Umweltpolitikanalyse

Eine Forschungsagenda

#3

3. These: Mit zunehmendem Alter eines Politikfeldes gewinnt die Interpretation und inkrementelle Weiterentwicklung bestehender Regelungen gegenüber der Schaffung neuer Regelungen an Bedeutung. Die Umweltpolitikanalyse muss ihren Fokus daher stärker auf die Novellierung bestehender Gesetze richten.

Vergleichende Studien zum Wandel nationaler Umweltpolitiken zeigen, dass die Zahl neu geschaffener Gesetze und Regelungen seit Ende der 1990er Jahre deutlich abgenommen hat (Busch/Jörgens 2007a; Holzinger et al. 2008). Während sich die Umweltpolitik bis in die 1990er Jahre zu einem wichtigen Teil mit dem Schließen von Regulierungslücken befasst hat, verlagert sich die umweltpolitische Aktivität auf nationaler und europäischer Ebene seitdem immer mehr in Richtung Weiterentwicklung und gerichtliche Überprüfung des bestehen gesetzlichen Rahmens. Für die Europäische Union hat McCormick diese Akzentverschiebung für den Zeitraum von 1958-1999 statistisch dokumentiert (McCormick 2001: 63-64, siehe auch Abbildung 1).

Die Umweltpolitikanalyse hat die Dynamiken der Novellierung existierender Gesetze bisher nur ansatzweise und meist nur in einzelnen Fallstudien untersucht (siehe z.B. Volkery 2007). Insbesondere fehlen bislang systematisch vergleichende Studien über Muster, Mechanismen und Determinanten der Novellierung bestehender Umweltgesetze. Wie verändert sich Häufigkeit von Novellierungen im Zeitverlauf? Welche Tendenzen sind hinsichtlich der Qualität von Gesetzesänderungen zu beobachten? Setzt sich das aus den 1970er und 1980er Jahren bekannte Muster einer kontinuierlichen Verschärfung gesetzlicher Anforderungen in allen Problembereichen und

in allen Ländergruppen fort oder gibt es Anzeichen von Stagnation oder gar Deregulierung? Führt die hohe umweltpolitische Regelungsdichte in den entwickelten Industrieländern zu einer Themenkonkurrenz, die sich darin ausdrücken könnte, dass die Fortentwicklung bestehender Programme nur noch selektiv vorgenommen wird (zu dieser durchaus plausiblen Annahme siehe z.B. (SRU (Sachverständigenrat für Umweltfragen) 2008))? Mithilfe der bisher in der Policy Analyse vorherrschenden Einzelfallstudien konnten diese Fragen nur sehr eingeschränkt und auch nur explorativ behandelt werden. Erste quantitativ-vergleichende Analysen deuten allerdings schon jetzt ihr großes Potential für die Erklärung von Politikwandel in „gesättigten“ Problemfeldern an (Knill et al. 2010). Von besonderer Bedeutung wird dabei auch die systematische Erfassung von Nicht-Entscheidungen (Bachrach/Baratz 1963) sein, d.h. die Frage ob, in welchem Ausmaß und warum Emissionsgrenzwerte nicht in dem Maße verschärft werden in dem wirksamere Umweltschutztechnologien verfügbar werden.

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