Privatheit

Zur politischen Bedeutung eines umstrittenen Begriffs

Transatlantische Verbindungen und methodische Annäherungen

Im Nachgang zur vergangenen Sitzung, in der wir den Text von Warren/Brandeis diskutiert haben, würde ich gern zwei weitere Denkanstösse in die Diskussion geben.

Transatlantische Verbindungen

"Statue of Liberty frontal 2" by Daniel Schwen - Public Domain

„Statue of Liberty frontal 2“ by Daniel Schwen – Public Domain

Wir haben in der letzten Sitzung einige Zeit damit verbracht, über unterschiedliche Rechtstraditionen diesseits und jenseits des Atlantiks zu sprechen. Sich dieser Unterschiede bewusst zu sein ist gut, aber wie wichtig sind sie tatsächlich im Hinblick auf das Verständnis und die Verregelung von Privatheit? Whitman beschwört 2004 in einem vielbeachteten Artikel „Two Western Cultures of Privacy“ die grosse Bedeutung und macht ganz grundlegende Unterschiede im Umgang mit Persönlichem und Privaten als Ursache transatlantischer Konflikte aus. Solcherlei Konflikte drücken sich – so könnte man argumentieren – beispielsweise darin aus, dass der EuGH das transatlantische Datenschutzabkommen Safe Harbour jüngst mit der Begründung kassierte, dass es den Schutz der Privatsphäre nicht gewährleiste. Es gibt jedoch auch andere Betrachtungsweisen. Die Originaltät der Argumentation von Warren/Brandeis ist nicht ganz so gross wie oft behauptet – und ihre Argumentation findet sich nicht nur jenseits des Atlantik. Ganz ähnliche Anleihen, z.B. beim Autorenrecht,  beim römischen Recht und dem französischen Presserecht macht auch Josef Kohler in einem Artikel von 1880, der allerdings nie die gleiche Beachtung fand wie Warren und Brandeis zehn Jahre später. Es wäre eine durchaus spannende Frage, einmal genau zu untersuchen, wo Unterschiede und Ähnlichkeiten in den Argumentationen liegen – und ob dies auf fundamentale transatlantische Unterschiede schliessen lässt.

Methodische Überlegungen

Im Anschluss an diese Überlegungen liesse sich der Text von Warren/Brandeis nicht nur hermeneutisch erschliessen, wie wir das getan haben, sondern im Sinne der Cambridge School auch als Teil eines zeitgenössischen intellektuellen Dialogs. Dabei ginge es dann darum zu erklären, welche Rückbezüge auf andere Texte bestehen, wie sie hier beantwortet werden und warum der Text diesen Stellenwert in seiner Zeit erhielt. Kurz gesagt, der Text könnte und sollte dann aus seinem Kontext heraus interpretiert werden. Die Ordung dieses Seminars, mit einer grob chronologischen Reihenfolge, übrigens trägt in sich den Hauch einer begriffsgeschichtlichen Methode, die Begriffe aus ihrem Werden und Verändern heraus zu verstehen suchen. Auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag, als seien Methoden etwas für Empiriker – auch in der politischen Theorie sind Methoden nicht beliebig! Und es lohnt sich darüber nachzudenken, welche Methode sich am besten für die Beantwortung einer Frage eignet. Wer hierfür einen ersten Überblick sucht ist hier gut beraten

 

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Der Beitrag wurde am Montag, den 9. November 2015 um 19:25 Uhr von Ulrike veröffentlicht und wurde unter Inhaltlich abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

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