Wir haben uns letzten Freitag mit dem Text von Anita L. Allen und ihrer Privacy Definition beschäftigt. Zwei Punkte die wir dabei in unserer Diskussion angesprochen haben möchte ich, in diesem Beitrag, nochmal ins Blickfeld rücken: Da wäre zum einen das Regenschirm – Konzept und zum anderen die Privatsphäre der Frau.
Allen beschreibt in ihrem Buch das „umbrella concept(s)“ (Allen, 1988, S.7), welches im Gegensatz zur Familienähnlichkeit ein ein deutlich geordneteres, abgrenzbareres Bild von Privacy unterstellt. Unter einem „Schirm“ vereint Privacy hier Begriffe wie seclusion, secrecy, confidentiality und anonymity. Bei der Familienähnlichkeit auf der anderen Seite geht es eher um eine gemeinsame Essenz aller Verwendungen und Definitionen des Begriffes. Ich für meinen Teil würde vielmehr zum Konzept der Familienähnlichkeit tendieren. Wie seht ihr das?
Zur gesellschaftlich anerzogenen Bescheidenheit der Frau „feminine modesty“ (Allen, 1988,S.20 ) und ihren Folgen auf die Privatsphäre
Vieles hat sich seit 1900 in Bezug auf die Frau gewandelt. Frauen dürfen wählen gehen, arbeiten und selbstbestimmt leben. Dieses, nennen wir es Phänomen, ist besonders durch die Folgen zweier Weltkriege geprägt. Ein Punkt, der sich in den Köpfen der Gesellschaft allerdings noch nicht sehr stark gewandelt hat, ist das Bild von Mädchen und Frauen. Sie sind die lieben, fleißigen und bescheidenen Geschöpfe der Menschheit, harmoniebedürftig und diplomatisch. Durch dieses Bild in den Köpfen der Gesellschaft haben Frauen seit Jahrhunderten eine besondere Privatsphäre zu inne. Früher war die Frau der ruhige Pol, der sich, anders als die Männer, züchtig und zurückhaltend benehmen musste. Es wurde von Frauen erwartet, dass sie sich ruhig und sittsam verhielten und wenig Privates von sich preisgaben. Nun ist die Frau weiter gekommen, sie möchte ihre Errungenschaften genießen und ein Stück der ungewollten Privatsphäre aufgeben. Die Gesellschaft dies aber nicht zu. Eine wesentliche Konsequenz, wenn Frauen es doch tuen, ist soziale Abwertung. Schon Elisabeth Noelle Neumann sprach in Ihrer viel zitierten Theorie der Schweigespirale von der Isolationsfurcht des Menschen, was auf diesen Fall sehr gut anwendbar ist.Die Frauen fürchten sich vor gesellschaftlicher Isolation, wenn sie sich anders verhalten, als die Gesellschaft es von ihnen erwartet. Ein prägnantes Beispiel dafür ist die Sexualität: Wenn ein Mann mit vielen Frauen schläft wird er gesellschaftlich für seine sexuellen „Errungenschaften“ bewundert. Wenn eine Frau dies tut, muss sie sich gesellschaftlicher Verachtung und Diskriminierung stellen. Nun stellt sich die Frage: Wenn man Mädchen und Frauen genauso erziehen würde wie Jungen und Männer und es keine konstruierten Geschlechterrollen gäbe, sähe die Realität dann anderes aus? Eine Vorreiterin im Bereich des gesellschaftlich Konstruierten Geschlechts ist Judith Butler mit ihrem Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ die dazu sehr kontroverse Vorstellungen vertritt und deren Literatur ich jedem*r, der*die sich für dieses Thema interessiert, mal ans Herz legen würde.
Am 1. Dezember 2015 um 11:01 Uhr
Ich würde auch der Familienänlichkeit mehr zustimmen, als dem Regenschirmkonzept. Es stimmt zwar einerseits, dass man alle Begriffe, die zu Privacy gehören „unter einen Hut“ oder eben auch Regenschirm gehören, aber die wesentlichere Eigenschaft ist die Famienänlichkiet. All diese Begriffe gehören im Zusammenhang mit Privacy zusammen, sind aber eigentlich sehr unterschiedlich von einander.
Ich finde es schön, dass du das Gender Thema noch einmal aufgegriffen hast.Die Ansicht von Butler zu dem Thema ist in meinen Augen sehr spanend und ich würde persönlich auch vielen Punkten zustimmen. Die Rolle der Frau würde sich auf jeden Fall verändern, wenn man Mädchen und Jungen auf die selbe Weise erziehen würde. Ob das biologische Geschlecht, aber trotz einer gleichen Erziehung keinen Einfluss hätte, dessen bin ich mir nicht sicher. Wenn man aber jedem Individdum sein Geschlecht selbst konstruieren ließe, so wäre die „modesty“- Debatte der Frau bestimmt kein Thema mehr.
Am 1. Dezember 2015 um 14:34 Uhr
Ich fände es auch sehr spannend, wenn ihr genau diese Frage, inwiefern Privatheit etwas weibliches ist oder ob es eine speziell weibliche Form der Privatheit gibt/geben sollte, auch beim Lesen des Arendt-Textes mit bedenkt, zumindest im Hinterkopf. gerade von feministischer Seite ist nämlich Arendt für ihre Vorstellung von Ort und Rolle des Privaten vielfach kritisiert worden…
Z.B. https://www.psupress.org/books/titles/0-271-01446-6.html