Herausforderungen und Möglichkeiten von Bildung in der digitalen Welt

Woran erkenne ich eine zuverlässige Quelle? Wie unterscheide ich Informationen von Werbung? Wann darf ich ein Foto aus dem Netz weiterverbreiten, und wie schütze ich meine Daten? Den sicheren Umgang mit dem Internet müssen auch Digital Natives lernen. Für Schülerinnen und Schüler in Berlin und Brandenburg ist die Bildung mit digitalen Medien daher seit diesem Schuljahr fest im Stundenplan verankert. Welchen Beitrag die Schule leisten muss, damit Kinder zu mündigen Mediennutzern heranwachsen, war auch Thema einer Tagung in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin Ende September. Petra Anders, Professorin für Grundschulpädagogik an der Freien Universität, hat sie inhaltlich mitgestaltet. Im Interview spricht sie mit Annika Middeldorf über die Herausforderungen und Möglichkeiten der digitalen Vermittlung von Bildung.

Frau Professorin Anders, wie digital sind Berlins Klassenzimmer?

Was die technische Ausrüstung betrifft, ist das von Schule zu Schule sehr unterschiedlich. An manchen bekommt jedes Kind einen Tablet-Computer gestellt, an anderen nicht. An allen Schulen aber fällt dem Thema Medienbildung und Digitalisierung jetzt ein neues Gewicht zu, denn mit dem neuen Schuljahr ist der neue Rahmenlehrplan für Berlin und Brandenburg in Kraft getreten. Das Basiscurriculum Medienbildung sieht vor, dass in den Klassen 1 bis 10 Kenntnisse über alle Medien vermitteln werden – vom Buch bis zum Smartphone. Das Lernen mit Medien und das Lernen über Medien sind verbindliche Bestandteile des Unterrichts.

Wie sieht das praktisch aus?

Es gibt schon viele Lehrerfortbildungen mit Tipps, wie der Unterricht mit digitalen Mitteln gestaltet werden kann – also für das Lernen mit Medien. Ein Beispiel aus dem Deutschunterricht ist das digitale Geschichtenerzählen: Hier programmieren Schülerinnen und Schüler kleine Geschichten mit einer Software, statt sie aufzuschreiben. Die Themen Datensicherheit oder Medienkritikfähigkeit, also das Lernen über Medien, sind allerdings ein enig aus dem Blick geraten. Da fehlt es noch an Sensibilität, auch bei den Lehrkräften. Dabei sind uns die Themen der Medienkompetenz schon lange vertraut. Im Geschichtsunterricht beispielsweise ist die Quellenkritik ganz elementar. Um eine historische Schrift einordnen zu können, wurde im Unterricht schon immer auch danach gefragt, wer den Text zu welcher Zeit mit welcher Meinung oder Absicht geschrieben hat. Das gilt es nun auch auf Online-Medien zu übertragen.

Bei welchen Internetseiten ist denn grundsätzlich ein kritischer Blick angebracht?

Ein gutes Beispiel ist die Bildersuche über Google, wenn im Unterricht das Thema Recherche auf dem Stundenplan steht. Oft sind die Sucherergebnisse Bilder, die der Realität nicht gerecht werden, sondern einen vermeintlichen Mainstream abbilden. So sind die Darstellungen von Männern und Frauen in der Wort- und Bildersuche mit vielen Klischees oder Vorurteilen belegt. Dazu kommt, dass Inhalte aus dem Internet bereits anhand der eigenen Daten personalisierte Inhalte sind. Das kennen wir, wenn wir Werbung zugespielt bekommen. Es kommt also auf denjenigen an, der sucht, welche Ergebnisse er oder sie bekommt. Nicht nur die Suchergebnisse, sondern das Zustandekommen dieser Ergebnisse sollten Lehrkräfte dann auch im Unterricht thematisieren. Für Kinder und Jugendliche ist die Selbstdarstellung im Netz ein unverzichtbares Thema – hier können Lehrkräfte sehr gut an die Lebenswelt ihrer Schüler anknüpfen und mit ihnen über die Funktionsweise von Medien lernen.

Ende September fand eine Tagung der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Freien Universität zur Medienbildung im Klassenzimmer statt. Was wurde dort außerdem diskutiert?

Die Tagung hat deutlich gezeigt, dass wir in Berlin-Brandenburg am Anfang einer wichtigen Entwicklung stehen. Es geht darum, die durch Rahmenlehrpläne vorgegebene Richtung gemeinsam auszugestalten und dabei die Urteilskompetenz nicht aus den Augen zu verlieren. Uns haben die Lehrkräfte auf der Tagung deutlich signalisiert: Sie wollen nicht nur umsetzen, sondern brauchen mehr Reflexionsraum. Dazu gehören auch Kulturen des Teilens und der gegenseitige Austausch über neue Wege im Digitalen. Eine zentrale Frage auf der Panel-Diskussion war, inwiefern sich die Schule von außen Nachhilfe holen muss: Müssen Projekte von außerschulischen Digitalwerkstätten auch in Schulen einen Platz finden, oder sollten Lehrkräfte vielmehr selbst Experten im Digitalen werden? Zu einem solchen Expertentum gehört auch, dass Lehrkräfte Kontrolle abgeben, neue Lernkulturen initiieren und mit Schülern neue digitale Phänomene gemeinsam entdecken beziehungsweise sich durch medienkompetente Schüler, den sogenannten Medienscouts, helfen lassen.

Was sind die nächsten Schritte in Richtung digitales Klassenzimmer?

Die Tagung verstand sich als Auftaktveranstaltung der Reihe „Diskurs. Medien. Bildung“. Sie hat Lehrkräfte für die wichtige Dimension der Mündigkeit in der digitalen Welt sensibilisiert. Nun gilt es, unterrichtspraktische Workshops in dieser Reihe folgen zu lassen, damit Lehrkräfte ihr vorhandenes Rüstzeug – die Ausbildung der Urteilsfähigkeit – am Beispiel des Digitalen anwenden und erweitern können. Ob das Klassenzimmer selbst digital wird oder das Digitale als Reflexionsraum dient, bleibt eine spannende Frage.

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