Privatheit

Zur politischen Bedeutung eines umstrittenen Begriffs

Warum die „take it or leave it“-Attitüde zu eindimensional ist

Um der kommenden Sitzung nicht all zu viel vorwegzunehmen, nur so viel zu dem Inhalt des Textes: Helen Nissenbaum stellt zu erst die aktuelle Lage und vorherrschende Denkweise zu Online-Privacy da und arguementiert danach für ein Internet mit dem Fokus auf freie demokratische Werte an statt auf kapitalistische Interessen. (Um einige Unklarheiten über bestimmte Begriffe bei Nissenbaum und ihre generelle Argumentation zu verstehen hat mir übrigends dieses Video sehr geholfen.)

Mein eigentlicher Blog soll sich nun um die Attitüde vieler Seiten im Internet handeln, die ihren Inhalt/Service nur mit ungeheuren Datenschutzbestimmungen anbieten und dann argumentieren, dass jede*r die freie Entscheidung hat diesen zu zustimmen oder nicht.                             Auch Nissenbaum erkennt das dieses „take it or leave it“-Arguement, die Welt einfacher macht als sie in wirklichkeit ist und stellt fest, dass „[…] the price  of  not  engaging  socially,  commercially, and financially may in fact be ex-acting enough to call into question howfreely these choices are made. „. Genau da möchte ich einsteigen  und diese Frage nach der freien Entscheidung stellen. Denn sehen wir uns als Beispiel einmal Facebook an. Facebook hat derzeit über 1.5 Milliarden Nutzer*innen weltweit (Tendez steigend) und das trotz sehr umstrittenen Daten- schutzbestimmungen.

Wenn wir jetzt annehmen, dass jede*r Nutzer*in von Facebook ein*e „rational chooser“ ist, dann müssen wir zu dem Schluss kommen, dass Facebook etwas bietet, das mindestens so wertvoll wie die eigene Privatsphäre ist bzw. so gesehen wird. Dies ist wohl die soziale Vernetzung und Kommunikation, die Facebook liefert, auf die mensch in der heutigen Zeit anscheinend nicht verzichten kann. Sehr interessant sind auch die Momente in denen Facebook mal wieder  seine Datenschutzbestimmung noch weiter „verschlechtert“ (also für die Nutzer*innen) und ein Großteil der Nutzer*innen lustige Protestbildchen teilen anstatt das Netzwerk zu wechseln. Doch Moment! Genau dies wäre ja das „take it or leave it“- Argument, welches, wie ich behauptet habe, zu einfach ist und genau das ist auch hier der Fall!

Den wir stecken gerade in dem Dilemma, dass sich Facebook bereits etabliert hat und viele Nutzer*innen einfach so an sich bindet. Denn klar kannst du selbst als freies Individuum entscheiden zu einem sozialen Netzwerk mit (vermeintlich) mehr Privatsphäre zu wechseln, jedoch bringt dir ein soziales Netzwerk nichts, wenn du dort alleine bist.

Es bleibe also die Fragen: Werden wir es schaffen dieser starken Kommerzialisierung des Internet auf Kosten von Privacy etwas entgegen zu setzen? Und wenn ja, wie?

https://de.statista.com/themen/138/facebook/

https://www.spiegel.de/netzwelt/web/s-p-o-n-die-mensch-maschine-facebook-ist-nur-ein-symptom-a-788777.html

 

https://www.spiegel.de/netzwelt/web/sascha-lobo-ueber-werbung-im-internet-a-994764.html

 

 

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Der Beitrag wurde am Mittwoch, den 13. Januar 2016 um 15:41 Uhr von Florian Lehmann veröffentlicht und wurde unter Allgemein, Inhaltlich abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

4 Reaktionen zu “Warum die „take it or leave it“-Attitüde zu eindimensional ist”

  1. Malte Grün

    „Wenn wir jetzt annehmen, dass jede*r Nutzer*in von Facebook ein*e “rational chooser” ist, dann müssen wir zu dem Schluss kommen, dass Facebook etwas bietet, das mindestens so wertvoll wie die eigene Privatsphäre ist bzw. so gesehen wird.“

    An dieser Stelle aus deinem Beitrag würde ich gerne ansetzen. Rational-Choice-Theorien beziehen sich meist auf den Menschen als vernünftiges Wesen, es sind üblicherweise alle Menschen, also auch alle Facebooknutzer gemeint, auch wenn man manchmal an deren Vernunft zweifeln mag.
    Im „take it or leave it“-Argument und auch in den mir bekannten Einwänden steckt die Frage danach, wer für die Problembewältigung, in diesem Fall Datenschutz bei Facebook, zuständig ist. Das Unternehmen ist frei, den Datenschutz zu handhaben wie es „ihm“ beliebt, solange es nicht gegen Gesetze verstößt.
    Das Internet ermöglicht das wir Dienstleistungen aus anderen Ländern in Anspruch nehmen und wir akzeptieren mit der Nutzung auch die Gesetze denen dieses Unternehmen unterliegt. Es gibt eben nicht das „deutsche“ Internet in dem alles nach deutschem Recht verhandelt wird. Wer irgendwelche Waren aus den USA kauft wird es auch im Nachhinein schwer haben deutsche Verbraucherschutzgesetze durchzusetzen.
    Ich wünschte es gäbe eine einfachere Lösung um länderübergreifend geltende Gesetze zu bekommen, aber es gibt auch gute Gründe dafür dass es die nicht gibt. Ich wünschte meine Daten würden „Top-Down“ von irgendwelche Gesetzen geschützt werden, aber solange dass nicht der Fall ist, bin ich selbst in der Lage eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Diese Entscheidungen in Massen prägen schließlich auch wie Politik, ob von Parlamenten oder Unternehmen, aussieht.

  2. Daniel Ambrée

    Was die Betreiber bei Facebook, Twitter und Co vor allem schützt, ist, wie Florian bereits dargestellt hat, der Drang der Menschen, häufig unnötige Sachen mit seinen 200 Freunden zu teilen. Wer hat das beste Frühstück, wer den besten Freund? Diese Fragen mit einem Foto oder einer Nachricht zu beantworten, scheint wichtiger zu sein als die Privatsphäre. Viele denken sich: Was kann Facebook schon mit meinen Informationen anfangen. Die meisten Sachen, die ich verschicke, sind von geringem Interesse. Und wenn dann mal ein Aufschrei nach den neuen Datenschutzbestimmungen von Facebook kommt, regen sich viele mittlerweile kaum noch auf, denn sie wissen, dass sie sich akzeptieren müssen, da die anderen es akzeptieren werden. Ich handle deshalb genau dann rational, wenn ich es nicht boykottieren, denn die anderen werden es auch nicht machen und eine Person weniger bewirkt auch kein Umdenken bei Facebook. Würde ich Facebook verlassen (was gar nicht mal so einfach ist), so wäre meine Vorteilsseite, die vielleicht aus einem guten Gewissen besteht, deutlich kleiner als meine Nachteilsseite (mein Bedürfnis nach Austausch wird weniger bedient)! Und genau hier liegt das Problem!

  3. Ulrike Höppner

    Nach der heutigen Diskussion könnte man vielleicht feststellen, dass die Frage was „unnötig“ ist eben stark nach Kontext variiert. Zum Beispiel: Über Weihnachten haben alle in meiner Familientelegrammgruppe Bilder ihrer Weihnachtsbäume gepostet. Um zu zeigen, dass wir natürlich echte Kerzen haben, nicht so’n Elektrozeug. Ansonsten kann man in dieser Gruppe viel über Verspätungen auf deutschen bahnstrecken und das Wetter in unterschiedlichen Regionen erfahren. Nichts davon ist an sich besonders sinnvoll. Wenn ich wissen will, wie das wetter in H. ist, kann ich ebenso gut eine Wetterapp installieren. Diese Informationen sind auch nicht an sich privat. Trotzdem macht es mir Spass. Warum? Weil wir auf diesem Wege auch viele andere Dinge kommunizieren: Hallo, ich bin noch da, geht es dir gut, was machst du heute…. Auch wenn das nicht immer so drin steht. Seit wir diese Gruppe haben sind wir uns näher, einfach im Alltag.
    Bei Facebook bin ich mit Menschen verbunden, aus deren Alltag ich sonst gar nichts wüsste, obwohl wir uns sehr nah sind. Witzigerweise sind es auch dort eben die Posts übers Essen, den letzten Spaziergang oder das Wetter, die mir Einblicke ermöglichen, die wertvoll sind.
    Mich stören eher zwei andere Dinge. Erstens teile ich mit jedem Blick, jedem Post und jedem Klick noch eine Menge andere Sachen nicht nur mit meinen Freunden und Verwandten, sondern auch mit dem Unternehmen. Wann ich ich Zeit habe, in Facebook zu schauen. Welche Nachrichten und Geschichten mich interessieren. Was ich überblättere. All das sagt viel über mich, meine Interessen ja sogar meinen Seelenzustand aus. Mehr als ich vielleicht selbst weiss (dasselbe gilt übrigens für die Google-Suche). All diese Daten erzeuge ich, ohne dass ich selbst irgendetwas posten müsste. Technisch ist eine Teilnahme am Internet nur möglich, wenn entweder das Unternehmen diese Daten (die technisch erst einmal anfallen) sofort löscht, wozu sie aber keinerlei Veranlassung haben. Oder indem ich meine Spur mit (technisch allerdings eher als Expertenlösungen zu sehenden) Anonymisierungstechnologien unterschiedlicher Art verwische.
    Das zweite, was mich fast noch mehr beeinträchtigt, ist die Mischung der Kontexte. Da steht der Artikel über die ertrinkenden Flüchtlinge unmittelbar neben dem Bild des Rotweinglases meiner Schwägerin. Der Hinweis auf ein anstehendes Konzert, neben der Stellenanzeige und der Erinnerung an den tragischen Tod des Kindes einer Freundin. So als hätte alles die gleiche bedeutung und gehörte in den denselben Bereich meines Lebens. Vermutlich ist das einer der Gründe warum immer weniger Menschen in meiner Umgebung wirklich privates überhaupt posten. Ich will nicht, dass meine kleinen Freuden und Sorgen in einem immer länger werdenden Stream belangloser, wichtiger und öffentlicher Nachrichten aus dem Kontext fallen.
    Für kontextuelle Privatheit spricht denn auch nicht nur die mangelnde Umsetzbarkeit von notice-and-consent oder die take-it-or-leave it attitüde, sondern auch die Tatsache, dass Kontext eben wichtig ist. Insofern sind Cohen und Nissenbaum auch nicht entgegengesetzt sondern eher komplementär.

  4. Florian L

    Um noch mal auf Ulrike’s ersten Störfaktor zu kommen, dass im Internet unweigerlich Spuren entstehen wenn man es benutzt und kein Unternehmen diese Daten einfach so löschen würde bzw. Methoden der Verschleierung seitens des Users viel zu kompliziert für die Meisten ist.
    Meine Idee ist nun ein grösstenteils von der Communitiy getragenes Internet anstatt von gewinnmaximierenden Großkonzernen wie Google,Facebook, etc.. Dabei ergeben sich jedoch ertmal ein paar Fragen erstmal: Ist das überhaupt umsetzbar? Und Zweitens: Gibt die uns wirklich mehr Privacy?
    Zum Ersten, grundsätzlich denke ich schon, dass es theoretisch machbar ist viele Websites von der Community und/oder non-profit-Organisaionen weiter zuentwickeln und zu betreuen, bisher haben wir leider nicht all zu viele Beispiele, aber als Besipiel haben wir definitiv Wikipedia, welches von einer Gemeinnützigen Organisation geleitet wird und keinerlei kommerziellen Ambitionen hat. Nun bleibt die Frage offen, in wie fern sich dieses Konzept auf Suchmaschienen und Soziale Netzwerke ausdehnen lässt.
    Zum Zweiten, bin ich recht gespaltener Meinung, zum einem fällt, durch die nicht vorhandenen kommerziellen Ambitionen, die Notwendigkeit persönlichen Daten für Werbung oder ähnliches auszuwerten. Zum anderen ist es nicht gesichert, dass durch die Communtiy-Beteiligung nicht auch Menschen dabei sind, die ihre neuen Befugnisse dafür ausnutzen könnten Daten einzusehen, die nicht für andere User bestimmt waren und somit die Privacy, des Einzelnen aushöhlen könnten. Allerdings denke ich, dass es dafür eine technische Lösung geben sollte( einschränken der Rechte dieser Hilf-Admins etc). Jedenfalls bin ich gespannt ob es noch weitere Plattformen es schaffen ohne kommmerziellen Ambitionen in Konkurrenz mit den etablierten Websites zu treten und diese vielleicht sogar verdängen könnten.