Privatheit

Zur politischen Bedeutung eines umstrittenen Begriffs

Warum es nicht gut ist, wenn ich Blogbeiträge schreibe

Dass unser Seminar so schön klein ist, hat viele Vorteile. Wir werden uns gut kennenlernen und, wenn alle sich beteiligen, wahrscheinlich ziemlich spannende Diskussionen haben. Wir können uns mehr Zeit für Dinge nehmen, die uns mehr interessieren und weniger auf Dinge verwenden, die wir nicht brauchen. Der Nachteil ist, dass nicht alle Blogbeiträge vergeben werden – auch wenn alle sich angemeldet haben. Ich könnte natürlich in den entsprechenden Wochen einfach nichts tun – aber dann würde auf dem Blog eben auch nichts passieren. Und die Idee ist schon, dass wir am Ende des Semesters auch ein partielles Archiv unserer Fragen und Diskussionen haben.

bloggenWas tun? Wo sich niemand gemeldet hat, werde ich die entsprechenden Beiträge schreiben. Mir fällt schon was ein. Aber eigentlich ist das gar nicht gut. Warum? In dem ich eine Idee darstelle oder eine Frage aufwerfe gebe ich ihr qua meiner Position als Dozentin des Seminars eine besondere Stellung. Auch wenn ich sicher bin, dass es in unserer Gruppe hinreichend Leute gibt, die mir kritisch paroli bieten, ist ein Text von mir qualitativ etwas anderes als ein Text von einer Studierenden. Nicht weil er besser ist, sondern weil das Verhältnis zwischen Dozenten und Studierenden immer mit einer gewissen Hierarchie behaftet bleibt. Es ist eine von den Unterscheidungen, die eine Rolle spielen, ob wir das wollen oder nicht.

Aus diesem Grunde werde ich meine Beiträge etwas anders gestalten, als ihr das bei euren hoffentlich tut. Ich werde nur im Ausnahmefall einen starken Standpunkt vertreten – und wenn ich es tue, dann wohl eher als „Devils’Advocate„. Manchmal mag ich versuchen, im Seminar unklar gebliebene Dinge nachträglich zu klären. Vielleicht nutze ich die Möglichkeit auch dazu, wichtige Zusatzinformationen zu geben. Der Stil wird jedenfalls variieren. Und meine Beiträge werden nie so gut für eure eigenen Denk- und Diskussionsprozesse sein wie die, die ihr selbst erstellt. Spannender werden eure sein. In diesem Sinne hier zum Abschluss der Link zu den- von mir etwas erläuterten – Hinweisen zum Schreiben des Blogbeitrages, die wir in der letzten Sitzung gesammelt haben.

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Der Beitrag wurde am Montag, den 26. Oktober 2015 um 16:26 Uhr von Ulrike veröffentlicht und wurde unter Inhaltlich abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

3 Reaktionen zu “Warum es nicht gut ist, wenn ich Blogbeiträge schreibe”

  1. Daniel

    Ich persönlich finde die Beiträge einer Dozentin genauso gut wie die eines Studenten bzw. einer Studentin, da wir als Politikstudierende generell das Bedürfnis verspüren, Beiträge zu hinterfragen, egal von wem sie publiziert wurden, und zudem in diesem Zusammenhang wissen, dass unsere Meinung auf jeden Fall von einer Expertin gelesen werden wird (denn es interssiert dich bestimmt, wie wir auf deine Beiträge reagieren), die unsere Anregungen auf jeden Fall zu einer hochwertigen Diskussion lenken wird, in der wir unsere eigene Meinung kritisch reflektieren können. Zudem freue ich mich schon darauf, ihre versteckten Positionen im Text zu suchen und zu finden (Rätsel für Fortgeschrittene) und mein Wissen aus den Texten und dem Seminar durch die Zusatzinformationen zu erweitern.

  2. Malte Grün

    Interessant, dass das „Problem“ des besonderen Verhältnisses zwischen DozentInnen und Studierenden auch in diesem Blog aufgetaucht ist. Die Diskussion darüber verfolgt mich scheinbar in den ersten zwei Semesterwochen. Vielleicht hat es aber auch damit etwas zu tun: [https://rationalwiki.org/wiki/Frequency_illusion].

    Nach zwei verschiedenen Vorlesungen entstand mit KommilitonInnen ein Gespräch darüber ob wir die Vorlesung weiter besuchen würden.
    In beiden Fällen kritisierten KommilitonInnen, dass der Dozent eine aus ihrer Sicht „falsche“ Meinung vertreten habe, oder dass die Vorlesung zu sehr von den eigenen Ideen des Dozenten geprägt sei [Dozent nicht gegendert, da in beiden Fällen männlich].

    Ich verstehe die Vorbehalte von Studierenden und begrüße das Bewusstsein der DozentInnen (wenn vorhanden) zu diesem Thema, andererseits denke ich auch, dass derjenige der aufmerksam Texte liest und Vorlesungen hört, recht schnell lernt zu unterscheiden wo DozentInnen die Position eines Autors oder einer Autorin wiedergeben und wo sie eine eigene Position zu dem Thema einbringen. Unabhängig davon sollte man natürlich auch die wiedergegebenen Einschätzungen der behandelten Autoren, sowie deren Wiedergabe durch den Dozenten, hinterfragen.

    Wann ist ein StudentIn/Mensch dazu in der Lage nicht mehr allen Input einfach unhinterfragt aufzusaugen, wann ist ein Kind bereit ohne Stützräder zu fahren, oder unbeaufsichtigt aufs Internet losgelassen zu werden. Da eine objektiv gültige Grenze zu ziehen ist schwierig, es bleibt immer eine persönliche Abwägung zwischen „beschützen“ und „verantwortungsbewussten Umgang lehren“.
    Ich ziehe in solchen Fällen die Freiheit die Einschätzung des Dozenten zu hören und mich dazu kritisch positionieren zu können, der Freiheit vor der Meinung des Dozenten „geschützt“ zu werden vor.

  3. Ulrike Höppner

    Interessant. Ich hätte nicht gedacht, dass es ausgerechnet dieser Beitrag ist, der erste Kommentare einlädt. Und keine Sorge – ich habe nicht vor mit meiner Meinung hinterm Berg zu halten. Könnte ich gar nicht.
    Trotzdem bleibt ein Ungleichgewicht und das hat auch etwas damit zu tun, wie ich meine Aufgabe hier sehe. Mir ist wichtig, dass alle hier etwas lernen – nicht in dem Sinn, dass ich einen festen Kanon an Dingen hätte, die gelernt werden sollen. Vielmehr sollen alle (idealerweise) aus dem Seminar etwas mitnehmen können. Möglichst auch etwas zu den Inhalten, die wir besprechen. Nach meiner bescheidenen Erfahrung gelingt das nur wenn und wo eine eigenständige Auseinandersetzung passiert. Es ist möglich etwas zu lernen, aber nicht etwas „beizubringen“. Dummerweise bedeutet das, dass es wenig bringt, wenn ich Dinge erkläre. Das ist einfach nicht so wirkmächtig, als wenn ihr selbst darauf kommt. Oder auf etwas anderes, das auch spannend ist. Auch darum freue ich mich auf eure Beiträge ;-).