Mongolei

Journal einer Mongoleireise

Steppe

Vor exakt drei Wochen hatte man uns in der Steppe „ausgesetzt“ – fuer mich, deren Leidenschaft es ist, durch die Waelder zu streifen und in den Gebirgen zu wandern, eine Herausforderung. Die Steppe bietet naemlich erstmal garnichts, was ein neugieriger Geist erkunden moechte – alles wird einem offen dargeboten, es gibt keine Berge, deren „Dahinter“ man erkunden moechte, keine Waelder, die Geheimnisse birgen koennten. Sie ist auch unheimlich still – nur der Wind und ab und an ein paar Greifvoegel durchbrechen die Stille. Abwechslung in diese oede Landschaft bringen der Mensch und die Natur selbst. Der Stand der Sonne und jede kleinste Wetteraenderung lassen die Szenerie wechseln. Waren die Berge am Horizont vorher noch blau, erscheinen sie jetzt gruen und im naechsten Augenblick rot. Zur Mittagszeit fuegen sich spiegelnde Seen der Hitze in die Landschaft ein. Abwechslung bieten die Yurten, sie werden wie auf einem Tablett dargeboten, umgeben von Schaf- und Ziegenherden, Pferden und Kuehen. Von der Weite inspiriert fallen uns laengst vergessen geglaubte mathematische Berechnungen aus der Schule ein – ein 1,50 m hoher Mensch kann demnach maximal 4 km weit schauen (und da die Erdkruemmung ueberall die gleiche ist, … oder?). Gut, ich bin 1,60 m hoch, meine Horizontlinie ist also ungefaehr 4,3 km weit entfernt (der Mathelehrer moege uns verzeihen, falls er dies liest!), ich versuche den Punkt zu fixieren und wir wandern los. Irgendetwas muss man hier ja machen koennen! Doch es wandert sich schlecht in der Steppe – kein Baum, der einem Abwechslung oder Schatten spendet. Nach drei Stunden geben wir auf und machen es wie die Nomaden, legen uns in die Yurte und lassen die Stunden einfach an uns vorbeiziehen, legen unsere Rastlosigkeit ab. Eines Tages machen wir uns mit unseren mongolischen Freunden auf, um eine andere Region zu erkunden, mit Waeldern, Bergen und Seen. Ob sie gemerkt haben, wie schwierig es uns manchmal fiel uns der Ruhe der Steppe hinzugeben? Mit einem russischen Gelaendewagen, der ewig gleichen Musik im Rekorder, lassen wir Kilometer fuer Kilometer Steppe hinter uns und nach 300 km ist es soweit, 100 km vor der russischen Grenze bietet sich ein anderes Bild – Laerchenwaelder, saftig gruene Weiden, Berge, Seen und Fluesse. Ich bin ueberzeugt, waeren wir in Europa, wuerde das hier gleich jemand die „Mongolische Schweiz“ nennen! Die Natur ist hier so reichhaltig und fruchtbar, dass die Menschen es sich erlauben koennen, sesshaft zu sein. Sie bauen Holzhaeuser und legen Aecker mit Getreide und Gemuese an, gewinnen Heu im Sommer. Sie werden nicht wie die Menschen in der Steppe gezwungen, mehrere Male im Jahr den Standort zu wechseln, damit ihr Vieh und somit auch sie genuegend zum Leben zu haben. Wir finden eine Unterkunft auf einem mongolischen Campingplatz – ich muss schmunzeln, denn fuer auslaendische Touristen ist ein Yurtencamp angelegt, waehrend die urlaubssuchenden Mongolen die Holzhaeuser bevorzugen. Wieder stelle ich mir die Frage, wie sich die Situation in der naechsten Generation darstellen wird. Wieviele junge Mongolen werden noch als Nomaden in der Steppe leben wollen? Nach diesem Wochenende weiss ich, dass ich auch eine Steppenseite besitze – wie schoen ist es einfach mal liegen zu bleiben und sich mit seinen 4,3 km zufrieden zu geben!

Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 23. August 2007 um 09:12 Uhr von Kristin Resch veröffentlicht und wurde unter Allgemein abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf Ihrer Seite einrichten.

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