Umweltpolitikanalyse

Eine Forschungsagenda

#10

10. These: In hoch regulierten Politikfeldern scheitern internationale Verhandlungen immer häufiger am Veto einflussreicher Nationalstaaten. Häufig funktioniert jedoch die zwischenstaatliche Politikdiffusion als funktionales Äquivalent und sorgt für ein internationales Regulierungsniveau, das einer verbindlichen internationalen Regulierung kaum nachsteht.

Das Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen im Dezember 2009 und die anhaltenden Schwierigkeiten, internationale Klimaschutzziele für die Zeit nach 2012 zu vereinbaren, haben die Grenzen multilateraler Verhandlungen und internationaler Umweltschutzübereinkommen deutlich gemacht (Sterk et al. 2010). Waren internationale Übereinkommen in der Frühphase der Umweltpolitik noch vergleichsweise leicht zu erzielen, so sind die „low hanging fruit“ inzwischen größtenteils geerntet. Was übrig bleibt sind einerseits sogenannte „wicked“ oder „persistente“ Probleme, deren besondere Problemstruktur verbunden mit der Existenz einflussreicher Vetospieler politische Lösungsstrategien von vornherein stark erschweren (Rittel/Webber 1973; Jänicke/Volkery 2001; Ney 2009). In der internationalen Umweltpolitikanalyse ist in diesem Zusammenhang auch von non-regimes die Rede, das heißt Umweltbereichen, in denen trotz bekannten Problemdrucks bislang keine internationalen Regelungen vereinbart werden konnten (Dimitrov 2002; Dimitrov et al. 2007). Andererseits steht heute immer häufiger die Fortentwicklung und Verschärfung bestehender multilateraler Vereinbarungen an. Häufig sind hier die in frühen Verhandlungsrunden noch vorhandenen win-win-Potentiale und windfall profits bereits ausgeschöpft, so dass weitergehende Verpflichtungen in der Regel mit deutlich höheren Kosten für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft verbunden sind. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise ist hier generell mit schwierigen Verhandlungen zu rechnen.

Welche Alternativen gibt es für die globale Umweltpolitiksteuerung wenn ihr wichtigstes Instrument, die Aushandlung multilateraler Übereinkommen, in Stocken gerät? Neuere Studien zur internationalen Diffusion umweltpolitischer Innovationen zeigen, dass sich Umweltschutzgesetze, Umweltinstrumente und umweltpolitische Institutionen ebenso schnell durch zwischenstaatliche Lern- und Nachahmungsprozesse ausbreiten wie durch verpflichtende internationale Übereinkommen (Busch/Jörgens 2007b, 2010). Durch die gezielte Beeinflussung dieser Diffusionsdynamiken können nationale Regierungen, transnationale Nichtregierungsorganisationen oder internationale Organisationen die Ausbreitung von Umweltschutzmaßnahmen beschleunigen und dadurch einen Beitrag zur globalen Umweltpolitiksteuerung leisten. Erste Studien zur gezielten Beeinflussung von Diffusionsprozessen in unterschiedlichen Politikfeldern zeigen, dass das hierin liegende Steuerungspotential nicht unerheblich ist (Jakobi/Martens 2007; Jakobi 2009; Zohlnhöfer/Ostheim 2007; Orenstein 2008). Für die internationale und international vergleichende Umweltpolitikanalyse liegt hier eine Chance, die Möglichkeiten, Mechanismen und Grenzen globaler Umweltpolitiksteuerung jenseits der „Gipfeldiplomatie“ systematisch zu erforschen und praktische Handlungsempfehlungen zu formulieren.

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