„Transparency in search of a theory“ von Mark Fenster kritisiert die existierenden Theorien für transparency als unzureichend und beschäftigt sich mit den Problemen zwischen Theorie und Praxis.
Wir alle kennen die immer wiederkehrenden Forderungen nach Transparenz. Für viele ist „Transparency (…) the dramatically satisfying answer to every crisis and question about the state.“ (S.151).
Aber in welcher Form und für wen das Transparenzgebot gilt und wann Geheimhaltung sinnvoll ist, ist nicht immer leicht zu definieren und auch nicht Anspruch des Autors. Fenster bezieht sich zwar nur auf Transparenz in einem Staat, jedoch lässt sich auch einiges auf unsere Frage nach Privatheit für Organisationen ableiten.
Es gibt verschiedene Theorien zum Thema Transparenz, aber in der Praxis sind sie nicht ausreichend, da es viele Schlupflöcher (z.B. Gesetzeslücken) gibt, die nicht berücksichtigt werden. Fenster behandelt die „communication theory“, in welcher es einen Sender, die Message (Informationen) und einen Empfänger gibt, die durch Kommunikation verbunden werden: Wenn laut der Theorie der Sender eine Message an einen Empfänger weiterleiten soll, ergeben sich in der Praxis Probleme: Sender können Informationen zurückhalten oder gezielt für ihre Zwecke einsetzen, die Message kann verändert werden durch z.B. nur Dokumente zu veröffentlichen, während man die wichtigen Dinge mündlich kommuniziert und schließlich garantiert Transparenz nicht, dass die Empfänger etwas damit anfangen (können). Natürlich sollte auch nicht außer Acht gelassen werden, dass Privatheit häufig Sinn macht. Ein Staat braucht besonders in Fragen der Diplomatie einen gewissen Freiraum, um in Ruhe eine Lösung zu finden und bei Institutionen ist es nicht anders.
„The state is not fully defined or revealed by its ‘information’, which can only imperfectly represent official action and motivation rather than perfectly reproduce them” (S.162).
Auch Patrick Kilian sieht Transparenz immer in Verbindung mit Privatheit und nicht als vollkommene Lösung aller Probleme, denn „Wir sollten uns von dem Wunschtraum der vollständigen Offenheit der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ebenso wie von dem Albtraum einer allmächtigen Kontrollgesellschaft verabschieden und Transparenz als eine Form des selektiven Sehens begreifen. Die Radiologie scheint hierfür ein geeignetes Modell zu sein und verweist mit ihren Bildern und Schatten darauf, dass Transparenz und Privatheit nicht nur miteinander vereinbar, sondern untrennbare Elemente einer gemeinsamen Ordnung sind“. (https://www.bpb.de/apuz/157540/durchleuchtung-ist-selektiv-transparenz-und-radiologie?p=all)
Ein gutes Beispiel für die Wichtigkeit und die großen Schwierigkeiten der Verbindung von Transparenz und Privatheit stellt der Fall Wikileaks dar. Die Organisation bietet eine Enthüllungsplattform für mehr Transparenz und hat viele interne Dokumente verschiedener Organisationen und politischer Vorgänge veröffentlicht, pocht jedoch selbst auf die Wichtigkeit der Anonymität und des Schutzes ihrer Informanten. Und tatsächlich ist es schwierig, eine Enthüllungsplattform transparent zu machen, nicht nur, da sich einige Whistleblower in die Gefahr begeben wegen Hochverrats angezeigt zu werden, sondern auch, da sie gesetzlich schwer einzuordnen ist. Deshalb scheinen laut Kilian „Anonymität und Transparenz (…) untrennbare Bestandteile der inneren Logik einer Enthüllungsplattform zu sein. Als Organisation, die „eigentlich gar keine richtige Organisation ist“, verfügt Wikileaks über „keine festangestellten Mitarbeiter, keinen Kopierer, keine Schreibtische, kein Büro“, und entzieht sich somit den institutionellen Voraussetzungen, auf die sich Transparenz überhaupt anwenden ließe“.
Folgt man Fensters „communication model“ geben die Informanten (Sender) jedoch selektiv Dokumente weiter, verfolgen damit auch eventuell Eigeninteressen und dadurch wird die Transparenz wieder nur teilweise ermöglicht. Die Lösung scheint tatsächlich eine Verbindung aus Transparenz und Geheimhaltung, die Frage bleibt jedoch, wie man dies ermöglichen kann.
Ich möchte noch auf einen Artikel verweisen, welcher einerseits scharfe Kritik am Vorgehen von Wikileaks übt und behauptet, dass die Intransparenz steigt und schwierig ist. Andererseits scheint der Journalist ein Verfechter der Anonymität in Bezug auf Anonymous zu sein. Hier sieht man denke ich recht gut, welche Probleme durch Subjektivität entstehen können: Wer entscheidet, wann Transparenz und wann Geheimhaltung gewährt werden soll und wie kann man individuelle Interessen möglichst heraushalten und sachlich entscheiden?
https://www.zeit.de/2015/47/wikileaks-anonymous-hacker-julian-assange-ideologie
Hier noch ein interessanter Artikel zu Wikileaks Verfahren bei Widerstand:
https://www.zeit.de/digital/2015-08/ttip-freihandelsabkommen-whistleblower-belohnung
Tags: Mark Fenster, Transparency vs. secrecy, Wikileaks
Am 16. Februar 2016 um 17:18 Uhr
„(…) und schließlich garantiert Transparenz nicht, dass die Empfänger etwas damit anfangen (können)“
Das ist ein Punkt der in vielen Diskussion um (mehr) Transparenz in politischen Prozessen außer Acht gelassen wird, aus meiner Sicht aber enorm wichtig ist. Für viele bedeutet Transparenz leider nur, dass alle Informationen verfügbar gemacht, alle Dokumente veröffentlicht werden müssen. Das heißt aber noch lange nicht, dass es für eine*n interessierte Beobachter*in anschließend nachvollziehbarer geworden ist, da es in der Regel unmöglich ist ohne erheblichen Zeitaufwand etwas mit diesen Informationen anzufangen.
Transparenz kann höchstens ein Werkzeug sein um zu dem eigentlichen Ziel zu kommen, nämlich politische Prozesse wieder nachvollziehbarer zu machen. Mein Eindruck ist, dass diejenigen die häufig davon reden dass etwas „transparenter sein muss“ eigentlich meinen, dass es nachvollziehbarer sein muss.
Es wird interessant sein zu sehen, wie die Auswirkungen des neuen Transparenzgesetzes in Hamburg, was im wesentlichen die komplette Durchleuchtung der Verwaltung zur Folge hat, aussehen werden, da den Beamtinnen und Beamten klar sein muss, das jeder ihrer Vorgänge veröffentlicht werden wird. Privatheit würde es nur noch geben wenn sich mehr Vorgänge vom offiziellen in den „inoffiziellen“ Bereich verschieben würden.