig und mit der Offenheit und Freundlichkeit, die uns hier schon so oft entgegengebracht wurde, den wissbegierigen Fragen unsererseits.
Zum Abschied duerfen wir wieder wunderbare Fotos knipsen, die jedes der acht Kinder erfreut auf den Displays von Lindas und Lenes Kameras inspiziert. Trotz der Erfahrung, dass die Nomadenfamilien keinerlei Gegenleistung fuer ihr Entgegenkommen verlangen, freuen wir uns, neben den „Standard-Giveaways“ noch eine aufgesparte Orange vom Markt in Ulaangom im Wagen zu haben, die der Grossvater sogleich unter den Kindern aufteilt.
Nach dem Abschied sind wir sieben im huckelnden Jeep in Gedanken noch bei dieser eng zusammenlebenden Grossfamilie und druecken jeden von ihnen.
Steffi Supe