In einer ersten Sitzung kann immer nur ein Anfang für die Auseinandersetzung mit einem Thema gemacht werden. Ich hatte dafür mit einigem Bedacht eine Gruppenarbeit gewählt, in der überlegt werden sollte, was eigentlich privat ist im Gegensatz zu einem abzugrenzenden Öffentlichen (es gäbe auch andere möglich Abgrenzungen…).
Das Ergebnis ist die Erkenntnis, dass es alles andere als einfach ist, die genaue Abgrenzung zwischen beiden Bereichen zu bestimmen und/oder einzelne Begriffe, Phänomene und Erfahrungen eindeutig dem einen oder anderen Bereich zuzuordnen. Ziel des Seminars wird es nicht sein, diese sicherlich erwartbare Komplexität aufzulösen. Vielmehr wollen wir uns der Frage annähern, welche Kategorien, Normen und Annahmen unterschiedlichen Definitions- und Unterscheidungsversuchen zu Grunde liegen. Und welche Konsequenzen daraus entstehen.
Denn eines ist sicher – jeder Versuch zu unterscheiden hat Konsequenzen. Meine Einteilung in geschlechtergetrennte Gruppen beispielsweise rief Widerspruch hervor, zumindest bei einigen. Ein solcher Widerspruch kann vielerlei Ursachen haben. In diesem Fall, wenn ich es recht verstanden habe, wurde die Trennung schlicht als unnötig empfunden, weil der Umgang und die Diskussionkultur auch in gemischten Gruppen konstruktiv und zielführend gewesen wäre. Dem würde ich in der Tat zustimmen. Allerdings ist das Ansinnen eine offenere Diskussionkultur „für Frauen“ zu schaffen nur ein mögliches Ziel einer solchen Unterteilung. Meine Motivation war weniger verkopft, das muss ich zugeben. Mich hat schlicht interessiert, ob sich die Ergebnisse unterscheiden. Das taten sie meines Erachtens nicht signifikant. Für mich „anecdotal evidence„, dass geschlechtliche wie andere Unterscheidungen oft weniger wirkmächtig sind als man denken könnte.
In der Situation im Seminar haben sich denn auch nicht die Folgen von Geschlechterunterschieden, sondern vielmehr die Folgen einer Unterscheidung nach Geschlechtern gezeigt. Es ist nämlich eine durch aus valide Frage, inwiefern es sich dabei überhaupt um eine sinnvolle Unterscheidung handelt. Geschlecht ist keine eindeutige Kategorie, weder sozial noch biologisch. Es soll auch nicht Ziel des Seminars sein, Geschlechterkategorien und -unterscheidungen zu untersuchen. Allerdings soll schon gefragt werden, welche Konsequenzen bestimmte Vorstellungen von dem was privat ist, für Geschlechterverhältnisse, – unterscheidungen und -zuweisungen haben. Dabei sollten wir auch unsere eigenen Annahmen über Sinn und Unsinn von Geschlechterunterscheidungen immer wieder in Frage stellen können.
P.S.: Anstelle einer formellen Vorstellungsrunde – die wir in der kommenden Sitzung haben werden – gab es in unserer ersten Sitzung eine kleine Umfrage zu den Erwartungen, die ihr als Teilnehmerinnen an das Seminar habt. Am Ergebnis lässt sich ablesen, dass neben allen praktischen Erwägungen die kommunikative inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema ein zentraler Wunsch ist. Dem soll das Seminar natürlich nachkommen.
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