In der Sitzung am 4.12. haben wir uns mit dem 2. Kapitel des Textes: „Vita Activa oder vom tätigen Leben“ von Hannah Arendt beschäftigt. Wir übten uns im Kollaborativem Schreiben, in dem wir drei Fragen zum Text Arendts zu beantworten versuchten. Doch zusätzlich stellte sich noch eine weitere, in meinen Augen spannende, Frage. Es wurde nämlich nicht klar, wie Hannah Arendt nun wirklich zum Thema Feminismus steht. Sie ordnet, in Vita Activa, die Reproduktion und die Familienplanung in den privaten Raum und so auch die weiblichen Aktivitäten in eben diesen ein. Dafür wurde sie auch von vielen Feministinnen kritisiert, doch ist Hannah Arendt wirklich anti-feministisch?
Wie schon beschrieben nimmt Arendt Bezug auf den geschichtlichen Hintergrund des Bildes der Frau. Denn in der Antike gehörte die Frau ganz eindeutig in den Bereich des Privaten. Sie gehörte, zusammen mit den Sklaven, in einen familiären Kontext.
Heutzutage hat sich diese Situation selbstverständlich verändert. Arendt selbst stand in der Öffentlichkeit als Frau und das sehr erfolgreich.
Trotzdem hat sie sich gegen eher den Feminismus ausgesprochen. Dies ist verwunderlich, da es ihr gelungen ist die damalige Männerdomäne der politischen Theorie erfolgreich zu erobern. Niemand hat sie jemals angezweifelt aufgrund ihres Geschlechts und sie selbst meint, dass sie in keinem Punkt ihres Lebens darüber nachgedacht hätte ob ihre Tätigkeiten typisch weiblich gewesen wären. („Ich hab einfach gerne gemacht was ich machen wollte.“, Interview mit Günter Gaus, 1964)
Doch im selben Atemzug behauptet sie, dass sie seit jeher eine traditionelle Meinung zu Frauen gehabt hätte und dass es Tätigkeiten gäbe die „Frauen nicht stehen“ (Interview mit Günter Gaus, 1964) und wenn Frauen diese ausführen, ihre „weiblichen Qualitäten“ verlieren würden. In ihrem eigenen Privatleben ist sie durchaus „typisch weiblichen Tätigkeiten“ nachgegangen („Sie brät Spiegeleier (…) [oder] etwa dass sie ihrem Mann die Pantoffeln holt“, Antje Schrupp – Hannah Arendt und der Feminismus)
Arendt scheint privat also durchaus ihre „weiblichen Qualitäten“ (welche immer das auch sind) bewahren zu wollen, aber im öffentlichen Raum die Geschlechterfrage als unwichtig zu betrachten. Sie ordnet das Geschlechterverhältnis also dem Privaten zu, folglich ist ihre Weiblichkeit für ihr öffentliches Leben schlichtweg unerheblich. Aus diesem Grund würde sie niemals den Feminismus unterstützen, da dieser einerseits versucht politisches und geschlechtliches zu vermischen und andererseits sich für die Interessensgruppen der Frauen einsetzt. Auch das ist etwas, dass für Hannah Arendt nicht sinnvoll ist. Sie schreibt: „Es ist wichtig wer wir sind, nicht was wir sind“ (Arendt: Vita Activa, S. 20f.).
Damit bringt sie zum Ausdruck, dass alle Menschen voneinander verschieden sind und gewisse Personen nicht aufgrund einer gemeinsamen Eigenschaft, einen Interessensgruppe bilden sollten, mit einem Individuum an der Spitze, dass die Interessen aller vertritt. Doch der Feminismus wäre genau so eine Interessensgruppe und Arendt würde niemals als Frau für andere Frauen sprechen, genauso wenig als Jüdin für andere Juden.
Um nochmal auf das historische Argument vom Anfang einzugehen, dass sie auch in Vita Activa anspricht, dass Frauen auf Grund ihrer körperlichen Beschaffenheit in den privaten Bereich gehören, würde ich sagen, dass für Arendt der „Ort von Geburt und Tod (…) der Bereich des Haushalts“ war. (Arendt, Vita Activa S. 77). Da nun aber die Geburt eines Menschen untrennbar mit dem weiblichen Geschlecht verbunden ist, gehört das weibliche in diesem Moment des Gebärens in den Bereich des Haushalts, also in das Private. Würden Männer gebären können, würden sie auch in diesem Aspekt an den Haushalt gebunden sein.
Abschließend ist also zu sagen, dass Hannah Arendt selbst in ihrem öffentlichen Auftreten in jedem Fall eine starke und präsente Frau ist, die durchaus Ideale des Feminismus verkörpert, aber sich selbst niemals diesem verschreiben würde. Da sie vom Pluralitätsprinzip ausgeht, in dem jeder Mensch unterschiedlich ist. Sie hat eine sehr traditionelle Ansicht von einer Frau, wenn es um den privaten Bereich geht, lässt im öffentlichen aber die Geschlechterfrage ganz außen vor.
Diese Ansicht ist, was den öffentlichen Sektor angeht, in meinen Augen sehr fortschrittlich. Würde es im öffentlichen Leben keinen Unterschied mehr machen, ob nun eine Frau oder ein Mann in einer Führungspostion ist oder Kinder unterrichtet, wäre das eine enorme Bereicherung für die Gesellschaft.
Dies aber nicht auch auf das Private zu beziehen, halte ihr wiederum für rückschrittlich, keine Frau sollte gezwungen sein, ihrem Ehemann seine Pantoffeln zu bringen oder überhaupt einen Ehemann zu haben. Dieser traditionellen Sichtweise Arendts muss ich eindeutig widersprechen, da sie sowohl Frauen als auch Männern eine Rolle aufzwingt, der sie in vielen Fällen nicht entsprechen wollen, vor allem nicht in ihren eigenen vier Wänden. Es ist ja nicht so, dass der Pluralismus der Persönlichkeiten aufhört, nur weil man sich im privaten Raum aufhält.
Aber was würdet ihr sagen, würdet ihr Arendt als Antifeministin beschreiben? Findet ihr es richtig, dass Frauen im Privaten ihre „weiblichen Qualitäten“ verlieren können, wenn sie ein falsches Verhalten an den Tag legen?
Unter diesem Text, findet ihr noch das Interview Arendts mit Günter Gaus aus dem Jahr 1964. Der Abschnitt 0 – 5:22 min ist für unseren Sachverhalt interessant. Aber trotzdem ist das ganze Interview spannend, für jemanden, der sich die Zeit nehmen will.
Tags: Arendt, Privatheit vs. Öffentlichkeit, Rolle der Frau
Am 17. Dezember 2015 um 11:28 Uhr
Ich finde die Position von Hannah Arendt im Bezug auf feministische Perspektiven auch sehr spannend. Der Aussage „Es ist wichtig wer wir sind, nicht was wir sind“ (Arendt: Vita Activa, S. 20f.) wurde ich so erst einmal voll und ganz zustimmen. Die Konsequenz die sie, für sich, daraus zieht sehe ich aber problematisch. Denn es ist nun mal nicht so, dass jede Frau ihre Persönlichkeit ausleben kann – sie können zum Teil überhaupt keine eigene entwickeln. Und wenn man sich in diesem Zusammenhang nicht für Menschen mit dem gleichen Merkmal einsetzt, sei es die Weiblichkeit, eine Behinderung oder die Religion, lassen wir dann Menschen die auf Hilfe dieser Art angewiesen sind einfach im Stich? Weil wir nicht aufgrund gleicher Merkmale Interessengruppen bilden wollen? Es sind doch auch gleiche Merkmale die uns verbinden, eben weil Menschen mit gleichen Merkmalen ähnliche Schicksale teilen können. Im privaten Bereich ist ihre Position in meinen Augen nicht minder problematisch. Dennoch sehe ich bei ihr keine Schuld. Deshalb würde ich sie auch nie als antifeministisch bezeichnen. Sie ist mit dieser Einstellung aufgewachsen. Sie hat ihre Kindheit, Jugend und ihr Alter geprägt und daran ist sie nicht schuld, sondern das Bild der Frau in der Gesellschaft. Diese Vorstellungen sind ihr anerzogen worden und doch begehrt sie in gewisser Weise dagegen auf. Denn sie tat mit ihrem Leben das was sie damit tun wollte ungeachtet der „Problematik“ das sie eine Frau war. Wenn sie im Privaten Bereich, mit ihrer anerzogenen weiblichen Bescheidenheit, glücklich war so freue ich mich eher für sie, als sie aufgrund dessen zu verurteilen. Zum Schluss will ich nur noch sagen, dass es für mich weder weiblich noch männliche Qualitäten gibt, weil „Es ist wichtig wer wir sind, nicht was wir sind“ (Arendt: Vita Activa, S. 20f.).