Nothing-to-Hide ist einer der Kristallisationspunkte der Privacy-Debatte. Denn die Frage, ob Privatsphäre etwas damit zu tun haben, ob man etwas zu verbergen hat, ist heiß umstritten. Geheimnisse haben einen ambivalenten Ruf, ähnlich wie übrigens Anonymität als ein weiterer Schlüsselbegriff der Privacy-Debatte. Solove hat in einem Interview mal ganz genau auseinandergenommen, was das Nothing-to-Hide Argument bedeutet. Darum heute anstelle eines langen Textes von mir mal ein Video.
Und für alle, die es schriftlich wollen, hier nochmal im Text Soloves Gedanken dazu.
Über die Kategorisierungen, die Probleme der Überschneidungsfreiheit und Abgrenzung etc., die in der Sitzung zu Sprache kamen, sollten wir am Ende des Seminars nochmal diskutieren. Vielleicht lohnt es sich, in der letzten Sitzung den Solove Text noch einmal zu Grunde zu legen, dann mit dem ganzen Wissen des Seminars.
Tags: Nothing-to-Hide, Seminarplan, Solove
Am 3. November 2015 um 13:31 Uhr
Besonders bewegt haben mich zwei Argumente von Prof. Solov: 1. In einer Demokratie bestimmen letztlich nicht die Regierungen, sondern die Bürger darüber, was getan wird, was richtig und was falsch ist in der Frage, wie viel Informationen der Staat über den Einzelnen hat. Indem die Regierung bzw. ihre Geheimdienste verschleiern, was sie tun, entziehen sie sich jeglicher demokratischer Kontrolle. 2. Bei der Frage Sicherheit (gegen Terrorismus) versus Privatsphäre handelt es sich um eine Irreführung. Denn natürlich dürfen Regierungen in die Privatsphäre eindringen, es ist nur wichtig, dass das nach rechtsstaatlichen Prinzipien und unter der unabhängigen Kontrolle der Justiz erfolgt.
Denkt man diese Punkte weiter, kommt man zu einer (erwartbar) beunruhigenden Erkenntnis: Die Regierung täuscht absichtlich vor, unkontrollierte Rechte zum Einbruch in die Privatsphäre zu brauchen, und entzieht sich damit bewusst der demokratischen Kontrolle. Wenn man dann noch andere beunruhigende Effekte des Big Data hinzunimmt, nämlich das zunehmende Profiling, dann wird es immer bedenklicher. Wenn ich meine Informationen zunehmend ausschließlich aus dem Internet beziehe, mir dieses aber auf mein Profil (oder die Wünsche der Regierung) zugeschnittene Nachrichten zuspielt, dann gibt es keine Möglichkeit mehr, zu erkennen, „wie die Welt ist“ und insbesondere, wie gut oder schlecht eine herrschende Elite im Interesse der Allgemeinheit handelt. Und damit stehen wir vor dem Zusammenbruch des demokratischen Prinzips.
Am 14. November 2015 um 10:57 Uhr
Persönlich fand ich den Vergleich Franz Kafkas „Der Prozess“ sehr interessant, da ich schon seit längerer Zeit ein ziemlicher Kafka-Fan bin und quasi alles von ihm gelesen habe unter anderem auch „Der Prozess“. Jedoch hab ich dabei nie an Privatheit gedacht, ich sah immer nur die Allmächtigkeit der Behörden/Bürokratie und hab gar nicht durch, wie auch von Solove angesprochen, die Intransparenz der Behörden und ihr anscheinendes Allwissen über den Protagonisten diese Verbindung zur Privatheit gezogen. Obwohl dies nun da ich es einmal gehört habe total offensichtlich finde.
Etwas sehr aktuell sind meine Befürchtungen im Zusammenhang mit den schrecklichen Schandtaten, die gestern in Paris verübt wurden. Zum einem wird europaweit der Braune Mob sicht bestärkt fühlen in seinen Ängsten und wieder Zulauf gewinnen. Zum anderen wird sich wahrscheinlich die gesamte privacy-Debatte erneut wieder Richtung „nothing-to-hide“ bewegen. Solove meinte ja zum Schluss, dass es jetzt einige Jahre nach 9/11 die Stimmung in der Debatte Richtung eher von diesem Sicherheitswahn abrückt( wobei er natürlich über die Stimmung in der USA spricht), doch durch diese Terrorserie und dessen mediale Aufbereitung ist es, meiner Meinung nach, durch aus denkbar, dass sich in allen europäischen Länder Sicherheit auf Kosten von Freiheiten und Privatheit durchsetzen könnte.