Privatheit

Zur politischen Bedeutung eines umstrittenen Begriffs

Zum guten Schluss…

Nun kommt unser Seminar langsam zum Ende – wir haben intensiv diskutiert und ihr könnt hoffentlich einiges mitnehmen. Am Freitag wollen wir die vergangenen Monate nochmal Revue passieren lassen und gemeinsam der Frage nachspüren, was sich nach eingehender Beschäftigung mit dem Konzept der Privatheit dazu sagen lässt. Oder fällt dem einen oder der anderen schon vorher etwas dazu ein, was er oder sie als Kommentar schreiben möchte?

 

Als kleiner Denkanstoss können eure Beiträge dienen, die ja auch unseren Diskussionsprozess wiederspiegeln. Den Reigen der Blogbeiträge habe ich begonnen, mit kurzen Reflexionen zu Solove. Den ersten studentischen Beitrag schrieb Mirja und formulierte darin in Anlehnung an Warren/Brandeis, dass es nicht darauf ankommt, ob man etwas zu verbergen hat. Paul trieb besonders die Frage um, wie mit Privatheit von Organisationen umzugehen ist, die Westin aufwirft. Tillmann schrieb über die Unmöglichkeit, ein allgemeingültiges Konzept von Privatheit zu finden und bezog sich dabei auf Anita Allen. Maren griff unsere Diskussion auf, indem sie Regenschirm und Familienähnlichkeit gegenüberstellte. Daniel dachte im Anschluss an Arendt über die kontroverse Frage nach, ob das Öffentliche über dem Privaten steht. Und Kim fragte, ob sich Arendts Position mit dem Feminismus vereinbaren liesse. Malte Blau schlug dann den Bogen von Arendt zu Sennetts These von der Tyrannei der Intimität. Malte Grün untersuchte, welche Rolle öffentlicher Raum eigentlich für die Entfaltung der Persönlichkeit spielt. Den intrinsischen und extrinsischen Wert von Privatheit diskutierte Mirja in ihre Nachbereitung der Sitzung zu Anna Lever. Miriams Beitrag nahm Bezug auf die Räumlichkeit von Privatheit im Anschluss an Julie Cohens Überlegungen zum Selbst im vernetzten Zeitalter. Florian ging noch weiter ins Detail und argumentierte, dass das Argument, jeder hätte Wahlfreiheit im Bezug auf den Schutz seiner Privatheit im Netz zu greift.  Im folgenden Beitrag griff er die Post-Privacy Debatte auf und setzte sie in Bezug zu unserer lang erwarteten Diskussion über Big Data.  Den Abschluss der studentischen Beiträge machte Lelia mit ihren Ausführungen zu Transparenz und Privatheit, die die früheren Debatten zur Privatheit von Organisationen aufgriffen.

Eure beiträge haben mit ihrer Vielfalt einen wesentlichen Beitrag zu unserem Seminar geleistet. Dafür vielen Dank! Ich will die nächste Sitzung dazu nutzen, diesen Beiträgen noch einmal Raum zu geben – der beste bekommt eine besondere Auszeichnung, einen echten Publikumspreis, denn ihr dürft entscheiden, wer ihn bekommt. Es lohnt sich, nochmal zu lesen.

Und weil es die letzte Sitzung ist, gibt es auch eine Auswertung, die ihr vorab schon ausfüllen könnt.

Bis Freitag!

Privatheit für Organisationen

„Transparency in search of a theory“ von Mark Fenster kritisiert die existierenden Theorien für transparency als unzureichend und beschäftigt sich mit den Problemen zwischen Theorie und Praxis.
Wir alle kennen die immer wiederkehrenden Forderungen nach Transparenz. Für viele ist „Transparency (…) the dramatically satisfying answer to every crisis and question about the state.“ (S.151).
Aber in welcher Form und für wen das Transparenzgebot gilt und wann Geheimhaltung sinnvoll ist, ist nicht immer leicht zu definieren und auch nicht Anspruch des Autors. Fenster bezieht sich zwar nur auf Transparenz in einem Staat, jedoch lässt sich auch einiges auf unsere Frage nach Privatheit für Organisationen ableiten.
Es gibt verschiedene Theorien zum Thema Transparenz, aber in der Praxis sind sie nicht ausreichend, da es viele Schlupflöcher (z.B. Gesetzeslücken) gibt, die nicht berücksichtigt werden. Fenster behandelt die „communication theory“, in welcher es einen Sender, die Message (Informationen) und einen Empfänger gibt, die durch Kommunikation verbunden werden: Wenn laut der Theorie der Sender eine Message an einen Empfänger weiterleiten soll, ergeben sich in der Praxis Probleme: Sender können Informationen zurückhalten oder gezielt für ihre Zwecke einsetzen, die Message kann verändert werden durch z.B. nur Dokumente zu veröffentlichen, während man die wichtigen Dinge mündlich kommuniziert und schließlich garantiert Transparenz nicht, dass die Empfänger etwas damit anfangen (können). Natürlich sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass Privatheit häufig Sinn macht. Ein Staat braucht besonders in Fragen der Diplomatie einen gewissen Freiraum, um in Ruhe eine Lösung zu finden und bei Institutionen ist es nicht anders.
„The state is not fully defined or revealed by its ‘information’, which can only imperfectly represent official action and motivation rather than perfectly reproduce them” (S.162).
Auch Patrick Kilian sieht Transparenz immer in Verbindung mit Privatheit und nicht als vollkommene Lösung aller Probleme, denn „Wir sollten uns von dem Wunschtraum der vollständigen Offenheit der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ebenso wie von dem Albtraum einer allmächtigen Kontrollgesellschaft verabschieden und Transparenz als eine Form des selektiven Sehens begreifen. Die Radiologie scheint hierfür ein geeignetes Modell zu sein und verweist mit ihren Bildern und Schatten darauf, dass Transparenz und Privatheit nicht nur miteinander vereinbar, sondern untrennbare Elemente einer gemeinsamen Ordnung sind“. (https://www.bpb.de/apuz/157540/durchleuchtung-ist-selektiv-transparenz-und-radiologie?p=all)
Ein gutes Beispiel für die Wichtigkeit und die großen Schwierigkeiten der Verbindung von Transparenz und Privatheit stellt der Fall Wikileaks dar. Die Organisation bietet eine Enthüllungsplattform für mehr Transparenz und hat viele interne Dokumente verschiedener Organisationen und politischer Vorgänge veröffentlicht, pocht jedoch selbst auf die Wichtigkeit der Anonymität und des Schutzes ihrer Informanten. Und tatsächlich ist es schwierig, eine Enthüllungsplattform transparent zu machen, nicht nur, da sich einige Whistleblower in die Gefahr begeben wegen Hochverrats angezeigt zu werden, sondern auch, da sie gesetzlich schwer einzuordnen ist. Deshalb scheinen laut Kilian „Anonymität und Transparenz (…) untrennbare Bestandteile der inneren Logik einer Enthüllungsplattform zu sein. Als Organisation, die „eigentlich gar keine richtige Organisation ist“, verfügt Wikileaks über „keine festangestellten Mitarbeiter, keinen Kopierer, keine Schreibtische, kein Büro“, und entzieht sich somit den institutionellen Voraussetzungen, auf die sich Transparenz überhaupt anwenden ließe“.
Folgt man Fensters „communication model“ geben die Informanten (Sender) jedoch selektiv Dokumente weiter, verfolgen damit auch eventuell Eigeninteressen und dadurch wird die Transparenz wieder nur teilweise ermöglicht. Die Lösung scheint tatsächlich eine Verbindung aus Transparenz und Geheimhaltung, die Frage bleibt jedoch, wie man dies ermöglichen kann.
Ich möchte noch auf einen Artikel verweisen, welcher einerseits scharfe Kritik am Vorgehen von Wikileaks übt und behauptet, dass die Intransparenz steigt und schwierig ist. Andererseits scheint der Journalist ein Verfechter der Anonymität in Bezug auf Anonymous zu sein. Hier sieht man denke ich recht gut, welche Probleme durch Subjektivität entstehen können: Wer entscheidet, wann Transparenz und wann Geheimhaltung gewährt werden soll und wie kann man individuelle Interessen möglichst heraushalten und sachlich entscheiden?
https://www.zeit.de/2015/47/wikileaks-anonymous-hacker-julian-assange-ideologie

Hier noch ein interessanter Artikel zu Wikileaks Verfahren bei Widerstand:
https://www.zeit.de/digital/2015-08/ttip-freihandelsabkommen-whistleblower-belohnung

Big Data und Post-Privacy

In der letzten Situng vom 22.01.2016 haben wir uns mit, dem viel gewünschten Thema, Big Data, an Hand des Textes von Dana Boyd und Kate Crawford, beschäftigt. Er stellt eine relativ leichten Einstieg in das komplexe Themenfeld von Big Data da und behandelt deren Grundlegenden Ideen. Im Seminar haben wir nur erst einzeln dann gruppenweise hierarchische Mindmaps erstellt um diese Grundgedanken einmal zu visualisiern und aus zu differenzieren. Und dies sind die Ergebnisse:

Gruppe 1:

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Gruppe 2:

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Interessant finde ich hier bei vor allem, dass die beiden Gruppen recht untschiedliche Gegenstände als relevant erachtet haben, so sieht man, dass die Gruppe 1 ethisch/moralische Aspekte (z.B: „be in public vs. be public“) an Big Data für wesentliche Kritikpunktehält. Dieser Aspekt war Gruppe 2 anscheinend nicht all zu wichtig, dafür haben sie den Aspekt der Richtigkeit der Aswertung betont,wie zum Beispiel die wichtige Erkenntnis aus der Stochastik, dass man aus Korrelationen keine Kausalitäten folgern kann, die leider bei Big Data leider oft nicht beherzigt wird.

Post-Privacy

Im Laufe der Vorstellung der Ergebnisse fiel dann auch der Begriff der Post-Privacy, welchen ich persönlich sehr interessant fand. In der Post-Privacy geht man davon aus, dass es mittlerweile unmöglich ist Privatheit im Netz zu gewährleisten und kommt deswegen zu dem Schluss, dass Datenschutz, in dem Ausmaße wie wir ihn verstehen, größtenteils überholt ist und forden im Gegensatz zu Datenschützern mehr Transparenz im Netz und weniger Regulierung durch den Staat. Also quasi das Internet als einen rechtsfeien Raum in dem jede*r User transparent ist, vor allem auch untereinander. Befürworter sehen darin eine Plattform für Meinungsfreiheit und sehen in Post-Privacy, wie schon angedeutet, die einzige Alternative zu dem vorherrschenden Privacy-Konzept, welches, laut der Befürworter, nicht mehr durchsetzbar ist. Diese Meinung, dass Datenschutz in Zeiten von Big Data und „Internet-Riesen“ nicht mehr umgesetzt werden kann oder wenn ungenügend, sind auch viele Datenschützer und somit Kritiker der Post-Privacy, jedoch empfehlen diese den Usern eher Strategien zur Datensparsamkeit und Datenvermeidung anstatt von „Datenstriptease“. Weitere Arguemente der Datenschützer gegen Post-Privacy sind unter anderem, die Unterschätzung der Konzerne als „Datenkraken“ und, dass sich durch die Transparenz gepaart mit Gruppendynamiken  Meinungsfreiheit eher eingeschränkt würde als gefördert.

Beide Seiten haben Punkte für sich und gegen sich, was für mich heißt, dass diese Debatte auf jeden Fall weiter verfolgt werden sollte und wir uns alle fragen sollten in welche Richtung wir selbst tendieren und in wie fern denn Datenschutz im Internet wirklich realisierbar ist.

(Korrigiert mich falls ich falsch liege, aber wenn ich, dass richtig sehe dann ist diese ganze Post-Privacy Debatte sogar ein recht lokales Phänomen. Finde ich äußerst interessant. :D)

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Privacy and Big Data

Morgen endlich – Big Data. Von danah boyd und Kate Crawford. Den Text als Vortrag gibt es auch:

Für mich ist die zentrale Erkenntnis, die sich gerade aus der politisch-theoretischen Betrachtung von Big Data ergibt, dass technologische Werkzeuge durchaus dafür geeignet sind, die ihnen eingeschriebene Vorstellung von Wissen und Identität durch ihren Einsatz selbst zur Realität zu machen. Hinter der Anwendung von Big Data steht eine ganz bestimmte Vorstellung von Wahrheit und Wissen. Diese wird wirkmächtig – und es ist eine ethisch-politische Frage, ob wir das wollen. ich würde diese Frage gern mit euch im Seminar diskutieren.

Themenwahl

Die Abstimmung zu den Themen der beiden letzten Sitzungen ist beendet. Gewonnen haben 1. Big data und 2. Privatheit für Organisationen – der Fall Wikileaks. Ich wünsche uns viel Spass.

Warum die „take it or leave it“-Attitüde zu eindimensional ist

Um der kommenden Sitzung nicht all zu viel vorwegzunehmen, nur so viel zu dem Inhalt des Textes: Helen Nissenbaum stellt zu erst die aktuelle Lage und vorherrschende Denkweise zu Online-Privacy da und arguementiert danach für ein Internet mit dem Fokus auf freie demokratische Werte an statt auf kapitalistische Interessen. (Um einige Unklarheiten über bestimmte Begriffe bei Nissenbaum und ihre generelle Argumentation zu verstehen hat mir übrigends dieses Video sehr geholfen.)

Mein eigentlicher Blog soll sich nun um die Attitüde vieler Seiten im Internet handeln, die ihren Inhalt/Service nur mit ungeheuren Datenschutzbestimmungen anbieten und dann argumentieren, dass jede*r die freie Entscheidung hat diesen zu zustimmen oder nicht.                             Auch Nissenbaum erkennt das dieses „take it or leave it“-Arguement, die Welt einfacher macht als sie in wirklichkeit ist und stellt fest, dass „[…] the price  of  not  engaging  socially,  commercially, and financially may in fact be ex-acting enough to call into question howfreely these choices are made. „. Genau da möchte ich einsteigen  und diese Frage nach der freien Entscheidung stellen. Denn sehen wir uns als Beispiel einmal Facebook an. Facebook hat derzeit über 1.5 Milliarden Nutzer*innen weltweit (Tendez steigend) und das trotz sehr umstrittenen Daten- schutzbestimmungen.

Wenn wir jetzt annehmen, dass jede*r Nutzer*in von Facebook ein*e „rational chooser“ ist, dann müssen wir zu dem Schluss kommen, dass Facebook etwas bietet, das mindestens so wertvoll wie die eigene Privatsphäre ist bzw. so gesehen wird. Dies ist wohl die soziale Vernetzung und Kommunikation, die Facebook liefert, auf die mensch in der heutigen Zeit anscheinend nicht verzichten kann. Sehr interessant sind auch die Momente in denen Facebook mal wieder  seine Datenschutzbestimmung noch weiter „verschlechtert“ (also für die Nutzer*innen) und ein Großteil der Nutzer*innen lustige Protestbildchen teilen anstatt das Netzwerk zu wechseln. Doch Moment! Genau dies wäre ja das „take it or leave it“- Argument, welches, wie ich behauptet habe, zu einfach ist und genau das ist auch hier der Fall!

Den wir stecken gerade in dem Dilemma, dass sich Facebook bereits etabliert hat und viele Nutzer*innen einfach so an sich bindet. Denn klar kannst du selbst als freies Individuum entscheiden zu einem sozialen Netzwerk mit (vermeintlich) mehr Privatsphäre zu wechseln, jedoch bringt dir ein soziales Netzwerk nichts, wenn du dort alleine bist.

Es bleibe also die Fragen: Werden wir es schaffen dieser starken Kommerzialisierung des Internet auf Kosten von Privacy etwas entgegen zu setzen? Und wenn ja, wie?

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Privater Raum ?!

In der Sitzung am 08.01.2016 haben wir uns mit dem fünften und sechsten Kapitel aus Julie E. Cohens Werk „Configuring the Networked Self“ beschäftigt. Der noch recht junge Text aus dem Jahr 2012 beleuchtet die immer noch brisante Diskussion über Privatheit im Internet auf wissenschaftliche Weise. Doch das Thema ist nicht neu. Bereits in den 1990er Jahren beschäftigte sich Solveig Singleton mit dem Gegensatz zwischen Privatheit und Freiheit durch die Neuen Medien.


Wie dieser Beitrag von der Cato Institute Confernce zeigt.


Währen Cohen sich im Kapitel fünf den bisherigen Forschungsansätzen nähert und diese in die Mangel nimmt, stellt sie in Kapitel sechs ihre eigenen Thesen zur Privatheit und dem überwachten Raum zur Debatte.

Das Ich als „Ich“ verstehen

So wohl in ihrer Kritik an den bisherigen Forschungsansätzen, wie auch in ihrer eigenen Hypothese stellt für Cohen das „ich“ als Konstruktion eine wichtigen Part der Debatte da.

Das „Ich“ als ein selbstkonstruiertes „Ich“ (self-constructed) trifft auf das von der Gesellschaft geformte „Ich“ schreibt Cohen in Kapitel fünf. Später, in Kapitel sechs untermauert sie dieses Argument, in dem sie die Bildung des „Selbst“ stark mit der Kultur in der eine Person aufgewachsen ist, in Verbindung setzt.

Auch Cohen beschäftigt sich ebenso wie Hannah Ahrend in der Vita Activa mit dem „Ich“ in verschiedenen Rollen. Auch wenn anzumerken ist, dass Cohen dies weniger politisch und in einem wesentlich geringerem Umfang tut.

Julie E. Cohen geht noch einen Schritt weiter. So hat nicht nur die Gesellschaft und die Kultur einen Einfluss auf das „Seien“ eines jeden Individuums, nein auch das „Seien“ eines jeden trägt zur Formung der Gesellschaft bei.

Raum als Öffentlichkeit

Der, wie ich finde spannendste Part ihrer These ist im letzten Unterkapitel, „ Privacy as Room for Boundary Management“ zu entdecken. Hier setzt sie sich mit der Privatsphäre als Raum auseinander. Cohens Beschreibung der Privatheit als Raum, verdeutlicht den Begriff sehr eingängig.

Ein Raum, den man fassen kann, seine Grenzen sind sichtbar und das Verlassen oder Betreten von Personen/Informationen, die nicht in diesen Raum gehören, ist unerwünscht.

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Doch was bedeutet es wenn ein privater Raum, plötzlich öffentlich werden kann? Wie gehen wir damit um?

Zu dem sind wir  auch oft selbst die Informationen Freigeben, ohne uns dessen Folgen vollkommen Bewusst zu sein.

Verhalten wir uns dadurch, dass wir wissentlich in einem Öffentlichen Raum gedrückt wurden, anders?

Vielleicht könnte man als Frühen Bedenkenträger dieser These auch schon Warren/Brandeis mit seiner Kritik an der modernen Fotografie sehen.

Dennoch beschäftigt sich die Frage nach der Privatheit und einer nicht einschätzbaren Öffentlichkeit immer noch. Und werfen wir das Stichwort Social-Media in den Raum, geht es wie bei Warren/ Brandeis immer noch um die Fotografie.

Zu diesem Thema hat Jens Krüger in einem Essay auf der Seite der Bundeszentrale für Politische Bildung verfasst. –Ein Denkansatz, der die abstrakte Problematik an Beispielen verdeutlicht.

 

Bild:Loozrboy (CC- on Flicker.com)

 

Privatheit und das Selbst im Netz

Mit dem neuen Jahr begeben wir uns auch in einen neuen Themenbereich und zu Fragen deren politische Relevanz sich aus unseren eigenen täglichen Praktiken erkennen lässt. Aus unserer Seminarperspektive gilt es aber nun nicht, persönliche Präferenzen und Ansichten auszutauschen, sondern zu sehen ob und inwiefern sich hier neue und/oder alte Probleme mit Privatheit wiederfinden lassen und was sich vielleicht aus den theoretischen Perspektive, die wir bisher schon diskutiert haben, beitragen lässt.

Den Auftakt bildet der Text von Julie Cohen, den ihr auch auf ihrer Seite findet. Wir wollen morgen möglichst eng am Text diskutieren, es ist also besonders wichtig, dass ihr ihn alle gelesen habt. Wer sich mehr Hintergrund wünscht, es gibt auch einen Vortrag von Julie Cohen zu eben diesem Buch:

 

Liberalismus, Republikanismus und Privatheit

Damit wenigstens einer der Beiträge zu dieser Sitzung studentisch ist, hier meine mehr oder minder spontane Nachbereitung. Da wir relativ wenige waren, handelt es sich hier vor allem um einen zusammenfassenden Beitrag und ich lasse mich gerne ergänzen und/oder korrigieren.

Annabelle Lever unternimmt in ihrem Aufsatz Feminism, Democracy and the Right to Privacy den Versuch, ausgehend von der feministischen Kritik an der Trennung von Öffentlichem und Privatem, Privatheit auf Grundlage demokratischer Prinzipien zu denken. Sie zeigt auf, inwiefern derart konzipierte Privatheit die politische Partizipation aller fördert, anstatt die im Feminismus kritisierte Einschränkung der Frau auf den privaten Raum voranzutreiben. Hierfür führt sie Begründungen an aus den demokratischen Denktraditionen des Liberalismus und des Republikanismus. Während dem Liberalismus mit seinem Fokus auf der Freiheit des Einzelnen die persönlichen Begründung zugeordnet wird, geht mit dem Republikanismus und seinem Fokus auf Allgemeinwohl und Gemeinwesen bei Lever die politischen Begründung einher.

Da ihre Absicht nicht in einer genaueren Definition von Privatheit an sich liegt, beschränkt sich Lever auf eine Untersuchung dreier Merkmale, die sie als das identifiziert, was allen Definitions-Debatten als Kern von Privatheit gemein sei: Confidentiality (Vertraulichkeit), Intimacy und Solitude.

Aus politischer wie aus privater Sicht besitzt der Schutz von Privatheit sowohl einen intrinsischen als auch einen instrumentalen Wert:

Politisch betrachtet gilt für den intrinsischen Wert von Privatheit: “the protection for privacy itself is worthwhile”, indem der gleichwertige Schutz der Privatheit aller Menschen die Gleichheit aller reflektiert und damit ein demokratisches Grundprinzip.

Instrumental kann Privatheit verstanden werden als “useful device for promoting political participation”. Diese Behauptung wird von Lever entlang der oben erwähnten Hauptmerkmale von Privatheit aufgeschlüsselt und mit Beispielen bestückt:

Vertraulichkeit, etwa bei Wahlen, trage dazu bei, dass Menschen ohne Zwang oder Angst vor sozialen Konsequenzen ihre Stimme abgeben können. Oder auch, dass sie politisch oppositionellen Gruppen angehören können ohne Angst vor Verfolgung.

Der Schutz von solitude gewährleiste, dass der Staat abweichende Meinungen nicht durch die Verletzung der Wohnung oder durch Freiheitsentzug bestrafen könne und der Schutz von Intimität gebe Menschen die Möglichkeit, das Private vom Öffentlichen so zu trennen, wie sie es für richtig halten und nicht etwa ihre sexuelle Identität in den öffentlichen Raum tragen zu müssen (Verbindung zu Sennett).

Was die Vertraulichkeit betrifft, gibt es allerdings bezüglich der Frage der Repräsentation Einschränkungen. Im Text wird John Stuart Mill angeführt, der der Ansicht ist, prinzipiell sei es dem Gemeinwohl zuträglicher, zu wissen, wer was gewählt habe, da nur so gewährleistet werden könne, dass alle im Interesse des Gemeinwohls und nicht persönlicher Präferenzen handeln. Hiervon ausgehend entspann sich im Seminar eine Diskussion darüber, inwiefern eine Wahl unter regulären Bürgern von einer Wahl unter Repräsentanten zu unterscheiden sei. Denn um hier sicher sein zu können, dass ein Repräsentant wirklich im Interesse der Repräsentierten wählt, ist eine Offenlegung der Stimmen wesentlich. An dieser Stelle haben wir uns an Arendt zurückerinnert, für die Repräsentation genau aus diesem Grund problematisch ist, da hier eine Einzelperson mit eigenen Interessen gewählt werde, die zudem immer weniger Kontakt zu ihren Wählern hat und somit erst recht nicht in der Lage ist, diese zu vertreten. Und das Prinzip der Vertretung an sich halte den Bürger davon ab, selbst aktiv den politischen Prozess mitzugestalten.

Auch aus persönlicher Sicht hat Privatheit sowohl einen intrinsischen als auch instrumentalen Wert:

Hier ist der instrumentelle Wert schneller erklärt. “Protection for privacy can promote personal freedom and equality” – Privatheit befördere die freie Entfaltung des Menschen, zu der er die Möglichkeit haben muss, in Ruhe gelassen zu werden.

Intrinsisch betrachtet ist es für eine Demokratie wichtig, ihre Mitglieder als “persons of solitude, intimacy and confidentiality” zu betrachten. Denn nur, wenn der Staat nicht die ganze Zeit in das Leben der Menschen eingreifen darf, bekommen diese überhaupt die Chance, sich selbst als freie und gleiche Wesen zu verstehen. Und dadurch, dass es nicht eine Grenze gibt, ab der für alle Menschen der private Raum beginnt, üben Menschen Demokratie, indem sie die Grenzen anderer anerkennen, selbst wenn diese nicht mit ihren eigenen übereinstimmen: Nur weil es für mich persönlich kein Problem ist, bei einer Anmeldung zu einem sozialen Netzwerk meinen Beziehungsstatus und/oder Sexualpräferenz anzugeben, heißt das nicht, dass das alle Menschen genauso empfinden. Und wenn ich einer Regel zustimme oder eine Regel befolge, die so eine Praxis untersagt, um die Privatsphäre dieser Menschen zu schützen, ist das eine gute Übung von Demokratie.

Zum Ende der Seminarsitzung kamen wir noch auf einige ungelöste Fragen zu sprechen, die sich ergeben, wenn man Privatheit als demokratisches Instrument denkt. Diese Fragen haben vor allem mit den Konsequenzen einer Trennung von öffentlichem und privatem Raum und einer Festlegung der Interessen auf den einen oder anderen Raum zu tun. Vielleicht können wir diese Fragen im neuen Jahr nochmal aufgreifen und vereindeutigen, denn hier brechen meine Erinnerungen und Notizen ab.

Feminism, Democracy, Privacy

by Figaro (gemeinfrei)

By Le Figaro [Public domain], via Wikimedia Commons

Die nächste Sitzung bietet die Gelegenheit, über den Zusammenhang von Öffentlichem und Privatem, den wir schon Bezug auf Arendt und Sennett besprochen haben, nochmals vertiefend anhand eines Textes von Annabelle Lever zu diskutieren. Der Text geht der Frage nach, was feministische Kritik an der Rechtfertigung eines Rechtes auf Privatheit zur Diskussion beizutragen hat. Geht es dabei um mehr als nur die Beteiligung von Frauen an der Demokratie? Ergeben sich vielleicht aus der feministischen Sichtweise Kritikpunkte, die in einem liberalen Verständnis als blinde Flecken herausfallen? Und was bedeutet das aus demokratiethoeretischer Perspektive?

Mit seiner Querschnittsperspektive bringt Levers Text viele der Fragen, die wir seit dem Anfang des Semesters bearbeitet haben, in einen grösseren Zusammenhang. Findet ihr die Paralellen und Referenzen? Was können wir aus unserem jetzigen Kenntnisstand darüber hinaus noch sagen? Die Sitzung soll uns auch dazu dienen, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. bitte vergesst auch nicht, Themenvorschläge für die letzten beiden Sitzungen mitzubringen!

Dieser Text ersetzt erneut einen angemeldeten aber nicht erbrachten studentischen Beitrag, darum die Kürze.